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Thriller
Ein Katz-und-Maus-Spiel im Dschungel, in dem jeder jeden verdächtigt und niemand davonkommt

Jitendra Joshi und Chhatrapal Ninawe bei der Premiere von Gaath
Jitendra Joshi und Chhatrapal Ninawe bei der Premiere von Gaath | © Berlinale

Der Hochglanz-Thriller Ghaath spielt in den tiefen Wäldern Zentralindiens. Die Handlung spielt vor allem im Dschungel, so dass dieser quasi selbst die Hauptrolle einnimmt.

Von Prathap Nair

Was passiert, wenn eine von Korruption zerfressene Strafverfolgung mit einem Guerillakrieg aufeinandertrifft? Dieser Frage widmet sich der auf Martahi gedrehte Film Ghaath von Chhatrapal Ninawe, der in der Sektion Panorama der diesjährigen Berlinale zu sehen ist. Im Zentrum von Ninawes Film steht der Dschungel, dennoch ist das Ganze mehr als eine einfache Geschichte um Korruption und Selbstjustiz ausübende Mobs: Erzählt wird auch die Geschichte des Alltags von Indigenen, die im und vom Dschungel leben und mitten in den Konfliktherd geraten, oftmals mit brutalen Folgen.

Ninawe, der in der Gegend um Nagpur aufgewachsen ist, erzählt, dass er immer recht nah am dichten indischen Dschungel gelebt hat. Obwohl Nagpur an sich ein sicherer Wohnort ist, lauert im Umfeld der Stadt stets eine undurchsichtige Wildnis, in der bewaffnete Naxaliten ihr Unwesen treiben, die angeblich im Namen der Ureinwohner einen Guerilla-Krieg führen.

Ninawe erinnert sich, wie er im Alter von zehn Jahren das erste Mal einer Gruppe von Naxaliten gegenüberstand: „Ich verbrachte gerade die Sommerferien im Haus meines Onkels und wir besuchten einen See in einem Waldgebiet. Plötzlich kam eine Gruppe von zehn bewaffneten Männern”, so erzählt er. „Das war meine erste Begegnung mit den Naxaliten.“

Als Regisseur eines Films, der im tiefsten Dickicht spielt, musste er in vielen schwer zugänglichen und gefährlichen Gebieten nach Drehorten suchen. „Ich wollte schon vor Drehbeginn den Dschungel nach geeigneten Sets durchsuchen, aber mein Produktionsteam fand das aufgrund der anhaltenden Unruhen durch die Naxaliten zu gefährlich und hat es verboten”, erinnert er sich.

Aufgewachsen in der Stadt mit lebenslanger Leidenschaft für den Dschungel

In erster Linie faszinierte Ninawe der Dschungel, aber um seine Filmfiguren realistisch erscheinen zu lassen, entschied er sich dafür, in Ghaath den Naxalitenkonflikt mitaufzunehmen, wie er es zuvor bereits in einem Kurzfilm getan hatte. „Ich wollte schon immer einen Film über den Dschungel drehen, und dies genau in der Gegend zu tun, in der ich aufgewachsen bin, war mein Lebenstraum”, erzählt er.

Das Ergebnis ist eine packende zweistündige Tour de Force, in der sich der menschliche Überlebensinstinkt über moralische oder ethische Bedenken hinwegsetzt. Während die staatlichen Mühlen auf der einen Seite nur sehr langsam mahlen, hat die Gerechtigkeit im Dschungel oft einen brutalen Beigeschmack. Manchmal sorgen die Naturgewalten des Dschungels aber auch mit ihren eigenen Mitteln für Gerechtigkeit. Darüber hinaus thematisiert Ninawe in Ghaath die Gefahren der Gesetzlosigkeit der Guerilla-Kriegsführung und zeigt, wie diese den Alltag der hier lebenden Ureinwohner bedroht.

Authentische Schauspielkunst

Die weitestgehend hochkarätige Besetzung, die einem solch atemlosen Drehbuch Rechnung trägt, liefert ihre schauspielerische Leistung stets auf den Punkt ab. Die meisten Beteiligten, so lässt Ninawe verlauten, kommen vom Theater, zusätzlich hat er aber auch Schauspieler*innen aus der Region um Vidharba verpflichtet.

Erwähnenswert sind dabei vor allem Jitendra Joshi, der den stellvertretenden Kommissar spielt, Janardan Kadam als weiser Waldbewohner Perku, Dhananjay Mandaokar als Falgun, einem verdeckt agierenden Naxaliten auf der Flucht sowie Suruchi Adarkar, die die Rolle des starken Mädchens Kusari brillant verkörpert. Einer der Höhepunkte von Ninawes Drehbuch sind die verschiedenen charakterlichen Eigenschaften von Perku, die sich zeigen, als dieser in Erscheinung tritt. Obwohl dieser sein ganzes Leben nichts anderes als Wald gesehen hat, erscheint diese Figur als Verkörperung der Weisheit schlechthin.

Feministisches Ende

Eine weitere Stärke des Films ist es, dass sich am Ende zentrale feministische Werte offenbaren. Auf diese Tatsache angesprochen berichtet Ninawe, dass ihm genau dieser Umstand viele Reaktionen eingebracht hat. „Ehrlich gesagt hatte ich am Anfang kein feministisches Ende geplant”, erzählt er, „aber irgendwann tauchte von selbst das Thema Menschenrechte auf, und damit trat auch die Intersektionalität auf den Plan.”

Dem Organisationsteam des Festivals und dem Auswahlkomitee der Sektion Panorama gegenüber zeigte sich der Regisseur sehr dankbar dafür, dass sein Film hier eine Plattform erhalten hat. Ghaath ist vom Publikum gut aufgenommen worden, bei den öffentlichen Vorführungen in Berlin gab es sogar stehende Ovationen und bei den anschließenden Diskussionen zeigten sich die Zuschauenden mit vielen Fragestellungen sehr an der Thematik interessiert.

Nun hofft Ninawe, der inzwischen schon am Drehbuch für einen weiteren Spielfilm arbeitet, dass Ghaath in diesem Jahr auch in Indien veröffentlicht wird.

Über den autor

Black and white portrait of a man looking directly into the camera. Photo: © privat Der freie Kulturjournalist Prathap Nair lebt in Düsseldorf und berichtet für namhafte indische Medien über die Berlinale. 

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