Clemens Meyers „Die Projektoren“
Bodenbearbeitung mittels Sprengstoffen
Blick auf die Zrmanja-Schlucht, Rio Pecos in Kroatien, wo viele der klassischen Winnetou-Filme gedreht wurden. | © Shutterstock
Clemens Meyers genresprengender historischer Roman „Die Projektoren“ ist eine Herausforderung und eine Provokation, aber er ist auch ein reiches Geschenk an seine Leserschaft und die deutsche Literatur.
Von Michael Krell
Das Knallen der Typen, die aufs Papier schlagen, dort Buchstaben hinterlassen, aus denen dann Wörter und Sätze werden, Geschichten, Westernabenteuer…
Sieben Jahre hat Clemens Meyer an Die Projektoren gearbeitet, und er hat die Zeit gut genutzt: Es ist ein überkochender, in alle Richtungen reichender und makellos recherchierter Ritt durch die gewaltvolle Geschichte der Volksrepublik Jugoslawien des 20. Jahrhunderts, durch die (im wahrsten Sinne) wahnsinnige Welt des (ebenfalls) sächsischen Hochstaplers und weltbekannten Autors Karl May sowie in die Seele der DDR. Mit Liebe zum historischen Detail, sprachlicher Klarheit und komplex arrangierten Abschnitten ist ihm ein Klassiker gelungen, der die Aufregung um die Abfuhr der Jury bei der Vergabe des Deutschen Buchpreises 2024 überleben wird.
Wir müssen weiter, Genosse Überlebender
Die verzahnte Geschichte, die sich über viele Jahrzehnte des 20. bis in das frühe 21. Jahrhundert erstreckt, all die kleinen und großen Geschichten aus den Weltkriegen, den zahlreichen Konflikten in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, der Realität des Lebens in den ehemaligen Gebieten der Sowjetunion und den beiden deutschen Staaten bis in eine nicht genau bestimmte Gegenwart der heutigen Bundesrepublik, wird getragen von einer großen Zahl an Personen, aber nur von einer Handvoll – fast ausschließlich männlicher – Protagonisten. Vor allem von der zentralen Figur, „der Fremde, der wie ein Cowboy aussah“, ein verbannter Partisan der kroatischen Unabhängigkeitsbewegung, der Jahre später zum Komparsen in diversen Karl May-Verfilmungen der 1960er-Jahre wird, wieder viele Jahre später zu einer Art Chronisten und Inhaber einer Zeiss TK-35 Projektoren-Doppelanlage, mit der er ebendiese Karl May-Verfilmungen wie Dokumente einer verlorenen Zeit unter die Leute bringt.
Als wenn recherchiertes Wissen, angeeignete Details, die Authentizität dieser Texte in irgendeiner Art und Weise erklären würden.
Hört hört, der Indianer- und Menschenfreund Dr. May wäre stolz auf Sie, Kollege.
Die Projektoren wurde mit dem Bayerischen Buchpreis 2024 belohnt. Ich habe mich für Clemens Meyer gefreut, er hat ihn verdient.
Clemens Meyer: Die Projektoren. Roman
Frankfurt : S. Fischer, 2024. 1056 S.
ISBN: 978-3-10-002246-2