Alina Bronsky
Herr Schmidt Lernt Kochen

Was, wenn die eigene Frau erkrankt und nicht mehr aufsteht? Es ändert sich einfach alles, da Rentner Schmidt bisher um Haushaltsarbeiten einen weiten Bogen gemacht hatte. Er war höchstens mit Schäferhund Helmut Gassi gegangen.

Bronsky: Barbara stirbt nicht © © Kiepenheuer & Witsch Bronsky: Barbara stirbt nicht © Kiepenheuer & Witsch
Walter Schmidt, von der Autorin Alina Bronsky konsequent immer nur Herr Schmidt genannt, ist Rentner und zufriedener Hundebesitzer. Seit 52 Jahren ist er mit Barbara verheiratet, die er eines Morgens am Fußboden liegend im Bad vorfindet. Sie ist erkrankt, sie steht von nun an kaum mehr auf. Herrn Schmidts Welt bricht daraufhin zusammen, denn er hat nicht den geringsten Schimmer von Haushaltsführung und Kochen. Noch nie im Leben hat er Kaffee gekocht, geschweige denn einen Tisch gedeckt. Seine Sorge gilt zuerst weniger seiner Frau als seiner eigenen Versorgung.

Doch Herr Schmidt legt sich gezwungenermaßen ins Zeug, er beißt sich durch, fragt der Bäckereifachverkäuferin Löcher in den Bauch, während die Schlange hinter ihm immer länger wird. Er entdeckt einen Fernsehkoch, durch den er viel lernt, tobt sich mit Barbaras Profil auf dessen Facebook-Seite aus.

Alina Bronsky hat eine störrische und egozentrische Figur erdacht, die durch ihre schrullige Art sehr witzig wirkt, aber ihr Umfeld in den Wahnsinn treibt: Als Tochter Karin am Telefon verlangt, dass ihr Vater einen Notarzt ruft, sagt Herr Schmidt nur: „Es ist kein Notfall. Sie hat meinen Kaffee getrunken.“

Hausmann Schmidt füllt die Tiefkühltruhe

Nachdem Herr Schmidt irgendwann kochen kann, dreht sich für ihn alles nur mehr darum, Barbara mit seinem Essen wieder gesund zu machen. Er kompensiert. Sie muss essen. Sie muss ihm schließlich wieder den Haushalt führen können, es geht ihm anfangs nur um sich selbst. Sie hat aber keinen Appetit und selbst das bezieht Herr Schmidt auf sich, es macht ihn wütend.

Ein junger Herr Schmidt ist schwer vorstellbar, Herr Schmidt muss einfach immer schon alt gewesen sein. Und dass er zwei Kinder hat, ist genauso unvorstellbar, präsentierte er sich doch als ein miesepetriger, ständig nörgelnder und unhöflicher Misanthrop. Sebastian und Karin haben folglich auch kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater, der zu niemandem ein gutes Verhältnis haben kann, außer zu seinen Stammtischbrüdern, mit denen er eine Leidenschaft für Schäferhunde teilt.

Doch nicht so ein Unsympath

Barbaras Diagnose erfährt der Leser/die Leserin nicht – nur ihre Kinder wissen Bescheid, die waren beim Arzt dabei. Am Schluss scheint sie jeder in Schmidts Umgebung zu kennen (erstaunlicherweise wundert ihn das), nur er nicht. Zumindest tut er so. Sein verdrängendes Verhalten darf als symptomatisch für älter werdende Menschen bezeichnet werden, eine Krankheit, ein Problem existiert nicht, wenn man es negiert: „Ja, vielleicht war er der Einzige, der glaubte, dass die Dinge verschwinden konnten, wenn man nur lange genug wegsah.“ Bis zu dieser Erkenntnis gegen Ende des Buches ist es Bronsky gelungen, Herrn Schmidt als einen bornierten Mann alter Schule darzustellen, der nicht checkt, was mit seiner Frau passiert. Doch spätestens hier kommt der weiche Kern des Herrn Schmidt zutage. Herr Schmidt hat einfach nur Angst um seine Barbara – eine geschickt eingeführte Wendung, wirklich schön!

Klare Empfehlung

Mit Barbara stirbt nicht ist Alina Bronsky ein hartes und gleichzeitig witziges Buch gelungen, das wunderbar leicht erzählt ist. Die Sprache ist trocken, direkt, auf den Punkt, zu Herrn Schmidt passend. Diesen zu ertragen ist zwar nicht leicht – seine Geschichte besticht aber umso eher. Ganz am Ende des Buches muss man dem Unsympathen fast verzeihen: „Herr Schmidt erkennt am Schluss, dass er auch ein ganz anderer sein könnte – und fängt endlich damit an“, so Katja Essbach auf NDR Kultur. Dabei geht es um ein Familiengeheimnis … spannend, unbedingt lesen!
 
Rosinenpicker © © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank
Alina  Bronsky: Barbara stirbt nicht
Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2021. 256 S.
ISBN: 978-3-462-00072-6
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

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