Fotofestivals
Der Amateur im Fokus
Fotofestivals bespielen häufig Orte, die über die Stadt verteilt sind – oft auch kunstferne Plätze, die die Besucher erobern können. Die Festivalatmosphäre regt zum Gespräch an.
Der Künstler Wolfgang Tillmans bedauerte im Vorfeld einer Festival-Vorbereitung die Tatsache, dass sich Fotofestivals und Institutionen, wie beispielsweise die Photographer’s Gallery in London, inzwischen ganz der Kunst verschreiben, statt sich etwa um journalistische Fotografie oder um Natur- oder Tierfotografie zu kümmern. Die Fotografie sei ja viel mehr: „die medizinische Fotografie, die technische Fotografie, der ganze Amateurbereich“. „Da gibt es unglaublich viele Leute, die wir gar nicht erreichen mit unserem Ansatz, die aber trotzdem eine leidenschaftliche Beziehung zur Fotografie haben.“
Sich für den Amateur und für sein Innovationspotenzial zu interessieren, hat Tradition. Man denke an die Piktorialisten der Jahrhundertwende, die sich in Abgrenzung zur professionellen Studiofotografie ausbildeten oder an die Avantgarde der 1920er-Jahre und das Bauhaus. Der Amateur, den Tillmans ernst nehmen möchte, gibt auch heute einige der interessantesten Impulse, wie zum Beispiel durch die Handyfotografie und das Teilen von Bildern in sozialen Netzwerken. Oder das Phänomen des Bürgerjournalismus, des am Geschehen partizipierenden Zeitzeugen, der einen wichtigen historischen Moment begleitet.
Fotos analysieren
Erreicht ein Festival Aufmerksamkeit im Kunstkontext, so verschiebt sich der Fokus vom Fotografieren zu einer Beurteilung von Bildergebnissen. Die Unabhängigkeit von der Fotoindustrie scheint dann als höchstes Gebot zu gelten. So wird etwa im Zusammenhang mit dem Photobook Festival Kassel der Fotobuchmarkt kritisch diskutiert. Denn das kritische Potenzial der Festivals ist durch den Markt in Gefahr, der dem Distinktionsgewinn schadet. Dieser wiederum wird gewinnbringend als Werbefaktor für die Städte eingesetzt, anstatt den Markt der Fotoindustrie zu befeuern.
Alternative Ausstellungsorte
Gegründet wurde das Fotofestival Arles, ebenso wie die ersten Fotofestivals in Deutschland, in einem Klima, in dem Ausstellungsmöglichkeiten für Fotografie noch äußerst rar waren. In deutschen Kunstmuseen etablierte sich das Medium erst im Laufe der 1980er-Jahre: Die Abteilungen für Fotografie in den Kunstmuseen wurden Ende der 1970er-Jahre gegründet, zu jener Zeit als sich auch ein Kunstmarkt entwickelte. Fotofestivals waren also zunächst alternative Orte, an denen Fotografie ausgestellt wurde, die im Museum noch keinen Platz hatte. In einer Kulturlandschaft, in der Fotografie ganz selbstverständlich seinen Platz in den Ausstellungsräumen der Museen gefunden hat, stellt sich heute die Frage nach der Funktion der Festivals.
Spezialfestivals
Interessant sind zudem jene Festivals, die sich stark auf einen Teilbereich der Fotografie spezialisieren, wie das 9. Photobook Festival Kassel, das seit Ende der 1990er-Jahre mit seinen Kleinstauflagen und dem kostengünstigen Selbstpublishing zu einem spannenden, alternativen Ort des Zeigens für Fotografen geworden ist. Ein anderes Beispiel der Spezialisierung ist das Festival Fotodoks, das mit seinem Fokus auf Dokumentarfotografie jeweils im Wechsel ein Land vorstellt.