E-Commerce in China
EIN ONLINE-SHOP FÜR WOHLTÄTIGE ZWECKE

Das Team von imall
©imall

Der von der Campus-Community betriebene Wohltätigkeitsladen imall (益购), ist der erste über Online to Offline-Marketing (O2O) operierende nachbarschaftliche Online-Shop in China. Über eine Internetplattform hat das Team von imall ein karitatives Non-Profit-Netzwerk aufgebaut, das Geld und Sachspenden in Umlauf bringt. 

„E-Commerce“ ist heute längst kein Fremdwort mehr. Der uns vertraute elektronische Handel ist ein komplexes System aus Geldtransaktionen und Lieferketten bis hin zu Werbung und Marketing. Um sich im Online-Geschäft zurecht zu finden, unterscheidet man verschiedene Modelle: etwa „O2O“ (Online to Offline), „B2C“ (Business to Consumer) oder „C2C“ (Consumer to Consumer). Als branchenübergreifendes Projekt nutzt der von einem Studententeam der Beijing Normal University (北京师范大学) ins Leben gerufene gemeinnützige Online-Shop imall das Konzept des „Social-Business“. Dadurch werden einerseits brachliegende Kapazitäten der Hochschule besser genutzt, während gleichzeitig der gemeinnützige Gedanke auf dem Campus gestärkt wird. 

Imall als Campusinitiative

Die Idee für das Projekt hatten ursprünglich einige Studenten der Beijing Normal University, die sich damals im ersten und zweiten Jahr ihres Bachelorstudiums befanden. Im Sinne des Mottos ihrer ursprünglich rein Pädagogischen Universität, „Lerne um ein exzellenter Lehrer zu werden und handle als Vorbild für die Welt“, haben die Studenten der Beijing Normal University generell ein stark ausgeprägtes soziales Bewusstsein. Allerdings gab es ein paar Studenten, die nach neuen und innovativen Wegen suchten, Gutes zu tun, und dazu das Projekt imall ins Leben riefen. Der chinesische Name von „imall“, dessen zwei chinesische Schriftzeichen für „Wohltätigkeit“ (益) und „kaufen“ (购) stehen, ist dabei schon dem Wortsinn nach ein „Wohltätigkeitsladen“. 

In China ist die Universität der ideale Ort, um experimentelle Ideen in die Praxis umzusetzen. Beim Entstehungsprozess von imall wird dabei deutlich, wie das gesellschaftliche Innovationspotential von Studenten genutzt werden kann. Der Studentenorganisation wurde erlaubt Hochschuleinrichtungen kostenlos zu nutzen, wodurch die zwangsläufig entstehenden Platz-, und Kostenprobleme für die Annahme, Reinigung, Instandsetzung, Lagerung und Ausgabe der bei imall eingehenden Sachspenden schnell gelöst waren. Zudem wurden von verschiedenen Campusorganen, nebst anderen Veranstaltungen, auch Wettbewerbe für karitative Innovationen organisiert, um herausragende Projekte finanziell zu unterstützen. Tatsächlich konnte sich imall als zukunftsträchtiges Projekt durch die Teilnahme an Wettbewerben beträchtliche finanzielle Mittel sichern. Gleichzeitig war es für imall als studentisches Projekt nicht schwierig, das Interesse der Kommilitonen zu wecken. Da die Kunden von imall allesamt Studenten der Beijing Normal University sind, bleibt man unter sich, so dass zwischen Käufern und Verkäufern von vornherein eine gute Vertrauensbasis besteht. Die „Weiße Taube“ (白鸽) schließlich, das Servicezentrum des ehrenamtlichen Jugendvereins der Beijing Normal University, wurde zu einer „Brutstätte“ für imall, die das Team mit immer neuem Nachwuchs versorgte.

