"Tanz im August"
Bollywood im Township
„Tanz im August“: Constanza Macras triumphiert mit dem multiethnischen Stück „Chatsworth“.
Eine der Entdeckungen von „Tanz im August“ ist Euripides Laskaridis. Sein Stück „Titans“ ist eine schreiend komische Mythenzertrümmerung. Die beiden Titanen, die sich auf der Bühne des HAU2 in absurde Aktionen stürzen, sind keine mächtigen Riesen, sondern lächerliche Gestalten. Laskaridis, mit Eierkopf, vorwitziger Nase und dickem Bauch, spielt die weibliche Gottheit. Seine Titanin ist eine Kichererbse.
Giggelnd und staunend irrt sie durch einen dunklen Bühnenkosmos, betrachtet die Sterne oder beugt sich über ein winziges Gebirgsmassiv aus Goldfolie. Ihr Schöpferwerk bricht sie ab, um sich wieder der Hausarbeit zuzuwenden. Wenn die Titanin sich für die Partnersuche aufbrezelt und mit dem umdüsterten Dimitris Matsoukas zu flirten versucht, ist das zum Piepen. Laskaridis schrumpft in seinem grotesken Bildertheater die Titanen auf menschliches Maß. Und das Publikum amüsierte sich prächtig.
Auch bei Constanza Macras, die im HAU1 die Uraufführung „Chatsworth“ präsentierte, warfen sich die Zuschauer vor Lachen fast von den Stühlen. Chatsworth ist ein Township in Südafrika, das 1960 vom Apartheid-Regime erbaut wurde. Hier wurden die indischen Einwanderer ghettoisiert. Macras hat für das Stück ein tolles multiethnisches Ensemble zusammengestellt. Die indischstämmigen Performer aus Südafrika sind alle hinreißend. Mit Manesh Maharaj steht sogar ein veritabler Star des traditionellen Kathak-Tanzes auf der Bühne.
Theoriesplitter und biografische Erzählungen
Famos sind auch die beiden schwarzen südafrikanischen Tänzer und die Berliner Performer von Macras Gruppe Dorky Park. Ein Video zeigt zu Beginn die bunt bemalten Matchbox-Häuser von Chatsworth, die typisch sind für die Townships. Die Inder seien in diese winzigen Schachteln eingezwängt worden, um ihren Expansionsdrang zu zügeln, kommentiert einer der Performer. Doch er deutet die indische Einwanderung nach Südafrika, die auf das Jahr 1860 zurückgeht, als ökonomische Erfolgsstory. Die Inder hätten ihre Chance genutzt. Avishka Chewpersad ist die kritische Gegenstimme. Sie wirft der indischen Community in ihrem Festhalten an einer eigenen kulturellen Identität „obsessiven Partikularismus“ vor. Theoriesplitter und politische Diskurse werden mit teils biografischen Erzählungen verknüpft, die das Leben in der Diaspora schildern.Maharaj berichtet von seiner Großmutter, die 1906 nach Südafrika auswanderte. Die Witwe mit zwei Söhnen hat sich wie viele Inder im Gemüseanbau betätigt. Erzählt wird von einem reichen Familienvater, der den weltlichen Freuden entsagt und sich als Mönch auf eine Pilgerreise begibt. Und von einem jungen Mann, der seine Homosexualität nicht offen leben kann. In einer Pantomime werden dann Deals ausgehandelt zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen – jeder versucht den anderen über den Tisch zu ziehen.