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Berlinale-Blogger*innen 2024
Eine menschliche Ästhetik des Widerstands

„In Liebe, Eure Hilde”: Johannes Hegemann und Liv Lisa Fries mit Regisseur Andreas Dresen bei der Premiere
„In Liebe, Eure Hilde”: Johannes Hegemann und Liv Lisa Fries mit Regisseur Andreas Dresen bei der Premiere | Foto (Detail): © Richard Hübner / Berlinale 2024

Feier des Lebens in finsteren Zeiten: Andreas Dresens „In Liebe, Eure Hilde“ ist ein zärtliches Porträt der Widerstandskämpferin Hilde Coppi, ein Mitglied der „Roten Kapelle”.

Von Philipp Bühler

Filme über den Nationalsozialismus folgen einer kalten Logik, nicht einmal dieser kann sich ihr ganz entziehen. Am 12. September 1942 wird Hilde Coppi (wunderbar: Liv Lisa Fries, bekannt aus der Fernsehserie Babylon Berlin) verhaftet. Im Frauengefängnis Barnimstraße Berlin bekommt sie ein Kind. Sie darf es stillen, ihr Prozess erhält dadurch einen kleinen Aufschub. Doch es hilft ihr so wenig, wie auch ein späteres Gnadengesuch ohne Wirkung bleibt. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit Feindbegünstigung, Spionage und Rundfunkverbrechen“ wird Hilde Coppi am 21. Juli 1943 hingerichtet, als eine von etwa 50 Männern und Frauen der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“.

Eine stille Heldin, typisch Dresen

Verwundert es, dass Andreas Dresen alles tut, um die grausame Linearität dieses Schicksals zu durchbrechen? Es fängt damit an, dass der deutsche Regisseur mit Hilde Coppi eine denkbar stille Widerständlerin porträtiert. Nicht etwa das Glamourpaar Harro und Libertas Schulze-Boysen, das ebenfalls zur „Roten Kapelle“ – eine diffamierende Fremdbezeichnung der Gestapo für eine äußerst heterogene Gruppe – zählte. Dresen (auf der Berlinale 2022 mit Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush erfolgreich) liebt die leisen Heldinnen und Helden, und kämpft für ihr Recht auf eine eigene Geschichte.

Die menschliche Kraft zum Widerstand

In Liebe, Eure Hilde kontrastiert die furchtbaren Erlebnisse der Protagonistin in der Haft mit Erinnerungen an ihr früheres Leben: Badeausflüge der polyamoren Berliner Gruppe an heißen Sommertagen, die erste Begegnung mit Hans Coppi, den sie später heiratet. Die Ordnung dieser Rückblenden folgt einer Art Traumlogik, manchmal scheint sie rückwärtszulaufen. Selbst der eigentliche Widerstand – Hilde hört Radio Moskau und übermittelt Lebenszeichen deutscher Kriegsgefangener an die Angehörigen – ist eingebettet in diese Feier des freien, verwirrenden, ungelenkten Lebens. Hilde, Hans und die anderen hatten keinen Plan wie die späteren Hitler-Attentäter des 20. Juli. Wir erfahren bei Dresen wenig über ihre Motive. Waren sie sich der Gefahr bewusst, in die sie sich begaben? War ihr Widerstand sinnvoll, das schreckliche Opfer wert?

In diesen Zeiten des „Nie wieder!“ überlassen Dresen und seine langjährige Drehbuchautorin Laila Stieler uns das Urteil. Das ist die Stärke seines nicht leicht zu verdauenden Films. Er mahnt nicht nur zur Erinnerung, sondern macht die Erinnerung selbst zum Thema. Hilde Coppis Liebe zum Leben, zu ihrem Mann, zu ihrem Kind, eine nicht hinterfragte Menschlichkeit geben ihr die Kraft, zu widerstehen. Diese Botschaft ist politisch, und wichtiger denn je.
 

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