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Mission: Sauberer Fluss
Die Wiederbelebung des Ganges

Rishikesh am Ufer des Ganges
Rishikesh am Ufer des Ganges | © Erdmuthe Hacken

"Namami" heißt "Ich verneige mich". Das Sanskrit-Wort ist namensgebend für den Aktionsplan "Namami Ganges", den die Regierung 2014 aufgelegt hat, um dem Ganges zu neuer Gesundheit zu verhelfen. Die Zwischenbilanz fällt durchwachsen aus. 

Von Holger Schäfer

40 Prozent der indischen Bevölkerung leben in der Tiefebene des Ganges und seiner Nebenflüsse. Über 2500 Kilometer erstreckt sich der lebenspendende Strom vom Himalaya bis zum Golf von Bengalen. Die Menschen baden in ihm, kochen und waschen mit seinem Wasser.
 
Doch: Es landen auch ungefilterte Haushalts- und Industrieabwässer, Müll und Exkremente im Fluss. Die Menge der Schadstoffe im Wasser ist seit langem beängstigend. Mehrere Aktionspläne, seit den 80er-Jahren aufgelegt, brachten keine Verbesserung.

Ganges im grafischen Überblick © downtoearth

Um das Problem endlich in den Griff zu bekommen, hat die indische Regierung 2014, am Anfang der auslaufenden Legislaturperiode, das „Namami Gange Programme“ ins Leben gerufen, angesiedelt beim Ministerium für Wasserressourcen, Flussentwicklung und Verjüngung des Ganges. Ziel ist die "Wiederbelebung" des so wichtigen Flusses. 2,5 Milliarden Euro hat die Regierung für die ersten fünf Jahre genehmigt.

Schleppende Umsetzung

Doch das Programm lief schleppend an. Mitte 2017 war erst bei 18 Prozent der Ausgaben klar, wofür man sie überhaupt einsetzen will – etwa in die Aufrüstung bestehender und den Bau neuer Kläranlagen. 
 
Mittlerweile sind die ersten Abwasserkanäle und Kläranlagen gebaut, jedoch bei weitem nicht so viele wie geplant: Bis Herbst 2018 wurden 63 Projekte im Bereich "Abwasser-Infrastruktur" fertig gestellt, geplant waren 236. Die neuen oder renovierten Kläranlagen können 328 Millionen Liter Abwasser reinigen – anvisiert waren 2000 Millionen Liter. Abwasserkanäle in einer Länge von 100 Kilometern wurden gebaut – geplant waren über 2000 Kilometer.

Zusätzliche Belastung: Industrie und religiöse Zeremonien

Besonders die Abwässer der Industrie machen dem Fluss zu schaffen, etwa der Textilindustrie in Kanpur, die bei der Lederherstellung giftige Farb- und Gerbstoffe verwendet. Einige Gerbereien, die sich weigerten, Filteranlagen einzubauen, wurden nach Angaben des verantwortlichen Ministeriums zwar geschlossen. Trotzdem fließen weiterhin große Mengen an Schadstoffen z.B. giftiges Chrom in den Fluss.
 
Auch religiöse Zeremonien tragen weiter zur Flussverschmutzung bei. So landen jedes Jahr tausendfach Götterstatuen wie die von Durga oder Ganesha zu deren Ehrenfesten in den Flüssen.

Der Gips der Figuren und die Farben, mit denen sie bemalt sind, belasten das Flusswasser. Unter Umweltgesichtspunkten ebenfalls umstritten ist die Tradition, Leichen von Verstorbenen am Ufer zu verbrennen und die Überreste dem Fluss zu übergeben.

Auch Deutschland hilft

Seit 2016 arbeitet die indische Regierung beim Ganges-Projekt auch mit der deutschen "Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ)" zusammen. Deutschland investiert drei Millionen Euro, die EU schießt nochmal 2,4 Millionen Euro zu. Fünf GiZ-Mitarbeiter helfen zum einen dabei, die Messungen der Schadstoffe zu verbessern und zu vereinheitlichen. Zum anderen beraten sie Städte Haridwar und Rishikesh beim Abwasser-Management. Beides sind Pilgerorte am Oberlauf des Ganges, wo er das Himalaya-Gebirge verlässt, und die Verschmutzung beginnt.
 
Eine ihrer Hauptaufgaben dort ist es, die Wirkung der kommunalen Kläranlagen zu verbessern. Oft seien es ganz einfache Dinge wie die regelmäßige Reinigung eines Rechens, die schlicht nicht stattfänden. „Klare, übersichtliche Arbeitsanweisungen an den verschiedenen Stationen im Klärprozess können schon helfen“, sagt Martina Burkard, die das Projekt auf deutscher Seite leitet.
 
