Künstlergespräch Kader Attia: The Museum of Repair

Exhibition view ‘Kader Attia. Remembering the Future’, at Kunsthaus Zurich, Zurich 2020 Exhibition view ‘Kader Attia. Remembering the Future’, at Kunsthaus Zurich, Zurich 2020 / Photo: Franca Candrian

Mi, 16.06.2021

19:30 Uhr

Terrasse Goethe-Institut Athen

[AUSGEBUCHT] Kader Attia im Gespräch mit der Kuratorin Iliana Fokianaki (State of Concept)

AUSGEBUCHT!

 

Prozesse der Reparation in der Arbeit von Kader Attia

Kader Attia arbeitet mit Skulpturen, Installationen, Collagen, Videos und Fotografien und erkundet dabei stets, inwieweit sich der Kolonialismus und Imperialismus des Westens noch immer auf die Kulturen des Globalen Südens auswirkt. Die Frage ist, wie diese Kulturen ihre Unterdrückungsgeschichte repräsentieren und wie sie sich zu einer sozialen Ungleichheit verhalten könnten, die bis heute daraus resultiert. Attias Arbeiten formulieren eine strukturelle und sorgfältige Kritik westlicher Kontrollsysteme, die das Leben in seinen verschiedensten Aspekten geprägt haben: angefangen von der traditionellen Museumswissenschaft bis hin zu auch heute noch wirksamen Mechanismen des gesellschaftlichen Ausschlusses.
 
“The Museum of Repair” ist ein Teil von Kader Attias Einzelausstellung, im Athener Kunstraum State of Concept. Hier wird Attia, der nicht nur Künstler, sondern auch Kurator ist, im Gespräch zu erleben sein: Er erläutert das Konzept seiner Show und diskutiert seinen jüngsten Film “The Object’s Interlacing” (2020), der unter der Ägide des Kunsthauses Zürich entstanden ist und sich der Restitution von Kunstobjekten widmet, einem Thema also, das einem griechischen Publikum besonders am Herzen liegen dürfte. Hier, wie in anderen seiner Arbeiten, geht es um die strukturellen Mechanismen des Machterhalts von Kulturen und die Ungleichheiten, die diese Mechanismen erzeugen. Stets begegnet Attia solchen Phänomen, indem er ihnen spezifische andere historische Wahrheiten entgegensetzt.
The Repair from Occident to extra-occidental cultures 2012, installation The Repair from Occident to extra-occidental cultures 2012, installation / Photo: Thierry Bal Auf diese Weise kommt Attia mit verschiedenen Aspekten dessen in Berührung, was man den nekropolitischen Ausdruck zeitgenössischer Machtsysteme nennen könnte. Diese sind über Jahrhunderte in politischen Herrschaftssystemen verankert und verweisen auf Ausbeutung, Einhegung und Diskriminierung. Wenn Attia hier von «repair » spricht, dann ist damit eine Reparation als physischer und als symbolischer Akt gemeint. Er verhält sich simultan zu den ebenfalls physischen und symbolischen Verletzungen, die sich hinter kollektiven und individuellen Traumata bis heute offenbaren. Reparation: das wäre eine Metapher für kulturelle Rückaneignung und Widerstand. Attias Ausstellung « The Museum of Repair » schöpft aus einer Langzeitrecherche, aus der hier nun ein zwingender visueller Essay entstanden ist. Dabei stellt sich das Reich der Kunst als ein Forum heraus, auf dem auch die eigene Position des Überdenkens von Herrschaftserzählungen problematisiert wird; es fragt sich, mit welchen Mitteln es sich den Gefühlen Zorn, Verzweiflung, Trauer und Freude nähert. Die Ausstellungsbesucher*innen sind aufgerufen, den theoretischen Rahmen dieses Reparations-Konzepts zu erkunden und sich außerdem in die spezifischen Aspekte von Restitution, kollektivem Trauma, Verlust und Ausschluss zu vertiefen. Dazu dienen mündliche Überlieferungen und individuelle Zeugnisse, aus denen sich Attias Werke speisen. Schließlich stellt sich die Frage, ob ein Künstler als Bewahrer eines solchen Wissens, das sonst an den Rand gedrängt oder zum Schweigen gebracht worden ist, fungieren kann. Er könnte auch zum Anstifter eines künftigen Ausagierens sozialer Gerechtigkeit werden.

 

Kader Attia

Kader Attia wurde 1970 im französischen Dugny geboren und wuchs in Paris und in Algerien auf. Er hat Philosophie und Kunst studiert und dazu die École Supérieure des Arts Appliqués Duperré und die École nationale supérieure des Arts Décoratifs in Paris besucht; außerdem studierte er an der Kunsthochschule Escola Massana in Barcelona. Dem Studium voran gingen mehrjährige Aufenthalte in Afrika und Lateinamerika. Heute lebt und arbeitet Attia in Berlin und Paris.  Im Jahr 2016 gründete er “La Colonie”, einen Kunstraum im zehnten Arrondissement von Paris. Hier fanden Diskussionen und ein Ideenaustausch über eine Dekolonisierung statt, die nicht nur Gesellschaften, sondern auch Wissenssysteme, Einstellungen und soziale Praktiken betrifft. Von der Dringlichkeit sozialer und kultureller Reparation überzeugt sollte hier zusammengeführt werden, was auseinandergetrieben oder zerbrochen war. Pandemiebedingt ist “La Colonie” seit März 2020 für die Öffentlichkeit geschlossen. Kader Attia ist der designierte Kurator der 12. Berlin Biennale, die 2022 stattfinden wird. 

Das Künstlergespräch ist eine Kooperation zwischen State of Concept und dem Goethe-Institut Athen. Die Ausstellung „The Museum of Repair“ wird vom l’Institut français de Grèce unterstützt.

Die Veranstaltung obliegt allen Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit unserer Besucherinnen und Besucher. Aus diesem Grund sind die Plätze stark begrenzt.
 
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist erforderlichiris.asimakopoulou@goethe.de

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