Film

Film in Zentralasien © Diana Tursyn

Film in Zentralasien: Perspektiven einer Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut Kasachstan und dem UNESCO Almaty Cluster Office begann 2019 im Rahmen der Filmfestspiele Almaty Film Festival. An einer Diskussionsveranstaltung des Festivals mit dem Titel „Frauen im Film“ nahmen neben Regisseur*innen und Journalist*innen verschiedener Länder auch Eva Schmitt, Direktorin des Goethe-Instituts Kasachstan von 2017-2020 (seit dem 1. April 2021 ist es Friederike van Stephaudt) und Krista Pikkat, Direktorin von UNESCO Almaty Cluster Office, teil. 

Das Gespräch stellte sich als intensiv, aber noch nicht abgeschlossen heraus und fand daher im November desselben Jahres in der Stadt Duschanbe an einem Runden Tisch zum Thema Filmindustrie in Zentralasien seine Fortsetzung.

Die gemeinsame Unterstützung örtlicher Vertreter*innen der Filmindustrie mündete schließlich in das Projekt „Zeitgenössisches Kino in Zentralasien“. Eine wichtige Partnerin hierfür wurde die usbekische Video-Künstlerin Saodat Ismailova, eine Filmregisseurin und Drehbuchautorin, die in Paris lebt. Sie arbeitet außerdem mit der UNESCO im Bereich von Forschungs- und Bildungsprojekten für die Kreativindustrie mit dem Schwerpunkt Film zusammen.

Saodat Ismailova, Filmregisseurin und Drehbuchautorin: „Die Möglichkeit, eine Interview-Reihe zum Thema „Zeitgenössisches Kino in Zentralasien“ zu starten, ist für mich die Umsetzung eines langgehegten Traums: nämlich die Gedanken von aktuellen Filmschaffenden in Zentralasien festzuhalten. Mir scheint, dass wir heute alle auf eine bestimmte Weise in dem Versuch, anerkannt zu werden, über die Grenzen unserer Kultur hinausblicken. So kann der Blick auf die feinen Zwischentöne bereits existierender Autor*innenfilme in der Region einen reellen Antrieb zur Formierung einer authentischen Stimme des Örtlichen geben – und natürlich auch zu einer nachhaltigen internationalen Anerkennung führen. Wenn man im Filmwesen aktiv ist, möchte man das fehlende Wissen der jungen Generation über den Film der Nachbarländer gern vervollständigen, um zu einem ganzheitlichen Verständnis des regionalen Filmwesens und möglicher Formenkünstlerischer Suche und Entwicklung beizutragen.

Gemeinsam mit ihrem kasachstanischen Team* zeichnete Saodat Ismailova Video-Interviews mit vier bekannten Vertreter*innen der kasachischen Filmindustrie auf, die von den Besonderheiten des kasachischen Filmwesens, seiner Entwicklung und ihrer persönlichen professionellen Tätigkeit und schöpferischen Erfolgen berichteten.

Darezhan Omirbaev, einer der aktuell präsentesten Film-Regisseure und Drehbuchautoren Kasachstans, teilt im Interview seine persönliche Einschätzung der Situation rund um den Film und antwortet offen auf Fragen etwa danach, weshalb es für ihn so wichtig ist, die eigene Lebenserfahrung zur Schaffung eines Films heranzuziehen, woher er seine Ideen nimmt und was das Hauptmotiv seiner Tätigkeit ausmacht. Das Video endet mit dem emotionalen Monolog eines Darstellers aus „Doroga“ („Der Weg“) dazu, wie fragil ein Kunstwerk sei „vor dem Geschmack des Publikums, denn objektive Kriterien, mit denen man die Qualität und die Mängel eines Kunstwerkes beurteilen könnte, gibt es nicht.“

Erlan Nurmuhambetov, Regisseur und Drehbuchautor, ist Dozent an der Kasachstaner Nationalen Universität der Künste in Nur-Sultan. Er erinnert sich an seinen Weg zur Regie und analysiert diesen. Insbesondere berichtet er auch davon, wie er als Student nicht nur nach theoretischem Wissen, sondern auch nach Praxiswissen strebte, welche Filme in der Kindheit einen nachhaltigen Einfluss auf ihn hatten und ob es heute für ihn leicht ist, einen Auftragsfilm zu drehen.

