DEUTSCH 3.0
Deutsch in Indien

Blick zurück nach vorn: Mit einer DEUTSCH-3.0-Tagung am 29. und 30. November neigte sich in Mumbai ein Veranstaltungsreigen seinem Ende zu, mit dem das ganze Jahr 2014 über das Jubiläum „100 Jahre Deutschunterricht in Indien“ begangen wurde. Die Tagung, von der am Ende der Staffelstab zur DEUTSCH-3.0-Abschlussveranstaltung nach Berlin getragen wurde, war aber weniger der Rückschau, als vor allem dem Blick nach vorn gewidmet.
Auf gemeinsame Einladung des Goethe-Instituts Max Mueller Bhavan, der Universität Mumbai und des indischen Deutschlehrerverbandes InDaF diskutierten Deutschlehrende und Vertreter indischer und deutscher Bildungsinstitutionen und Verlage ein Wochenende lang über die Gegenwart und Zukunft des Deutschlernens und -lehrens (nicht nur) in Indien und holten sich in Workshops neue Impulse und Inspiration für den Unterricht.
Deutsch(e) in Indien
Darauf hinzuweisen, dass die Geschichte des Deutschen und der Deutschen in Indien noch viel weiter zurückreicht als die „100 Jahre Deutschunterricht“, die man in diesem Jahr gefeiert hat, lag dem Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer, Bernhard Steinrücke, am Herzen. In seinem Grußwort ließ er deshalb in geschätzten anderthalb Minuten nicht weniger als dreihundert Jahre deutsch-indischer (Sprach-)Beziehungen Revue passieren.Von Bartholomäus Ziegenbalg, der 1707 in Tranquebar eine evangelisch-lutherische Gemeinde gründete und sich als Sprachwissenschaftler mit Forschungen über die indischen Sprachen Tamil, Kannada und Telugu einen Namen machte, spannte er den Bogen über Hermann Gundert, der vor 150 Jahren nach Indien kam und sich hier um die Erforschung der südindischen Sprache Malayalam verdient machte, bis zum Indologen Max Müller, dessen wissenschaftliches Interesse unter anderem dem Sanskrit galt und dessen Namen das Goethe-Institut in Indien noch heute im Namen führt.
Nicht nur die von Steinrücke ausgestrahlte Begeisterung und das vorherige Auftaktreferat von Hermann Funk von der Universität Jena, der über „Prinzipien und Standards guten Unterrichts“ referierte, auch die Präsentation von Philipp Haußmann und Elizabeth Webster vom Ernst Klett Verlag, die über Hintergründe und Überlegungen zur aktuellen Lehrmaterialienentwicklung in ihrem Haus berichteten, sowie die anschließende, von dem aus Wien angereisten Hans-Jürgen Krumm moderierte Podiumsdiskussion über „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung“ des Deutschunterrichts wiegten das Publikum schnell in der Gewissheit, dass es richtig gewesen war, nach Mumbai zu kommen.
Steigende Nachfrage

