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Vorurteile? Nicht mehr!
Mythen entlarven

Mythen entlarven
© Goethe-Institut/ Max Mueller Bhavan/ Mohit Jindal

Videospiele – man mag sie hassen oder lieben, ignorieren kann man sie nicht. Es ist eine Geschichte voller Erinnerungen, Kontroversen, Wettbewerbe, Legenden und Mythen. Dieser Artikel befasst sich mit den Mythen in der Videospielbranche und räumt mit ihnen auf.

Von Arjun Nair

1. Spiele & Gesundheit

„Spiel nicht so lange Videospiele, das ist schlecht für Deine Augen!“ – Jedes Kind, das heute Zugriff auf eine Spielkonsole, einen Computer oder ein Smartphone hat, kennt diese Worte. Videospiele wurden für alle möglichen physischen und psychischen Krankheitsprobleme verantwortlich gemacht – und dies mit durchaus guten Gründen. Doch es gibt auch die andere Seite: Videospiele können nämlich im Dienste der Gesundheit wirken.
Nintendo Wii Die Nintendo Wii hat sich seit ihrer Markteinführung im Jahr 2006 fast 102 Millionen Mal verkauft. | © Nintendo
Als Nintendo die Wii-Spielkonsole auf den Markt brachte, schaffte es, was wenigen vor ihm gelungen war: Videospielen zu einer körperlichen Aktivität werden zu lassen.

Just Dance Just Dance ist ein Rhythmusspiel, bei dem die Spieler versuchen, die Bewegungen eines Tänzers auf dem Bildschirm nachzuahmen, um Punkte zu erzielen. | © Ubisoft Mit Spielen wie Wii-Tennis, Wii-Boxing und Wii-Sports brachte die Wii-Konsole die Leute wirklich zum Schwitzen. Dann gab es da Spiele wie Dance Dance Revolution und Just Dance, die die Spieler dazu brachten, ganze Choreographien nachzuempfinden – und dabei tatsächlich die Beine zu schütteln. Und eben nicht nur mit den Fingern ein paar Knöpfe zu drücken und Kalorien zu verbrennen.
  
Können Videospiele Menschen bei der Bewältigung von Behinderungen helfen?
In einem faszinierenden Vortrag auf der India Game Developer Conference (IGDC) 2020 zeigte Subhasis Banerji als Vertreter der Firma Synphne, wie dies möglich ist. 
„Ein Videospiel kann einen Spieler eine Reihe von Aufgaben erledigen lassen, was jenen hilft, die seit langem schon unter Behinderungen leiden, und deren Gehirn nun dadurch wieder an aufeinanderfolgende Aufgaben gewöhnt wird – wie das Anziehen, die Körperpflege u.s.w...“ 

Und es geht nicht einfach immer nur um Spaß und Spiel. Eine Studie von 2018 bestätigte, dass Videospiele Soldat*innen der USA, die im Krieg gewesen waren, bei der Verarbeitung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und Suchtverhalten half.

2. Frauen und Spielen

Frauen in den SpielenPhoto by cottonbro from Pexels

Es ist eine Legende, die so alt ist wie die Videospiele selbst: Frauen spielen keine Videospiele. Und ihre Darstellung in Videospielen als Figuren… nun, so realistisch wie eine Barbie-Puppe, muss man wohl sagen.

Entlarven wir den Mythos: In den USA sind 41% aller Videospieler*innen Frauen. In Deutschland kommen sie nach eigenem Bekunden auf sagenhafte 48%."

Arjun Nair

Gris In Gris durchläuft die Figur fünf Phasen der Trauer - Verleugnung, Wut, Feilschen, Depression und Akzeptanz. | © Nomada Studio Auch in den Spielen selbst vollzieht sich bei den weiblichen Charakteren ein radikaler Wandel. Eine der bekanntesten Figuren – Lara Croft aus Tomb Raider – hat sich von einem hypersexualisierten Mädchen hin zu in einer deutlich reiferen, wirklichkeitsnäheren und glaubwürdigeren Lara Croft gewandelt. Als diese tritt sie in der aktuellen Version Shadow of the Tomb Raider auf.

In letzter Zeit sehen wir immer mehr Frauen, die Führung übernehmen. In Gris, The Last of Us 2, Hellblade: Senua’s Sacrifice und anderen Spielen treten starke und bestimmende weibliche Hauptfiguren auf. Ihre Anziehungskraft als interessante Figuren überschreitet Gender-Grenzen und herkömmliche Erzählansätze (nach der Maxime: „Rette die Prinzessin“).

