Schinkel Pavillon Berlin
Kunst im Achteck

Schinkel Pavillon Berlin
Schinkel Pavillon Berlin | Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

Der Schinkel Pavillon in Berlin-Mitte beherbergt Deutschlands vielleicht ungewöhnlichsten Kunstverein. Wo die DDR-Prominenz einst Cocktailpartys feierte, stellen heute Douglas Gordon, Cyprien Gaillard oder Isa Genzken aus.

Das Programm ist nicht der einzige Grund für die Anziehungskraft, die der Schinkel Pavillon seit der ersten Ausstellung 2007 auf Künstler und Publikum ausübt. Eine wichtige Rolle spielen auch die besondere Architektur und Geschichte des Ortes. Der 1969 errichtete Pavillon ist eine extravagante Mischung aus Spätklassizismus und DDR-Moderne: ein achteckiges, rundum verglastes Gebäude, das einen Panoramablick auf die rasanten Veränderungen in Berlins historischer Mitte bietet. Neben Fernsehturm, Berliner Dom und Friedrichswerderscher Kirche drehen sich Baukräne. Eine Attrappe aus Folien wirbt für den Wiederaufbau der 1836 errichteten und im Krieg zerstörten Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel, die als früher Vorbote der Moderne gilt. Neue Luxuswohnungen entstehen, und dort, wo noch vor wenigen Jahren der Palast der Republik zu sehen war, ein Prestigeobjekt der DDR, wird heute das Berliner Stadtschloss samt barocker Fassade wieder aufgebaut.

Kronleuchter im DDR-Design

Der Pavillon steht im Garten des Kronprinzenpalais, das ab 1919 das erste Museum für zeitgenössische Kunst weltweit beherbergte. Die „Galerie der Lebenden“ präsentierte vor allem Werke aus den Ateliers der Expressionisten – bis die Nationalsozialisten die Galerie schlossen und die Bilder vernichteten oder ins Ausland verkauften.

Ende der 1960er-Jahre rekonstruierte der Architekt Richard Paulick das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Palais und ergänzte es mit dem inzwischen denkmalgeschützten Gartenpavillon. Der Ostberliner Magistrat nutzte die gläserne Rotunde bis 1989 für Empfänge, nach der Wende stand das Gebäude leer, bis es für die Kunst entdeckt wurde. Die besondere Atmosphäre des Ortes entsteht durch Ausstattungselemente unterschiedlicher Herkunft. Dazu gehören Kronleuchter im DDR-Design ebenso wie Terrakotta-Reliefs, gerettete Originale aus Schinkels Bauakademie.

Blumengestecke und Bagger-Ballett

Eva Wilson, Direktorin des Schinkel Pavillons, mag das „hybride“ dieser Stätte, die Mischung verschiedener Stile und Epochen. „Der Raum ist nicht eindeutig definiert und hat dadurch eine Offenheit, die spannende Reibungsflächen für ganz verschiedene künstlerische Positionen bietet.“ Cyprien Gaillard zum Beispiel brachte in einer spektakulären Performance drei Bagger in der Baugrube nebenan zum Tanzen. Thomas Hirschhorn schuf mit Höhere Gewalt eine raumgreifende Installation aus Pappe und Klebefolie, die täuschend echt den Einsturz der Decke des Pavillons simulierte. Auch junge, noch nicht so bekannte Künstlerinnen und Künstler finden hier eine Plattform. Die Französin Camille Henrot etwa zeigte filigrane und nicht ganz harmlose Blumengestecke.
 
  • Camille Henrot, Snake Grass, April 2014 – Mai 2014 © Schinkel Pavillion

    Camille Henrot, Snake Grass, April 2014 – Mai 2014

  • Philippe Parreno, How Can We Tell the Dancers from the Dance, Nov 2014 – Febr 2015 © Schinkel Pavillion

    Philippe Parreno, How Can We Tell the Dancers from the Dance, Nov 2014 – Febr 2015

  • Douglas Gordon und Francesco Russo, a mimic, Februar 2015 © Schinkel Pavillion

    Douglas Gordon und Francesco Russo, a mimic, Februar 2015

  • Thomas Hirschhorn, Höhere Gewalt, Installationsansicht, Aug – Sept 2014 © Schinkel Pavillion

    Thomas Hirschhorn, Höhere Gewalt, Installationsansicht, Aug – Sept 2014

  • Schinkel Pavillion Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

    Schinkel Pavillion

  • Schinkel Pavillion Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

    Schinkel Pavillion

  • Schinkel Pavillion Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

    Schinkel Pavillion

  • Schinkel Pavillion Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

    Schinkel Pavillion

  • Schinkel Pavillion Foto (Ausschnitt): © Thorsten Klapsch

    Schinkel Pavillion

„Unser Ausstellungprogramm wird von einem starken internationalen Netzwerk getragen, das auf Freundschaft, gemeinsamer Arbeit und Leidenschaft für die Kunst beruht“, sagt Eva Wilson. Der Schinkel Pavillon soll sich vom Showroom in einen offenen Arbeits- und Produktionsraum verwandeln. Eva Wilson: „Wir möchten nicht einfach fertige Arbeiten in den Pavillon stellen, sondern sie hier vor den Augen und Ohren unserer Besucher entstehen lassen.“

Energiegeladener Ort der Gegenwartskunst

Unabhängig und flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können, sei ein großer Vorteil, so die Direktorin, auch wenn der „Status des Prekären“ immer mitschwinge. Einen langfristigen Mietvertrag vom Bund, dem Eigentümer des Pavillons, gibt es nicht. Die Ausstellungen werden durch Beiträge der Kunstvereinsmitglieder – eine überschaubare Summe – und durch Projektförderungen finanziert. „Unser Ziel ist eine finanzielle Grundsicherung für einen längeren Zeitraum“, so Eva Wilson.

Mit Performances, Installationen, Skulpturen und Medienkunst knüpft der Schinkel Pavillon an die im benachbarten Kronprinzenpalais begründete Tradition der „Galerie der Lebenden“ an. Ob anregend, verblüffend, verstörend oder unterhaltsam, der Schinkel Pavillon ist ein energiegeladener Ort der Gegenwartskunst – und sehr viel mehr als nur eine Plattform für Diskurs und Konzept, wie Eva Wilson sagt. „Der Pavillon ist auch ein Ort der Begegnung, Leute treffen sich, entwickeln Ideen zusammen, tauschen sich aus. Besonders schön ist das im Sommer, wenn wir unsere Terrasse und den Garten nutzen können.“

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