„Das schnell wachsende Interesse an der deutschen Sprache hier in Indien legte es nahe, sich im Jubiläumsjahr nicht nur mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern vor allem danach zu fragen, wie es weitergehen kann“, sagt Alicia Padrós vom Goethe-Institut Neu-Delhi, auf deren Initiative hin die Tagung deshalb als Teil des DEUTSCH-3.0-Projektes konzipiert und als Veranstaltungsort Mumbai gewählt wurde. Und Beata Weber vom Goethe-Institut in Mumbai, die die Tagung mit ihrem Team organisiert hat, „war es ganz besonders wichtig, für die Konferenz die Germanistikabteilung der Universität Mumbai und den indischen Deutschlehrerverband InDaF als Partner an Bord zu holen, mit denen wir schon lange gut zusammenarbeiten und mit denen wir in Zukunft noch enger als bisher zusammenarbeiten wollen.“
Markus Biechele, Leiter der Spracharbeit Süd-Asien des Goethe-Instituts, ergänzte: „Angesichts der ständig wachsenden Nachfrage nach Deutschunterricht gerade hier in Indien ist es wichtiger denn je, dass wir Synergien zwischen den verschiedenen Akteuren der Deutschausbildung erzeugen.“
„Deutsch an 1.000 Schulen“
Die wachsende Beliebtheit der deutschen Sprache in Indien macht sich nicht nur an entsprechenden Angeboten der Privatschulen und der Goethe-Institute im Lande bemerkbar, die sich seit Jahren über wachsendes Interesse an ihren Sprachkursen freuen. Auch die staatlichen Schulen haben auf die steigende Nachfrage reagiert.Nach einer 2009 gestarteten Pilotphase konnten seit 2011 die Schülerinnen und Schüler an immer mehr Schulen des staatlichen Bildungsträgers Kendriya Vidyalaya Sangathan (KVS), an denen vor allem Kinder von staatlichen Angestellten unterrichtet werden, nach den Landessprachen Hindi und Englisch Deutsch als dritte Sprache wählen. Ein Angebot, von dem 2014 fast 80.000 Schülerinnen und Schüler an 500 Schulen Gebrauch gemacht haben. Insgesamt lernen damit zurzeit fast 110.000 Kinder allein an indischen Sekundarschulen Deutsch.
Inspirierende Workshops und lebendige Diskussionen
Das Tagungswochenende in Mumbai war vollgepackt mit interessanten Fachvorträgen, inspirierenden Workshops und lebendigen Diskussionen. In den Pausen hatte man Gelegenheit, sich bei Ausstellungen, Präsentationen (etwa zur „On-Leihe“ der Bibliothek des Goethe-Instituts) und Infoständen der führenden deutschen DaF-Verlage Klett-Langenscheidt, Cornelsen und Hueber sowie des indischen Fremdsprachenverlages Goyal Anregungen für die eigene Arbeit zu holen.Auch der DAAD war mit einem Stand vertreten, an dem man sich über Stipendien- und Studienmöglichkeiten in Deutschland informieren konnte. Die insgesamt 22 Workshops deckten ein breit gefächertes Themenspektrum rund um die Lehre des Deutschen als Fremdsprache ab – angefangen bei neuen Erkenntnissen über die neurodidaktischen Grundlagen des Lernens, über den Einsatz von Kurzfilmen, Literatur, Musik und theaterpädagogischen Spielen im Unterricht, bis hin zu Fragen der deutschen und österreichischen Landeskunde und des richtigen Übens.
„Mehrsprachigkeit macht schlau“

In Indien, so Talgeri, sei Hindi seit den 1950er Jahren „die Sprache des Freiheitskampfes“ und die Pflege auch der übrigen Nationalsprachen seit dieser Zeit ein Projekt, das eng verknüpft sei mit einer Strategie der nationalen Integration. Dazu gehöre die „Drei-Sprachen-Formel“, die seither für das nationale Sprachencurriculum der Schulen maßgebend gewesen sei. Demgemäß sei nach der offiziellen Nationalsprache Hindi und der für die „High-Value-Communication“ sehr wichtigen „offiziellen Nebensprache“ Englisch als dritte Sprache eine frei zu wählende indische Sprache vorgesehen.
Doch seiner Meinung nach sei es ein Fehler, die staatlichen Schulen strikt auf diese Formel zu verpflichten. Die dahinter stehende Befürchtung, dass mit dem Einzug fremder Sprachen „die nationale Identität ausgelöscht werden könnte“, sei unbegründet. Die Hinwendung junger Inder zum Deutschen oder anderen Fremdsprachen wie Spanisch, Französisch oder auch Mandarin bedrohe weder die nationalen Sprachen noch die Identität Indiens. Sie sei vielmehr Ausdruck der internationalen Aufgeschlossenheit und des ökonomischen Aufbruchs Indiens, auf den das Land zu Recht stolz sein könne.
Und wie steht es in Europa um das vielgepriesene Ideal der Mehrsprachigkeit?, fragte Talgeri. In Europa, so Hans-Jürgen Krumm, beobachte er ein in mancher Hinsicht ambivalentes Verhältnis zur Mehrsprachigkeit. Auf der einen Seite schätze man die „Eliten-Mehrsprachigkeit“ in Wirtschaft und Wissenschaft (wo allerdings ein bedenklicher, von Kurzsicht geprägter Trend zur englischen Einsprachigkeit zu konstatieren sei), auf der anderen Seite rümpfe man über die „Armuts-Mehrsprachigkeit“ der Migranten und Flüchtlinge die Nase. Doch auch diese müsse man lernen als kulturelle und auch intellektuelle Bereicherung zu begreifen. Ganz generell gelte: „Mehrsprachigkeit macht schlau!“
Dem stimmte Talgeri ausdrücklich zu und verwies auf einen interessanten Trend, den er in indischen Radiosendungen beobachtet habe. In denen würden immer öfter mehrere Sprachen neben- und durcheinander gebraucht – „eine Art Sprachenhybridisierung“, die den Hörer ganz nebenbei neue Facetten von Bedeutungszusammenhängen erkennen ließe.
Ein rundum gelungener Abschluss
