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Berlinale-Blogger*innen 2024
Die Deutschen und ihre Filme

Charly Wierzejewski und Eva Mattes in „Supermarkt” (1974). Regie: Roland Klick
Charly Wierzejewski und Eva Mattes in „Supermarkt” (1974). Regie: Roland Klick | Foto (Detail): © Filmgalerie 451

Vergessene Perlen: Unter dem Motto „Das andere Kino“ präsentiert die Retrospektive schmutziges Genre und migrantische Perspektiven.

Von Philipp Bühler

Die Deutsche Kinemathek plündert mal wieder ihr Filmarchiv. So wirkt es zumindest, wenn die diesjährige Retrospektive der Berlinale erneut eine deutsche Angelegenheit bleibt. Kein New Hollywood, keine internationale Science-Fiction wie in früheren Ausgaben, auch hier wird offenbar gespart. Bei genauerem Blick allerdings macht das Motto „Das andere Kino“ tatsächlich neugierig. Neben bekannten Regie-Namen wie Ulrich Schamoni, Roland Klick und Helke Sander findet sich so manche vergessene Perle aus den etwas abseitigeren Tiefen deutschen Filmschaffens. Das Programmheft drückt es vielwortiger aus und verspricht „unangepasste Protagonist*innen, eigenwillige Filmsprachen und unkonventionelle Produktionen aus der deutschen Filmgeschichte jenseits des Kanons“.

Genrefilm jenseits des Mainstreams

Schon immer sehen wollte ich Engel aus Eisen (BRD 1981), ein westdeutscher Film noir des aus der DDR geflohenen Dichters Thomas Brasch. Brasch hielt es in keinem System gut aus und provozierte bei seiner Ehrung mit dem Bayerischen Filmpreis einen Eklat. Das Spiel mit Genres und Stilen findet sich auch in zwei weiteren Berlin-Filmen: italienischer Neorealismo in Zwei unter Millionen (Victor Vicas, BRD 1961) mit dem jungen Hardy Krüger, ein bisschen Nouvelle Vague in Will Trempers Flughafen-Elegie Die endlose Nacht (BRD 1963). Das Schicksal der meisten Filme in der Sektion war es wohl, will man eine gemeinsame Linie finden, weder in den Mainstream zu passen noch in den renommierten Neuen Deutschen Film um Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders. Den lange als Genrefilmer verschrienen Roland Klick, hier vertreten mit seiner herrlich schmutzigen Kleinkriminellen-Parabel Supermarkt (BRD 1974), trieb der Streit mit den damaligen Fördergremien ins irische Exil.

Frauenfilme mit Skandalpotenzial

Stark abgebildet sind nach einer eigenen Retrospektive 2019 wieder Frauen, die es mit dem Filmemachen ja noch etwas schwerer haben. Schon der Titel von Helke Sanders Die Deutschen und ihre Männer – Bericht aus Bonn (BRD 1989), offenbar ein satirischer Report, scheint da ganz passend. Sicherlich ernster fällt Shirins Hochzeit (BRD 1976) von Helma Sanders-Brahms aus: Die Geschichte einer jungen Türkin, die auf der Suche nach ihrem Verlobten in die Hände eines Zuhälters gerät, rief in der Türkei und danach auch in Deutschland Proteste hervor. Migrantische Perspektiven auf Deutschland zeigen weiterhin Im Land meiner Eltern (Jeanine Meerapfel, BRD 1981) und die deutsch-anatolische Low-Budget-Komödie Kismet, Kismet (Ismet Elçi, BRD 1987). Was aber verbirgt sich hinter Banale Tage (D 1991)? Eine Filmgroteske über das Wendechaos aus der Sicht zweier Ostberliner Jugendlicher, heißt es. Für aufregende Tage auf der Berlinale scheint jedenfalls auch dank der Filmschätze aus dem letzten Jahrhundert gesorgt.

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