Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Englischer Rasen in deutschen Gärten
Feldarbeit

Vogelperspektive: Frau mäht Rasen
Foto © mauritius images / Westend61 / Konstantin Trubavin

In Deutschland überaus beliebt: Rasen. Gemeint ist damit nicht das schnelle Fahren auf der Autobahn, sondern das kurzgestutzte Gras im Garten. Warum ist das eigentlich so? Und wie sinnvoll ist der grüne Teppich überhaupt?

Von Lena Maurer

Als Aushängeschild des Eigenheims hat der Garten bestimmte Erwartungen zu erfüllen. Er sollte ordentlich und ohne Wildwuchs sein. Wer durch deutsche Wohngebiete spaziert, stellt schnell fest, dass Büsche und Pflanzen meist von Steinen oder einer sattgrünen Grasfläche eingefasst sind. Zumindest solange der Sommer die Fläche nicht vollständig ausgedörrt hat.

Immerhin sind umweltfeindliche Schottergärten, also Gärten, die komplett mit grauem Schotter bedeckt sind, mittlerweile verpönt. In manchen Kommunen sind sie sogar explizit verboten. Doch wie ökologisch sinnvoll ist eigentlich der vermeintlich natürliche „englische“ Rasen, der kurz geschoren, moosfrei und blütenlos daherkommt?

Woher kommt die Liebe zum kurzgeschnittenen Gras?

Die Geschichte des Rasens reicht weit zurück. Schon im Mittelalter wurde das Gras rund um Burgen und Festungen kurzgehalten, um Feinde auf dem weitläufigen Gelände früher zu erkennen. So richtig an Popularität gewann der Rasen dann im England des 18. Jahrhunderts – vor allem aus Prestigegründen. Schließlich konnten sich nur wenige das Personal für das aufwändige Mähen mit der Sense leisten.
Englischer Landsitz im Nebel, rundherum Bäume und Rasenfläche

Schon im 18. Jahrhundert perfekt getrimmt: Der Rasen in England. | Foto © mauritius images / Tim Gainey / Alamy / Alamy Stock Photos

Dieser Ausdruck von Prestige, Macht und Kontrolle zog sich durch die Geschichte. Das aufstrebende Bürgertum im 19. Jahrhundert legte rund um seine Villen einen „englischen Rasen“ an. Und heute gehört ein Stückchen grüner Rasen für viele zu einem Reihenhaus einfach dazu, meint Alexandra Rigos vom NABU Berlin. Rasen sei so normal geworden, dass wir ihn „gar nicht mehr hinterfragen“.

Der Klimawandel hat uns eingeholt

Der englische Rasen ist nicht mehr zeitgemäß und in Zeiten langanhaltender Trockenheit nicht zu verantworten, schreibt der NABU Berlin im Jahr 2023. Denn Fakt ist: Ohne regelmäßige Bewässerung wird aus dem satten grünen Gras innerhalb kürzester Zeit eine gelbe Steppe. Bis zu 20 Liter Wasser benötigt ein Quadratmeter Rasen im Sommer. Aufgrund des Klimawandels, der immer heißer werdenden Sommer und der damit verbundenen Trinkwasserknappheit wird Rasen sprengen damit fast zum Luxus. Mancherorts ist das Bewässern von Rasenflächen daher nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. In Hannover droht bei wiederholtem Rasengießen außerhalb der erlaubten Zeit beispielsweise eine Strafe von 50.000 Euro. „Jeder Liter Wasser, den wir heute nicht verschwenden, hilft uns, wenn sich die Situation mit dem fortschreitenden Klimawandel weiter verschärft“, so die zuständige Behörde in Hannover. Das Ganze ist ein Teufelskreis. Denn ein vertrockneter Rasen kühlt die Umgebung nicht mehr und kann bei Starkregen Wasser nicht mehr so gut aufnehmen.

Alexandra Rigos vom NABU empfiehlt daher ganz klar: Eine Blumenwiese. Sie ist resistenter gegen Trockenheit, kann Wasser aufnehmen, bindet mehr CO2 als ein englischer Rasen und stärkt die Artenvielfalt. Mittlerweile gibt es auch im öffentlichen Raum immer mehr Kommunen, die umsteuern und Gras auch öfter mal länger stehen lassen, erzählt sie. Rasen sei in Zeiten der Artenkrise „einfach eine unglaubliche Flächenverschwendung“.
Eine hohe Wiese mit Blumen hinter einem Zaun.

Wildblumenwiesen sind gut für die Artenvielfalt. | Foto © picture alliance / imageBROKER | K. Schumacher

Wissenschaftliche Studien geben ihr hier recht. Häufiges Mähen bewirkt, dass Löwenzahn, Klee und Co. nicht wachsen können, keine Pollen und Nektar bilden und damit für Insekten als Nahrungsquelle wegfallen. Eine Forschungsgruppe der University of Cambridge hat eine Rasenfläche in eine Wildblumenwiese verwandelt und dabei festgestellt, dass sich auf der Wiese dreimal so viele Spinnen- und Käferarten finden ließen wie auf der benachbarten Rasenfläche. Außerdem wirkte die Wildblumenwiese dem Wärmeinseleffektentgegen, da sie 25 Prozent mehr Sonnenlicht reflektierte als die Rasenfläche.

Wie ordentlich muss Natur sein?

Eine Wildblumenwiese anzulegen ist im ersten Moment viel Arbeit. Die Grasnarbe, also die oberste Erdschicht, muss zunächst abgetragen und in der Regel mit Sand vermischt werden, da Wildblumen einen mageren Boden bevorzugen. Wenn die Wildblumen allerdings erst einmal blühen, ist die Wiese pflegeleicht und muss kaum gemäht werden.

Wem das zu viel Arbeit ist oder wer auf der Rasenfläche nach wie vor Fußball spielen möchte, kann den vorhandenen Rasen stehen lassen und die Mähfrequenz reduzieren. Es genügt, zwei- bis dreimal im Jahr zu mähen – der artenreiche Lebensraum entsteht dadurch von ganz allein. Mit etwas Geduld stellen sich Pflanzen wie Löwenzahn und Schafsgarbe von selbst ein. Sie sind auch deutlich trockenresistenter als der kurzgeschnittene englische Rasen. Da weder gedüngt noch vertikutiert werden muss, spart man zudem Zeit und Geld. Und Insekten wie Wildbienen und Schmetterlinge freuen sich.

Einen Rasen „ordentlich“ halten zu wollen, ist also nicht mehr zeitgemäß. Und bei vertrocknetem Gras stellt sich ohnehin die Frage, wie gepflegt das letztlich aussieht. Vielleicht sollten wir also den Begriff „ordentlich” hinterfragen und uns an Gärten gewöhnen, die einen Beitrag für Artenvielfalt und Klimaanpassung leisten. 

  • Ein Systemfehler ist aufgetreten. Versuchen Sie es später noch mal.
    Die Kommentarfunktion wurde geschlossen.
  • Kommentieren

Top