Burkard hat Hoffnung, dass sich der Zustand des Ganges nach und nach verbessern lässt: „Die Aufgabe ist lösbar, aber es braucht viel Energie und viele kleine Schritte. Man kann sich nicht dahinter verstecken, dass das Problem zu groß sei, um es zu lösen.“

Neue Toiletten, weniger Müll

Flankiert wird das Ganges-Programm durch eine weitere Umweltinitiative der Regierung: Die sogenannte „Swachh Bharat Abhiyan“, die „Mission Sauberes Indien“. Im Rahmen dieses Programms hat der Staat in den vergangenen vier Jahren landesweit mehr als 50 Millionen Toiletten gebaut oder gefördert, davon rund drei Millionen entlang des Ganges. In 99 Prozent der Dörfer entlang des Flusses gibt es nach offiziellen Angaben jetzt keine Defäkation im Freien mehr.
 
Dennoch bewegt sich die Zahl der Kolibakterien im Fluss weiterhin über der Toleranzgrenze von 2500 Bakterien je 100 ml: Die Messungen schwanken zwischen ebendiesen 2500 und dem fast Hundertfachen, nämlich 240.000 Bakterien in 100 ml Gangeswasser.
Waste in the river Waste in the river | Foto: Holger Schäfer © Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan New Delhi Zweites Ziel der Mission ist es, die Massen an Müll, die Städte und Gewässer belastet, in den Griff zu bekommen. Premierminister Narendra Modi zeigte sich dafür auf Plakaten demonstrativ mit Besen in der Hand.

Kampf dem Müll und den Plastikmengen

Angefangen in großen Städten wie Delhi und Mumbai wird nach und nach die Mülltrennung eingeführt. Auf öffentlichen Plätzen und in Bahnhöfen kann man sich mittlerweile zwischen grünen Abfallbehältern für Biomüll und schwarzen für Restmüll entscheiden.
 
Auch neue Gesetze könnten dem Ganges zugute kommen. Um die Plastikmassen einzudämmen, hat im Jahr 2017 Indiens höchstes Gericht für Umweltfragen, das „National Green Tribunal“, Plastikbecher und -tüten in den Städten am Ganges verboten und unter Strafe gestellt. Ein Bußgeld von mehreren hundert Euro riskiert auch, wer seinen Müll am Flussufer ablädt. Die rund drei Millionen Tonnen Plastik, die bisher jährlich im Ganges landen, sollen so reduziert werden.

Ein Guru für die Flüsse

Für die Akzeptanz all dieser Maßnahmen sorgt unter anderem einer der bekanntestes Gurus des Landes: Jaggi Vasudev, genannt „Sadhguru“. Vasudev ruft dazu auf, den Ganges und auch alle anderen indischen Flüsse zu reinigen und zu schonen. „Wir müssen unsere Flüsse endlich wie einen nationalen Schatz behandeln“, sagt er.
 
Seine Kampagne „Rally for Rivers“ führte ihn 2017 kreuz und quer durchs Land. Zu den Kundgebungen kamen zehntausende Menschen, auch angelockt durch begleitende Auftritte von bekannten Bands und Regionalpolitikern.
 
Außerdem ließ der Guru eine Hotline schalten, bei der alle, die ihn bei seinem Einsatz für die Flüsse unterstützen wollen, anrufen sollten – 120 Millionen Menschen taten das, eine selbst für indische Verhältnisse beachtliche Zahl.
 
Doch was haben all die Aktionen und Maßnahmen bisher gebracht? Das "Centre for Science and Environment" in Delhi verglich Messungen der Wasserqualität durch staatliche Behörden von 2016 und 2018, und zwar unter anderem den Sauerstoffbedarf des Wassers. An dem lässt sich die Schadstoffbelastung gut ablesen: Je größer die Verunreinigung, desto höher der Sauerstoffbedarf. Ab einem Sauerstoffbedarf von zwei Milligramm je Liter (mg/ l) wird vom Baden abgeraten. 
An einigen Orten ist dieser Sauerstoffbedarf im Untersuchungszeitraum gefallen, etwa in Allahabad von 4,2 auf 3,8 mg/ l oder in Patna von 2,5 auf 2,2 mg/ l – an anderen aber weiter gestiegen, wie in Kanpur von 6,5 auf 8,5 mg/ l oder in Varanasi von 5,5 auf 5,6 mg/ l.  Die Ergebnisse des „Namami Gange Programmes" sind demnach auch mit Blick auf die Wasserqualität durchwachsen.

Alternative Ideen

Über die Regierungsprogramme hinaus haben Wissenschaftler wie Vikram Soni von der Nehru-Universität in Delhi, noch ganz andere Ideen. „Um sauberes Wasser zu gewinnen, sollten wir die Schwemmflächen der Flüsse besser nutzen, da schlummert großes Potenzial“, meint Soni. Immerhin seien die im Fall der großen Flüsse, die aus dem Himalaya kommen, bis zu 20 Kilometer breit und 100 Meter tief. Mit Pumpen könne das Wasser aus den Sandbänken extrahiert werden.
„Natürlich nicht mehr, als die Natur jedes Jahr wieder auffüllt.“ Soni hat ausgerechnet, dass Städte entlang des Ganges bis zu drei Millionen Einwohnern allein durch diese Methode ihren Bedarf an – sauberem – Wasser decken könnten. Auch solche Innovationen könnten dazu beitragen, dass der Ganges wieder die Lebensader wird, die er von alters her war.

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