Was gibt es Neues im polnischen Comic? Die neuesten Trends, Entwicklungen und Tendenzen

Der polnische Comic war über Jahrzehnte hinweg reichlich konservativ und Experimenten gegenüber skeptisch eingestellt. Bestimmte Themen, wie die bewegte polnische Geschichte, wurden seit Jahren immer wieder aufgewärmt. Doch zum Glück kommt in letzter Zeit zunehmend Bewegung in die Szene: Der Autorencomic für Kinder kehrt zurück auf die Bildfläche, immer mehr junge Zeichnerinnen wagen sich in die von Männern dominierte Branche, und eine neue Generation von Künstlern in Gestalt der Gruppe Maszin erweitert die Grenzen der Comicliteratur.
Der historische Comic
In der Zeit der Volksrepublik Polen war der historische Comic eine der wichtigsten Gattungen. Er diente der politischen Propaganda, indem er die Verbundenheit mit dem sowjetischen Brudervolk propagierte und die Taten des „politisch genehmen“ Untergrunds, also der Armia Ludowa, besang (die Verdienste der Polnischen Heimatarmee wurden hingegen erfolgreich verschwiegen). Comicserien wie Podziemny front oder Kapitan Kloss (über die Abenteuer eines polnischen Agenten, der in die Rolle eines deutschen Oberleutnants schlüpft) erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Lesern. Der Comic war somit ein effektives Mittel der Geschichtspolitik, historische Zusammenhänge und Entwicklungen wurden weitestgehend vereinfacht dargestellt. Im demokratischen Polen erlebte der historische Propaganda-Comic – so unglaublich es scheinen mag – eine Renaissance: Lediglich die Perspektive hatte sich verändert, nicht jedoch die Erzählweise und die (realistische) Ästhetik. 2005 erschien zum 25-jährigen Jubiläum der Solidarność der Comic Solidarność – 25 lat: Nadzieja zwykłych ludzi, der eine Flut von vergleichbaren Publikationen nach sich zog: Comics zu Jahrestagen historischer Ereignisse, wie dem Posener Aufstand 1956 und der Arbeitsniederlegungen in der Zeche Wujek im Jahr 1980, sowie Comics zur Stadtgeschichte, die im Auftrag lokaler Behörden entstanden. Bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel: Achtung Zelig! und Marzi) sind diese zeitgenössischen historischen Comics von geringem künstlerischen Wert, in erster Linie dienen sie dem historischen Gedenken und der Reklame. Und auch wenn die Zahl entsprechender Publikationen in den letzten Jahren ein wenig zurückging, ist der Trend doch insgesamt so deutlich, dass man durchaus von einem eigenständigen Phänomen sprechen kann.Comics für Kinder

Der Frauencomic
Die polnische Comicszene war seit jeher eine Männerdomäne. 2012 erschienen zwei Anthologien, die versuchten, die Aufmerksamkeit auf das Schaffen von weiblichen Autoren zu lenken: Polski komiks kobiecy und (in englischer Sprache) Double portrait. Polish female comics. Ihr Verdienst bestand vor allem darin, dass sie zahlreiche unterschiedliche Künstlerinnen und Stile präsentierten – leider enthielten sie neben hervorragenden Arbeiten auch viele amateurhafte und künstlerisch mittelmäßige Werke. Durch die genannten Anthologien könnte möglicherweise der Eindruck entstehen, dass sich in der polnischen Comicszene eine Wachablösung abzeichne. Nichts falscher als das: Es gibt nach wie vor kaum Frauen in der Branche. Die wenigen aktiven Künstlerinnen bringen jedoch äußerst interessante Alben hervor, die wichtige gesellschaftliche Themen aufgreifen. Olga Wróbel zeigte in Ciemna strona księżyca, die dunklen Seiten der Mutterschaft, und Agata Wawryniuk beschrieb in Rozmówki polsko-angielskie die Erfahrungen junger polnischer Arbeitsmigranten wesentlich besser als es zuvor Schriftstellern und Filmemachern gelungen war. Und Autorinnen wie Joanna Karpowicz oder Agnieszka Piksa schaffen eine Verbindung zwischen der Comicszene und der Welt der Kunst. Viele polnischen Autorinnen leben im Ausland – nicht nur Marzena Sowa, sondern auch Agata Bara, Berenika Kołomycka und Maria Rostocka. Auch wenn man kaum von einer weiblichen Revolution in der polnischen Comicszene sprechen kann, hat diese neue Generation von Autorinnen viel frischen Wind in die Branche gebracht, insbesondere in grafischer Hinsicht. Dies ist jedoch nicht der Anzahl weiblicher Autoren geschuldet, sondern allein der Qualität ihrer Arbeiten.Die Supergruppe Maszin
