Neue Jugendbücher
Fantastereien, Spinnereien, Verschwörungen

Aktuelle Jugendromane sind spannend und aktuell, greifen aber auch historische Ereignisse auf.

Von Holger Moos

Mierswa: Liebe sich, wer kann © © Loewe Mierswa: Liebe sich, wer kann © Loewe
In Annette Mierswas Jugendroman Liebe sich, wer kann wird ein Junge von seinem Vater und den älteren Brüdern immer wieder schlecht behandelt. Dadurch fühlt er sich als Versager und wird regelmäßig von Angststörungen überfallen. Bis ihn plötzlich das beliebteste Mädchen der Klasse fragt, ob er mit ihr eine Woche zum Zelten fahren will. Die Wanderung durch Norddeutschland entwickelt sich zu einem völlig absurden Abenteuer, bei dem es zu seltsamen Begegnungen mit Außenseitern, Spinnern und Menschen am Rande der Gesellschaft kommt. Die Reise beschert dem Jungen Erlebnisse, in denen er sich bewährt. Er fühlt sich glücklich, trotz der ständig wechselnden Stimmungen seiner Begleiterin, die psychiatrische Hilfe braucht und nach dieser Woche auch annehmen wird. Mierswa erzählt diese Geschichte sensibel – ideal für Jugendliche, die lernen wollen, zu sich selbst zu stehen.
           
Mohl: An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie © © Tyrolia Mohl: An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie © Tyrolia
Literatur pur ist Nils Mohls An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie. Im ersten Teil des Buches schildert der Autor, in freier Lyrik, unter Zuhilfenahme des literarischen Mittels Bewusstseinsstrom und kurzen anderen Textsorten, seine Erfahrungen nach dem Abitur – verrückt, verspielt, voller Hoffnung. Im zweiten Teil, 20 Jahre später angesiedelt, ist die Jugend zu Ende, die Stimmung resignativ. Durch die Texte schimmert die Furcht, so zu werden wie die Erwachsenen. Die Illustrationen von Regina Kehn verbinden sich mit der freien Lyrik und betonen das Experimentelle des Buches. Der manchmal lustvolle Manierismus dieses ästhetischen Experimentes hilft Spielern und Spinnern, nicht zu verzweifeln.

Parallelwelten

Meyer: Fürimmerhaus © © Fischer Sauerländer Meyer: Fürimmerhaus © Fischer Sauerländer
Ein Junge erwacht in einer Welt, die er nicht kennt, weit abseits aller Dimensionen, und hat das Wissen über die eigene Identität verloren. Er trifft auf eine Gruppe von Jugendlichen, die in dieser einem Labyrinth gleichenden Welt festgehalten werden, weil sie versucht haben, die Welt zu retten. Sie fliehen gemeinsam und müssen dabei unglaubliche Strapazen und Verfolgungen überstehen. Der Fantastik-Autor Kai Meyer erzählt in Fürimmerhaus eine ungewöhnliche, abenteuerliche Geschichte, in der nicht nur Menschen, sondern auch technische Dinge belebt sind – mit überraschendem Ende.

Poznanski: Shelter © © Loewe Poznanski: Shelter © Loewe
Ursula Poznanski ist bekanntermaßen eine verlässliche Lieferantin von temporeichen Thrillern. In ihrem neuesten Buch Shelter geht es um das hochaktuelle Thema der Verschwörungstheorien. Eine Gruppe von Studierenden setzt nach einer durchzechten Nacht Fake-News ab, um zu sehen, was daraufhin passiert. Sie behaupten, dass außerirdische Besucher in die Körper normaler Menschen schlüpfen. Tatsächlich steigt die Zahl der Follower ungeahnt schnell – bis das Ganze sich plötzlich für die Hauptperson Benny zu einer lebensgefährlichen Aktion entwickelt. Geschickt baut Poznanski Nebenhandlungen ein, die die Spannung nochmals steigern.

Nichts neu macht der Mai

Kordon: Und alles neu macht der Mai © © Beltz & Gelberg Kordon: Und alles neu macht der Mai © Beltz & Gelberg
Klaus Kordon verarbeitet in seinen Büchern zumeist historische Stoffe, so auch in seinem neuesten Jugendroman Und alles neu macht der Mai. Eine Familie aus dem Warthegau muss 1944 vor der Roten Armee flüchten und wird in einem norddeutschen Dorf einquartiert. Beschimpft als „Pollacken“, beschreibt die älteste Tochter in ihrem Tagebuch ihr schwieriges Leben in der fremden Umgebung und ihre Entwicklung zu einer kritischen Zeitzeugin. Ihr hilft die Nähe und Liebe zu einem jungen Mann, dessen Vater ermordet wurde. Kordon präsentiert ein Kaleidoskop der unterschiedlichsten Menschen am Ende des Zweiten Weltkriegs und nach Kriegsende. Er stellt Fragen nach Schuld und Sühne in den Mittelpunkt seines Buches, die heute immer noch aktuell sind.
 
Rosinenpicker © © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank
Klaus Kordon: Und alles neu macht der Mai
Weinheim: Beltz & Gelberg, 2021. 443 S.
ISBN: 978-3-407-75602-2

Kai Meyer: Fürimmerhaus
Frankfurt a.M.: Fischer Sauerländer, 2021. 378 S.
ISBN: 978-3-7373-5828-6

Annette Mierswa: Liebe sich, wer kann
Bindlach: Loewe, 2021. 238 S.
ISBN: 978-3-7432-1212-1
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

Nils Mohl / Regina Kehn (Ill.): An die, die wir nicht werden wollen. Eine Teenager-Symphonie
Innsbruck: Tyrolia, 2021. 164 S.
ISBN: 978-3-7022-3956-5

Ursula Poznanski: Shelter
Bindlach: Loewe, 2021. 429 S.
ISBN: 978-3-7432-0051-7
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

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