Ausstellung NOTIONS OF IDENTITY

Notions of identity ©Design:Sibel Beyer

Do, 09.09.2021 –
Mi, 29.09.2021

In der Ausstellung Notions of Identity begegnen und reflektieren vier Künstler:innen das Thema Identität aus verschiedenen Disziplinen.

Wie formt sich Identität? Welche Faktoren bestimmen die Entstehung von Identitäten? Ist es die Geschichte, die Kultur eine Landes, Sozialisierung, persönliche Interessen, das Geschlecht? Auf welche Weise wird Identität geformt und bestimmt oder gar verändert? Welche Rolle spielen Fiktion und Realität innerhalb des Identitätsbegriffs?
 
Widmet man sich den Fragen und den Begrifflichkeiten von Identität, so sind die Antworten und Definitionen so divergent wie ihre Konstitution. Identität formt sich durch die Verortung innerhalb eines individuellen und sozio-kulturellen Spannungsfelds. Sie entsteht im Abgleich des subjektiven „Innen“ zum gesellschaftlichen Umfeld im „Außen“. In der Ausstellung Notions of Identity begegnen und reflektieren vier Künstler:innen das Thema in verschiedenen Disziplinen. In ihren Projekten spiegeln sich persönliche und universelle Momente sowie Aspekte der deutsch-griechischen Geschichte wider.
 
ERÖFFNUNG: 9. September 2021, 20.00 Uhr, Alter Kindergarten am Hafen
LAUFZEIT: 10.–29. September 2021
ORTE: Alter Kindergarten am Hafen, Navarchou Votsi, Thessaloniki & Glaspavillon am Skulpturengarten, Leof. Meg. Alexandrou, Thessaloniki
 
Übersetzungen: Theo Votsos
 
Teilnehmende Künstler:innen
 
Aikaterini Gegisian
Aikaterini Gegisian (geboren in Thessaloniki, Griechenland) ist eine bildende Künstlerin griechisch-armenischer Herkunft. Ihre erweiterte kunstfotografische Praxis untersucht die Rolle der Bilder in der Konstruktion von geschlechtlichen, kulturellen und nationalen Identitäten.
 
EXERCISES IN SPEAKING OUT, VOLUME 1
Exercises in Speaking Out, Volume 1 ist eine Serie von Fotocollagen und zugleich ein Kunstband, der in gewisser Weise als Dialog zwischen Nacktfotos aus griechischen Lifestyle-Magazinen der 1990er Jahre und erotischen Aktbildern aus der DDR der 1970er und 1980er Jahre konzipiert ist. Es handelt sich um den ersten
Teil eines breiter angelegten Werkes, das auf der neuen Lektüre einer Lifestyle-Zeitschriften-Sammlung aus Aikaterini Gegisians Jugendjahren basiert, die sie während der Zeit der Pandemie wiederentdeckt hat. Durch die Wiederaneignung dieser Bildersammlung auf eine Weise, als würde sie die Keimzellen ihrer künstlerischen Stimme enthalten, und im Zusammenspiel mit der Reflexion über die Dringlichkeit des mentalen, psychischen, emotionalen und ökonomischen Überlebens unter Pandemiebedingungen nimmt Exercises in Speaking Out eine Erweiterung des Überlebensbegriffes vor: Überleben erscheint als emanzipatorischer Akt des Sprechenlernens, bei dem es darum  geht, in Opposition zu den vom Kapitalismus auferlegten kulturellen Rahmenbedingungen eine eigene Stimme zu finden. Die Collagenserie Exercises in Speaking Out spiegelt die Form von Übungsbüchern wider, während Volume 1 die chemischen und kompositorischen Aspekte des Fotografierens erforscht.

Klara Charlotte Zeitz
Klara Charlotte Zeitz (geboren in Dresden, Deutschland) lebt und arbeitet als Autorin und Künstlerin in Leipzig.
 
