Die Zweiflers
Jüdische Delikatessen
Der Geschmack der Liebe: Bei einem Treffen mit Freunden lernt Samuel (Aaron Altaras) die Szene-Köchin Saba (Saffron Coomber) kennen. | © Elliott Kreyenberg/ARD Degeto/HR/Turbokultur/dpa
Die preisgekrönte Serie „Die Zweiflers“ erzählt vom Leben einer jüdischen Familie in Frankfurt – witzig, warmherzig und ungewohnt ehrlich. Ein Sechsteiler, der mit Klischees spielt, ohne ihnen zu verfallen – und dabei komplexe Biografien entwirft.
Von Patrick Heidmann
Es passiert selten genug, doch hin und wieder kommt eine Produktion daher, die einen allen Verdruss auf die deutschsprachige Fernsehlandschaft vergessen lässt. Weil sie so gut ist und auf allen Ebenen jeden internationalen Vergleich standhält. Und weil sie auf so besondere, so spezifische Weise vom Leben in Deutschland erzählt, wie man es selten zu sehen bekommt.
Preisgekrönte Miniserie
Ein solcher Fall ist die Serie Die Zweiflers, die 2024 nicht nur den Grimme-Preis und mehrere deutsche Fernsehpreise gewann, sondern auch beim Festival Canneseries abräumte. Wie kaum eine andere Serie widmet sie sich mit viel Witz und Wahrhaftigkeit den Alltagssorgen, Generationskonflikten und Identitäts-Auseinandersetzungen einer jüdischen Familie in Deutschland. „Mir ging es nicht in erster Linie darum, eine Lücke im deutschen Fernsehen zu füllen“, beteuert David Hadda, der als Creator und Showrunner hinter dem tragikomischen Sechsteiler steht, den er gemeinsam mit Ehefrau Sarah sowie Juri Sternburg geschrieben hat. „Vielmehr habe ich die Idee zu diesem Projekt schon sehr lange mit mir herumgetragen. Ich wollte einfach mal eine Geschichte erzählen, die sich auf jenen Mikrokosmos konzentriert, in dem ich selbst aufgewachsen bin.“ Und mit Blick auf seine eigene Kindheit in Frankfurt, wo Die Zweiflers nun auch spielt, schiebt er im Interview hinterher:Wobei ich immer wieder betone, dass die Geschichte zwar nicht autobiografisch, aber doch emotional in der Realität verankert ist. Wir zeigen eine Collage von Menschen, mit denen wir aufgewachsen sind und die wir in unserem Leben kennengelernt haben.
Frankfurt so cool in Szene gesetzt, als sei es New York
Angefangen beim Tonfall, der keine Angst vor Überzeichnung hat, mit Klischees spielt und trotzdem nie unecht wirkt. „Labels und Genres haben mich in dieser Hinsicht noch nie interessiert“, sagt Hadda, der mit seiner Firma Turbokultur auch schon Serien wie Lamia und Deadlines sowie die Show Freitag Nacht Jews verantwortete. „Das Leben ist schließlich auch nie nur Drama oder nur Comedy. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Sache zu blicken, das ist ja auch etwas sehr Jüdisches.“Auch die visuelle Umsetzung der Serie, inszeniert von Anja Marquardt und Clara Zoe My-Linh von Arnim, ist nicht nur für deutsche Verhältnisse sehr speziell: Frankfurt am Main so cool und fernab von Hochglanz in Szene zu setzen, als sei man in New York, muss man erst einmal schaffen. Doch mit nichts besticht Die Zweiflers so sehr wie mit den Figuren und dem Ensemble, das sie zum Leben erweckt.
Komplexe und ambivalente Biografien
Die Großelterngeneration der Holocaust-Überlebenden – hier in Gestalt von Familienoberhaupt Symcha Zweifler und seiner Frau Lilka – habe er, so Hadda, hierzulande noch nie so erzählt gesehen. Vom üblichen Opfer-Narrativ keine Spur, stattdessen entwirft die Serie komplexe, auch ambivalente Biografien, die gerade deswegen empowering sind, wie er sagt.Star der Serie: der Cast
Auf der Suche nach Schauspieler*innen im richtigen Alter, die authentisches Jiddisch sprechen, wurde der Showrunner dabei im Ausland fündig: Mike Burstyn ist Broadway-erprobt und nicht zuletzt in Israel ein Star. Von ihm kam auch die Empfehlung für die mehrfach Tony-nominierte Künstlerin Eleanor Reissa, die vor einigen Jahren die Show „From Shtetl to Stage: A Celebration of Yiddish Music and Culture“ an der New Yorker Carnegie Hall verantwortet hatte.Überhaupt, das Ensemble! Aaron Altaras als Samuel trägt die Serie als ihr Fixpunkt so lässig auf seinen Schultern, als sei ihm die Rolle auf den Leib geschrieben. Sunnyi Melles ist als Mimi gerade deswegen eine so spannende Besetzung, weil sie – wie Hadda berichtet – zwar nicht die jüdische Sozialisation mitbrachte, aber als Tochter eines jüdischen Vaters die richtige emotionale Verbundenheit: „Wahrscheinlich hat sie auch deswegen schon im Casting viel weniger das Klischee der jüdischen Mame bedient als einige andere Schauspielerinnen.“
Fortsetzung angekündigt
Dazu kommen unter anderem Mark Ivanir als Mimis Ehemann, Leo Altaras als jüngster Zweifler-Enkel und niemand Geringeres als Ute Lemper (die einzige Nicht-Jüdin im Cast) als in die USA ausgewanderte Tochter Tammi. Satt sehen kann man sich an ihnen allen nicht – und auch deswegen ist es eine solche Freude, dass die zweite Staffel von Die Zweiflers bereits in Arbeit ist.Die Zweiflers
Mini-Serie, ARD 2024
Regie: Anja Marquardt, Clara Zoe My-Linh von Arnim
Drehbuch: David Hadda, Juri Sternburg, Sarah Hadda
Besetzung: Aaron Altaras, Sunnyi Melles, Saffron Coomber, Mark Ivanir, Mike Burstyn, Eleanor Reissa Leo Altaras
6 Folgen à ca. 50 Min.
Produktionsfirma: Turbokultur GmbH (Berlin)
Koproduktion: ARD Degeto Film, Hessischer Rundfunk
Mini-Serie, ARD 2024
Regie: Anja Marquardt, Clara Zoe My-Linh von Arnim
Drehbuch: David Hadda, Juri Sternburg, Sarah Hadda
Besetzung: Aaron Altaras, Sunnyi Melles, Saffron Coomber, Mark Ivanir, Mike Burstyn, Eleanor Reissa Leo Altaras
6 Folgen à ca. 50 Min.
Produktionsfirma: Turbokultur GmbH (Berlin)
Koproduktion: ARD Degeto Film, Hessischer Rundfunk