Selbst in der erst im Entstehen begriffenen indischen Spieleindustrie finden sich Frauen in Führungspositionen – was vor vielleicht einem Jahrzehnt noch undenkbar war. Shilpa Bhat, Vizepräsidentin von 99 games, Arpita Kapoor, CEO von Mech Mocha und Keerti Singh, Mit-Gründerin von Hitwicket zeigen, wie sich Dinge verändern können und werden.
 

Wissenswert

Poornima Seetharaman, die Lead-Game-Designerin von Zynga, war die erste indische Frau, die 2020 in die European Global Women In Games Hall of Fame aufgenommen wurde. Eine Auszeichnung, die jährlich an Frauen verliehen wird, die Wichtiges in der weltumspannenden Spieleindustrie bewirkt haben.

3. Crunch & Burnout

Die Spielentwicklung erscheint oftmals glamourös und aufregend – und das ist sie auch tatsächlich. Wenn aber Deadlines anstehen, gehen die Spielentwickler*innen in den Crunch-Modus”: mit Arbeitstagen von 15 Stunden (ohne Vergütung der Überstunden), oftmals an Wochenenden, um das neue Produkt für den Markt fertig zu bekommen.
 
Solche Selbstverständlichkeiten hat in der Industrie zu vielen Gesundheitsproblemen, Beziehungskrisen und einer allgemeinen Sinnkrise geführt – bis hin zum „Burnout“, einem Erschöpfungszustand aufgrund von Überarbeitung oder von zu viel Wiederholungen und fehlendem Fortkommen.

Anthem Anthem ist ein Online-Multiplayer-Action-Rollenspiel im Sci-Fi-Stil, das 7 Jahre lang in der Entwicklung war. | © Electronic Arts/ Bioware Dieses Thema wurde auf spektakuläre Weise öffentlich, als der Industriegigant Electronic Arts 2006 verklagt wurde, weil er keine Überstunden bezahlte. 
Vierzehn Jahre später – und das Crunch ist weiter allgegenwärtig. 
BioWare – bekannt für Verkaufserfolge wie Dragon Age, Mass Effect und Anthem – musste erfahren, dass Crunch negative Folgen nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Spiele hat. Angestellte nahmen aufgrund von Stress, Angststörungen, Aggressionen und Depressionen von Ärzten verschriebene Stress-Auszeiten.” Es dauerte Wochen oder sogar Monate, bis wieder genesen waren.

Cyberpunk © CD Projekt Erst unlängst verteidigte Adam Kiciński, CEO von CD Projekt, das Crunch, dem er sein Team bei der Entwicklung und Fertigstellung von dem Spiel Cyberpunk 2077 aussetzte. Die Kritik an der schlechten Performance auf Last-Gen-Konsolen wie PS4 und Xbox-One und dem fehlerhaften Gameplay unterstreicht den Punkt, dass Crunches nicht automatisch zu besseren Produkten führen. Manchmal eher zum Gegenteil.

So wird also das Crunch nicht verschwinden – und wir werden damit weiter zu leben haben?

Nicht unbedingt. Crunch lässt sich nicht immer verhindern, kann aber abgemildert und besser gemanagt werden."

Akshay Bharadwaj, Geschäftsführer von Zynga India, über Zeitvorgaben und Erwartungen: Unbedingt bekämpfen muss man willkürlich gesetzte Zeitvorgaben, die nur dazu dienen, Druck aufzubauen, statt sich an Zeitvorgaben zu orientieren, die tatsächlich von Kunden kommen.
 
Als weiteren interessanten Punkt sprach er an, dass für die Kommunikation untereinander eindeutige Ziele und die dauerende Ergebnisskontrolle wichtig sind, damit alle Beteiligten stets genau wissen, woran sie arbeiten und was das bewegt. Eines der Hilfsmittel dafür ist OKR’s – Objectives and Key Results – ein Werkzeug mit dem man den Fortschritt eines Projekts beobachten, Feinabstimmungen vornehmen und zu mehr Einsatz für die gemeinsamen Ziele aufrufen kann.

 

Glücklicherweise hat die Industrie begonnen, „Crunch" wirklich als eine Krankheit und nicht einfach nur als ein Symptom zu sehen.

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