Interview mit Florian Feisel
Im Puppentheater kann ich eine ganze Welt erschaffen

Florian Feisel
Foto: Cedric Dorin © Goethe-Institut Israel

Mit Unterstützung des Goethe-Instituts reiste Florian Feisel für Workshops am Train Theater in Jerusalem erneut nach Israel. Im Interview erzählt der Dozent für Figurentheater an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, was die Arbeit mit israelischen Künstler*innen für ihn immer wieder so besonders macht.

Von Cedric Dorin

Sie waren nicht zum ersten Mal in Israel.

Stimmt, vor sieben Jahren schon bin ich bei einem Festival aufgetreten, als Krokodil. Damit sind wir sogar im Fernsehen gelandet, weil das Krokodil so eine herrlich anarchistische Ader haben kann und dann tatsächlich beinahe das Studio auseinandergenommen hat. So ein Benehmen, das verzeiht man ja nur einer Puppe. Damals habe ich auch meine erste Lecture Performance in Israel gegeben: „Puppen sterben besser“.

Sie sind ausgebildeter Schauspieler. Warum haben Sie sich trotzdem hauptberuflich für das Puppenspiel entschieden? Was macht die Magie von Figurentheater für Sie aus?

Die Möglichkeit, mit einfachen Mitteln eine ganze Welt zu erschaffen. Jeder war im Nebenberuf doch schon mal Puppenspieler, hat als kleines Kind selbst ausprobiert oder erlebt, wie man Dinge zum Leben erweckt. Sei es die Playmobil-Figur, den Teddy, die Puppe oder eine Socke, die über die Hand gezogen plötzlich plappert. Oder die Papprolle, übrig geblieben vom aufgebrauchten Toiletten- oder Küchenpapier, die ohne viel Aufwand zur Figur wird, wenn man ihr bloß Augen, Nase und Lippen schenkt – so wie wir das vor wenigen Jahren auch in Israel mit dem „First-Aid-Kit“-Projekt gemacht haben. Im Vergleich zum Theater hat der Puppenspieler zudem eine viel größere Freiheit, und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Workshop Train Theater mit Florian Feisel Foto: Cedric Dorin © Goethe-Institut Israel
Die Freiheit, ohne großen Bus mit Kulissen und Kollegen unterwegs zu sein?

Auch das. Man kann mit einem Stück für Figurentheater tatsächlich ohne viel Gepäck in der ganzen Welt auftreten. Puppenspiel funktioniert oft ohne viele Worte, allein das ermöglicht Vorstellungen jenseits des eigenen Sprachraums. Ich selbst habe so schon in Japan, Pakistan, Mexiko, Taiwan, den USA und in Südafrika gespielt. Darüber hinaus ergibt sich beim Puppenspiel aber auch eine viel größere Freiheit an Themen und wie man sie inszeniert.

Wie das?

Im Puppentheater kann man sehr philosophische Themen aufgreifen. Die Handlung muss eben nicht mit Schauspieler*innen funktionieren, es kann auch zwischen einer Ziege und der Sonne sein. Der Teufel, der berüchtigt im Detail steckt, kann plötzlich in handlicher Gestalt ebenso erscheinen wie der Tod, der mir im Körper eines scheinbar harmlosen Gartenzwergs auf der Schulter hockt. Durch solche nicht-menschlichen Figuren lässt sich mit dem Publikum viel leichter über Existenzielles sprechen, man kann viel grundlegendere Fragen stellen.
Schauspieler üben Foto: Cedric Dorin © Goethe-Institut Israel
Hier in Israel haben Sie gerade drei Tage am Train Theater Workshops für mehrere Gruppen gegeben. Auch an diesem Theater waren Sie nicht zum ersten Mal.

Ich mag dieses Theater sehr. Auch deshalb, weil es den Anspruch hat, Künstler*innen, die schon lange ihrem Beruf in ihrer jeweils eigenen Nische nachgehen, die Chance zu bieten, sich weiterzuentwickeln. Das habe ich bei den Teilnehmer*innen auch dieses Mal gespürt: Diese große Neugier, diesen Wunsch, den eigenen Horizont und die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Das ist auch für mich etwas anderes als mit Student*innen, meist allesamt im Alter von rund 20 Jahren, zu arbeiten, wie ich das sonst an der Hochschule in Stuttgart mache. Die haben sich dort bewusst für diesen spezifischen Studiengang entschieden, wollen schnell das Handwerk beherrschen, um eigene Produktionen zu entwickeln. Die Gruppe in Jerusalem war viel gemischter, sie ließ sich auf Neues, auf Unbekanntes ein.

Was mich in Israel auch immer wieder begeistert, ist die Fähigkeit vieler Künstler*innen, in ihrer Arbeit feinsinnig mit der ja oft sehr herausfordernden, komplexen Realität umzugehen.


An was haben Sie mit den Teilnehmer*innen der Workshops denn gearbeitet?

Zu meiner Freude haben sie mit großem Interesse angenommen, was ich mit ihnen vorhatte: Statt in unserer begrenzten Zeit Szene für Szene für ein Stück zu entwickeln, sind wir in die Tiefe gegangen, haben an Grundlagen gearbeitet, vor allem: Wie führt man eine Figur, so dass ihr Körper als eigenständig, als unabhängig von ihrem Spieler wahrgenommen wird? Das haben wir mit vielen unterschiedlichen Übungen ausprobiert und trainiert, mit Gegenständen, aber eben auch untereinander: Jeder wurde einmal zur Marionette, jeder zum Spieler des anderen.

Mit welchen Eindrücken sind Sie wieder abgereist, was haben Sie für sich selbst mitgenommen?

Wie spannend und bereichernd interkulturelle Arbeit doch immer wieder ist. Im Workshop hatten wir religiöse Teilnehmerinnen. Als Workshop-Leiter musste und wollte ich besonders darauf achten, sie bei den Übungen nicht zu berühren, zum Beispiel, wenn es um Korrekturen ging. Ich musste lernen, mit dieser für mich neuen Begrenzung umzugehen. Als trennend habe ich das dann aber gar nicht empfunden, weil wir ansonsten offen und intensiv über die Möglichkeiten von Figurentheater diskutiert haben. Nichts ist also nur schwarz oder weiß. Was mich in Israel auch immer wieder begeistert, ist die Fähigkeit vieler Künstler*innen, in ihrer Arbeit feinsinnig mit der ja oft sehr herausfordernden, komplexen Realität umzugehen. Und ihr Wille, trotz aller Schwierigkeiten und Konflikte in dieser heterogenen, multi-religiösen Gesellschaft, unbeirrt und bewusst nach dem zu suchen, was sie an gemeinsamen Werten eben doch verbindet.

Das klingt, als würden Sie gern wiederkommen.

Auf jeden Fall.
Beim Workshop, Train Theater mit Florian Feisel Foto: Cedric Dorin © Goethe-Institut Israel
 
Zur Person
Florian Feisel, geboren 1972 im deutschen Gummersbach, ist studierter Schauspieler und Puppenspieler, seit 2012 lehrt er als Professor im Studiengang für Figurentheater an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Mit Unterstützung des Goethe-Instituts Israel hat er in Zusammenarbeit mit dem Train Theater in Jerusalem 2019 bereits das Projekt „First Aid-Kit“ realisiert.

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