Papers, Please!
Lucas Pope I 2013
Im Videospiel „Papers, please!“ schlüpft der Spieler in die Rolle eines Grenzbeamten des autoritären Staates Arstotzka. In einer langen Schlange warten Menschen am Grenzübergang zu Kolechia darauf, einreisen zu können. Anhand eines Regelhandbuchs muss der Spieler entscheiden, welche Personen er einreisen lässt und welche er abweist. Er muss überprüfen, ob die Angaben in den Papieren stimmen, ob die Leute lügen oder gar eine Gefahr als Terroristen darstellen könnten. Irrt er sich, kann das zu Sanktionen wie Lohnabzügen und als Folge davon Hunger und Krankheit für seine Familie bedeuten. Im Verlauf des Spieles werden die Regeln immer komplizierter, die Geschichten der Einreisenden immer komplexer. Ist der Mann mit dem abgelaufenen Arbeitsvisum wirklich nur ein harmloser Familienvater? Will die Frau mit dem ungültigen Pass wirklich nur ihre kranke Mutter besuchen? Der Beamte in seiner Machtposition wird hin- und hergerissen zwischen seiner Menschlichkeit und der Angst um die eigene Haut.
1378(km)
Jens M. Stober I 2010 (Nur Let's Play)
„1378 (km)“ bezieht sich auf die Länge der einstigen innerdeutschen Grenze. Jens M. Stober entwickelte das Spiel als Student an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe als Modifikation des Shooter-Spiels Half Life 2 um Jugendlichen einen neuen Zugang zur deutschen Geschichte zu vermitteln und löste damit eine starke Kontroverse in der deutschen Medienlandschaft aus.
In „1378 (km)“ übernehmen bis zu 16 Spieler_innen die Rolle eines ostdeutschen Grenzsoldaten oder eines Republikflüchtling. Für die Soldaten wird als Zielvorgabe das Erschießen oder Verhaften von „Grenzverletzern“ gegeben. Flüchtlinge dagegen müssen über die Grenzanlagen in die Bundesrepublik entkommen. Als Grenzsoldaten agierende Spieler können das Spiel langfristig nur gewinnen, indem sie den Schießbefehl verweigern.
Trotz der zunächst heftigen Kritik und des Vorwurfs, unsensibel mit einem so ernsten Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte umzugehen, wird das Spiel seit seiner Veröffentlichung in der Gaming Community sehr positiv bewertet: Mittlerweile wurde es mehr als 750.000 Mal heruntergeladen und von Computerbild Spiele und der Welt als eines der besten deutschen Spiele der letzten 25 Jahre ausgezeichnet.
Escape From Woomera
The Escape From Woomera Collective I 2004 (Nur Let's Play)
Das Videospiel „Escape From Woomera“, ebenfalls eine Modifikation von „Half-Life“, widmet sich dem Umgang mit Geflüchteten. Die Spieler_innen schlüpfen in die Rolle von Geflüchteten im australischen Auffanglager Lager Woomera, das wegen seiner unmenschlichen Bedingungen berüchtigt war und nach Protesten und Anschuldigungen wegen Menschenrechtsverletzungen im Jahr 2003 geschlossen wurde. Die Situationen und Charaktere basieren auf realen Vorlagen.
Spieler_innen können versuchen, nachdem ihr Asylantrag gescheitert ist, aus Woomera zu entkommen. Beide Methoden sind extrem schwierig angelegt. Entscheidend für den Erfolg ist das Maß an Hoffnung, das dem Charakter bleibt. Wenn eine Mission, z. B. das Schmuggeln von Nachrichten, erfolgreich abgeschlossen wurde, steigt das Hoffnungslevel. Ohne Hoffnung verliert die Figur ihre Handlungsfähigkeit und sieht sich zunehmenden psychischen Problemen ausgesetzt, die sie bis in den Selbstmordversuch und die anschließende Deportation führen können.
Das Entwicklerteam wollte mit „Woomera“ zum einen Auf die Misstände in den Flüchtlichgslagern hinweisen, zum anderen aber auch zeigen, dass Videospiele genau wie etablierte Medien die Kapazität haben, sich mit diesen Fragen zu Beschäftigen. Ähnlich wie „1378 (km)“ löste dies 2004 eine Welle der Entrüstung in der Öffentlichkeit aus, da den Entwicklern vorgeworfen wurde, das Thema mit einem Spiel zu bagatellisieren. Dabei sind die Inhalte von „Escape From Woomera“ heute, 14 Jahre später, so relevant wie je zuvor.