Aziz Zhambakiyev, kasachischer Kameramann und Preisträger des „Silbernen Bären“ für die beste Kamera auf den Internationalen Filmfestspielen Berlinale, gesteht, dass ihn die Liebe zur Musik zum Filmwesen gebracht hat. Auch interessierte er sich für Fotografie. Und doch hat Aziz sein Leben der Arbeit als Kameramann verschrieben. In professioneller Hinsicht hatten zwei sowjetische Kameraleute großen Einfluss auf ihn: Sergej Urussevski und Georgi Rerberg. Im Interview unterstreicht Aziz, dass die Kameraführung „einer der schwierigsten Jobs im Filmbereich ist, weil die Person hinter der Kamera neben Entscheidungen im Bereich der kreativen Arbeit mit der Lösung sehr vieler technischer Aufgaben beschäftigt ist, und das alles zusammenzubringen, ist nicht immer leicht. Außerdem ist es ein Beruf, in dem man für die Arbeit aller Menschen verantwortlich ist, die an der Erstellung des Films beteiligt sind. Denn im Endeffekt läuft die Fixierung all dessen über diese eine Kamera, die eben von einem Kameramann oder einer Kamerafrau gehandhabt wird.“

Yuliya Kim, Produzentin und Geschäftsleiterin des Filmfestivals in Almaty, hat ihren Weg in die Filmindustrie mit dem Film „Der Student“ von Darezhan Omibaev begonnen, der 2012 in der Kategorie „Un certain regard“ der Filmfestspiele Cannes nominiert war. Eine wichtige Grundkomponente der Filmproduktion sind ihrer Meinung nach die schöpferische Zusammenarbeit von Kunstschaffenden, Synergien und Ehrlichkeit. Sie berichtet von den Besonderheiten des Autor*innenfilms und seiner Stellung in Kasachstan sowie von ihrer Tätigkeit als Leiterin eines großen Filmfestivals.

Die Protagonist*innen der Interviews stimmten in dem Punkt überein, dass für eine weitere, effizientere Entwicklung der Filmindustrie in Zentralasien eine Unterstützung seitens der Regierung unabdingbar sei, genauso wie die Gründung einer eigenen „Filmschule“ oder eines allgemeinen Filmfonds in der Region. Hoffen wir, dass ihre Ideen und Vorschläge in naher Zukunft umgesetzt werden können – denn der Film ist eine der bedeutendsten Kunstformen, die auch andere Kunstformen in sich birgt und einen Beitrag zur Schaffung von Bewusstsein und zur Persönlichkeitsentwicklung leistet.

Die Mitglieder des Dreh-Teams (im Bild) sind Absolvent*innen der Kasachischen Akademie der Künste namens Zhurgenov:

Diana Tursyn – Regisseurin des Projekts. Arbeitserfahrung aus Projekten wie „Bisnesmeny“ („Geschäftsleute“) „Put´ Lidera“ („Der Weg des Anführers“), „Kusainovy“ („Die Kusainovs“), „Kanikuly off-line 2“ („Offline-Ferien 2“) bei den Internationalen Filmfestspielen „Almaty Film Festival“.

Mejir Zhakebaj – Kameramann, Schüler des Kameramanns und Regisseurs Hasanbek Kydyraliev. Arbeit an den folgenden Projekten: „Doroga materi“ („Der Weg der Mutter“), „Bisnesmeny“ („Geschäftsleute“) „Put´ Lidera“ („Der Weg des Anführers“), „Tomyris“, „Der Boxer“, „Kasym Khan“ (Regisseur: Akan Sataev), „Kusainovy“ („Die Kusainovs“).

Danijar Abaev – Zweiter Kameramann.

Eleman Akanbai – Tonregisseur.

Diana Tursyn, Regisseurin: „Ich würde mir wünschen, dass sich unsere Filmindustrie entwickelt und aufblüht, und dass das Publikum qualitativ hochwertige und gute Filme zu sehen bekommt. Deshalb war es für mich und mein Team eine große Ehre, solche Ikonen des Filmwesens zu interviewen und daraus das Programm „Zeitgenössisches Film in Zentralasien: Kasachstan“ zu machen. Während der Arbeit an diesem Projekt hat Saodat Ismailova uns kuratiert. Sie ist ein wirklicher Profi in dem, was sie macht, hat uns immer wieder auf den richtigen Weg gebracht und uns dabei geholfen, ein qualitativ hochwertiges Produkt entstehen zu lassen. Wir möchten unsere Dankbarkeit ausdrücken – für das Vertrauen und die Erfahrung von Saodat Ismailova sowie gegenüber dem Goethe-Institut Kasachstan und dem UNESCO Almaty Cluster Office.“

Hier geht es zu den Videointerviews:

Das Interview mit Darezhan Omirbaev

Das Interview mit Erlan Nurmuhambetov

Das Interview mit Aziz Zhambakiyev

Das Interview mit Yuliya Kim