UNSPOKEN FORMS – RECLAIMING SPEECH
Die poetischen Kräfte stehen in der installativen Arbeit von Klara Charlotte Zeitz im Mittelpunkt: Ethische und ästhetische Strategien des Gehör Verleihens, die in einer sensorischen Wahrnehmung münden. Wie können wir vielsinniger, empathischer wahrnehmen und Worte neu rezipieren, um mit etwas oder jemandem in Kontakt zu treten? Die Arbeiten stellen vor allem eine emanzipatorische, globale und „weibliche“ Perspektive in den Fokus. Dabei spannt sie den inhaltlichen Bogen zu Laskarina Bouboulina, einer griechischen Freiheitskämpferin (1771–1825), als einer Frau Europas, Spiegel und Reflexionspunkt einer Identitätsfrage, die einen lebensgeschichtlichen und situationsübergreifenden Vergleich in der Wahrnehmung der eigenen Person mit dem Umfeld möglich macht. Was verbindet das Narrativ dieser Frau mit dem Narrativ heutiger Frauen, zeitlos, transnational und herkunftsunabhängig? Unspoken Forms – Reclaiming Speech versucht eine subjektive Antwort darauf zu geben. Eine kritische und gleichzeitig spielerische Beobachtung zwischen dem Persönlichen und dem Politischen, dem Affektiven und dem Analytischen. Die präsentierten Stimmen, Bilder und Wortfragmente sollen daran erinnern, dass gängige geopolitische Abgrenzungen und rigorose Gegenüberstellungen von in sich kohärenten Kulturen auf Fiktion beruhen.
 
Marios Chatziprokopiou
Marios Chatziprokopiou (geboren in Thessaloniki, Griechenland) ist Lyriker, Performer und Forscher mit Sitz in Athen.
 
SOHN UND FRAU GOTTES: AUF DEM WEG ZU EINER FABRIK DER STIMMEN
In seinen 1903 unter dem Titel Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken erschienenen Memoiren entfaltet der in einer Psychiatrischen Klinik eingeschlossene ehemalige Gerichtspräsident Dr. Daniel Paul Schreber (1842–1911) mit penibler Genauigkeit sein paranoides Wahnsystem: der Weltuntergang rückt näher, er selbst ist der letzte noch lebende Mensch und der einzige, der die Gattung retten kann; er müsste sich nur in eine Frau verwandeln und, durch göttliche Strahlen befruchtet, das neue menschliche Wesen austragen. Mit großer Detailtreue beschreibt Schreber die Stimmen, die auf seine Nerven niederprasseln: unablässiges Gemurmel, Satzfragmente, Wörter, die unerträglich in die Länge gedehnt werden, mechanische Vögel, die immerzu gleichklingende Wörter nachplappern; ebenso ausführlich geht er aber auch auf seine Versuche ein, mit seiner eigenen Stimme Widerstand zu leisten. Die drei Lautgedichte, die im Rahmen der Ausstellung präsentiert werden, verknüpfen Schrebers Memoiren mit autobiografischem Material im Zusammenhang mit dem Unbehagen der Geschlechter. Gleichzeitig durchleuchten sie die Fabrik der vom Patriarchat durchgesetzten Stimmen, sowie die Stimmen des materiellen Widerstands, während sie darüber hinaus versuchen, die Töne des Martyriums, aber auch die Vielstimmigkeit der Geschlechtstransformationen in Klang zu setzen.
 
Alisa Kossak
Alisa Kossak (geboren in Erlangen, Deutschland) ist bildende Künstlerin, die in Leipzig lebt und arbeitet. Hauptaspekt ihrer künstlerischen Praxis bilden die Bedingungen, Formen und Praktiken der Kunstpräsentation und Rezeption.
 
ON DISPLAY – FRAGMENTS
Ob Kunst im Museum, im öffentlichen Raum oder Waren im Schaufenster: Sie alle haben nicht nur ihren ausgestellten Charakter gemein, sondern auch, dass der kulturelle Hintergrund sowie die persönlichen Interessen von Betrachter:innen und Kunstinstitutionen eine entscheidende Rolle in der Bewertung und Auswahl der Objekte spielen. In Alisa Kossaks Arbeit On Display – Fragments rücken nicht nur visuelle Ähnlichkeiten von Ausstellungsdesign und Warenpräsentation in den Fokus ihrer Untersuchung. Die Auseinandersetzung mit der Funktion von Museen als Bewahrer:innen von kultureller Identität spielen ebenso eine Rolle, wie die Betrachtung von Konsumgütern als potenzielles Medium der Identitätsformung. Die installative Gegenüberstellung formt nicht nur bildhafte Allegorien, sondern verweist auf das menschliche Grundbedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit
 
Aikaterini Gegisian, Marios Chatziprokopiou, Alisa Kossak und Klara Charlotte Zeitz waren 2020 Stipendiat:innen des interdisziplinären Austauschprogrammes Thessaloniki – Leipzig für Künstler:innen und Autor:innen, das vom Goethe Institut Thessaloniki, von der Halle 14 – Zentrum für zeitgenössische Kunst, dem Referat Internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig und dem Edit Magazin gemeinsam organisiert wird.
 
 

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