Olivia Hyunsin Kim
Die Selbstermächtigung des Körpers

Olivia Hyunsin Kims „History has failed us, but…“ im Februar 2022 in den Sophiensaelen in Berlin.
Olivia Hyunsin Kims „History has failed us, but…“ im Februar 2022 in den Sophiensaelen in Berlin. | Foto (Detail): © Dieter Hartwig

Unter dem Pseudonym ddanddarakim setzt sich die Choreografin und Performerin Olivia Hyunsin Kim mit den Themen Körper, Postkolonialismus und Feminismus auseinander. Im Zentrum ihrer Arbeit steht der von Diskriminierung betroffene Körper und dessen Selbstermächtigung.

Von Ceyda Nurtsch und Olivia Hyunsin Kim

Hinter einer weißen Leinwand steht, im abgedunkelten Raum, gleich einem Scherenschnitt, die Tänzerin. Über ihr in schwarzen Buchstaben die Worte „It’s a child“, die erst langsam auf sie herabrutschen, dann immer schneller und heftiger, und sie schließlich erschlagen. Der von Diskriminierung betroffene Körper, Feminismus und Identitätskonstruktion aus einer postkolonialistischen Perspektive sind die zentralen Themen des Schaffens der Choreografin und Performerin Olivia Hyunsin Kim – so auch in diesem Stück mit dem Titel Like Daughter, like Mother.

In ihrem Werk History has failed us, but… setzt sie sich mit körperlichen Formen von Protest auseinander und sucht, ausgehend von Widerstandsbewegungen wie den Gezi-Protesten in der Türkei und den Kerzenlicht-Protesten in Südkorea, nach neuen Wegen der Selbstermächtigung von Personen, die von der Gesellschaft als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen werden.

Den Spieß umdrehen

Olivia Hyunsin Kim wuchs in Siegen und Anyang in Südkorea auf. Sie studierte Germanistik an der Seoul National Universität sowie Tanz und Choreografie an der University of Hawai'i at Manoa, der Falmouth University in Cornwall, am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft Gießen und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt. Heute arbeitet sie unter dem Pseudonym ddanddarakim in verschiedenen Konstellationen mit Künstler*innen aus unterschiedlichen Sparten und mit genreübergreifenden Mitteln.

Dabei hatte sie eigentlich einen anderen Plan. Sie habe früher als Schauspielerin gearbeitet, habe es aber aufgegeben, weil sie die stereotypischen Rollen gestört haben. „Das ist eine große Problematik, die noch mal ein Bild reproduziert, was mit Othering und der Gewalt davon zu tun hat,“ erklärt sie. 

Ein weißer Soldat geht in ein „exotisches“ asiatisches Land, trifft dort eine asiatische Jungfrau und nimmt sie zur Frau; sie wird schwanger und er verlässt sie. Sie kann ihn aber nicht vergessen, am Ende gibt sie ihm ihren Sohn und begeht Selbstmord: Dieses alte Narrativ sei nach wie vor in den Darstellenden Künsten präsent wie zum Beispiel in der Oper Madama Butterfly oder dem Hitmusical Miss Saigon, so Kim. Dieses Thema greift sie in ihrem Stück Miss Yellow and Me – I wanna be a musical auf, einer Musicaltalentshow, in der das Publikum die nächste „Miss Yellow“ auswählt. „Ich wollte aber nicht nur die Problematik zeigen. Durch Humor und durch die zugespitzten Situationen wird das Publikum immer mehr einbezogen, so dass es keine vierte Wand gibt, also keine Trennung vom Publikum und der Bühne. Der Spieß wird umgedreht. Empowerment!“, sagt sie. 2019 wurde sie dafür mit dem Amadeu Antonio Preis ausgezeichnet.

Gegen Stereotypen in der Kulturindustrie

„Die Asian Community kam in die westliche Gesellschaft als ‚Arbeiter*innen‘. Das Problem ist, sie bleiben immer anonym und ihre Geschichte wird unsichtbar gemacht. Man mag unsere Kultur, aber sobald ‚fremde‘ Körper reinkommen, ist das ein Problem. Viele dieser Menschen haben diese Länder mit aufgebaut, das sollte man nicht vergessen“, so Kim. Auch jenseits der Bühne engagiert sie sich in deutsch-asiatischen Künstler*innennetzwerken wie korientation e.V. und D.A.M.N. und kämpft für besseren Zugang für marginalisierte Menschen in die Kulturindustrie. Denn, „man muss nicht entweder/oder sein, um irgendwohin zu gehören.“

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