Die Einnahmen der Plattform sind offen einsehbar und transparent und werden wöchentlich auf der Website veröffentlicht. Das Projekt wird von der China Youth Development Foundation (中国青少年发展基金会), der in Shenzhen ansässigen One Foundation (壹基金) sowie dem Bildungsfonds der Beijing Normal University (北师大教育基金会) unterstützt. Dafür gibt imall auch etwas zurück, in dem es seinerseits zu verschiedenen Campus-Projekten beiträgt: etwa zum Fahrrad-Sharing, zu einem Regenschirm-Hilfsprojekt, bei dem man sich bei schlechtem Wetter auf dem Campus kostenlos einen Schirm ausleihen kann, zu einem umweltverträglichen Kurierservice, zur Unterstützung von Kunstprojekten sowie einer Postkarten-Sammelbörse. 

Ein Gegenseitiges Geben und Nehmen

Im Mai 2003 nahm der erste chinesische Charity-Supermarkt, der zur Unterstützung sozial schwacher Schichten Second-Hand-Spenden aus der Bevölkerung annahm und verkaufte, in Shanghais Zhenning-Straße (镇宁路) seinen Betrieb auf. Inzwischen gibt es in China über neuntausend Wohltätigkeitsläden. Allerdings werden diese Institutionen in der Regel von Behörden der Zivilverwaltung gegründet und verwaltet - und nicht immer laufen sie gut. Seit 2013 begann man sich im Ministerium für Zivilangelegenheiten für ziviles Engagement zu öffnen. Ab da gab es von Privatseite die ersten vorsichtigen Versuche. Manch einer sah das Gewinnstreben der Unternehmen im direkten Widerspruch zur karitativen Tätigkeit. Doch auch im Ausland greifen auf Spendengrundlage basierende Charity-Shops auf die Verwaltung und das Management betrieblicher Ketten zurück, um prekären Bevölkerungsgruppen mehr materielle Unterstützung und ehrenamtlichen Service zukommen zu lassen. Für derartige Organisationen, die im Sinne des Gemeinwohls Gebrauchtwaren in Umlauf bringen, findet man in England, den USA und Kanada bereits relativ ausgereifte und verbreitete Erfolgsbeispiele. 

Die Website von imall (www.imall365.org) ist jedoch nicht nur ein Forum, über das ausgemusterte Dinge weitergegeben werden, sondern vielmehr eine von Studenten, Helferkreisen und Verbrauchern gemeinsam errichtete digitale Handelsplattform, welche ehrenamtliche Dienstleistung, karitatives Engagement und den Kreislauf von Gebrauchtwaren in sich vereint. Drei Elemente, die auf der Website von imall optimal zusammenspielen. 

So lassen sich über die Website die neuesten Entwicklungen der von imall unterstützten gemeinnützigen Projekte verfolgen. Zudem kann man sich auch direkt in den Freiwilligendienst der präsentierten Wohltätigkeitsangebote einbringen. Imall ist nicht nur ein Charity-Kaufhaus, sondern auch eine Werbeplattform für alle möglichen Wohlstätigkeitsangebote. Darüber hinaus wirkt imall auch als Inkubator für neue karitative Projekte: Alle Second-Hand-Waren werden, nachdem sie gesammelt und wieder in Stand gesetzt wurden, bei imall eingestellt und zu einem günstigen Preis für einen guten Zweck verkauft. Sämtliche Einnahmen fließen dabei in einen Wohltätigkeitsfonds, wobei die Spender der Waren auch das Recht haben neue gemeinnützige Projekte vorzuschlagen. Sobald ein Projekt von einer aus Studenten und Experten zusammengesetzten Jury genehmigt wurde, hat es Aussicht auf finanzielle Unterstützung. Man hilft und unterstützt sich gegenseitig. Durch dieses Geben und Nehmen ist ein wirklich interaktiver Wohlstätigkeitszirkel entstanden. 

Eine wertvolle Plattform

Der Wert von imall liegt vor allem auch in dem wertsteigernden Mechanismus der Plattform. Bei den Sachspenden schöpft man zunächst deren Wiederverwertungspotenzial aus und etabliert eine Art Nachbarschaftsfonds. Der Käufer muss sich um die Details der Abwicklung keinerlei Gedanken machen, denn als webbasierte Serviceplattform obliegt dem Team von imall die gesamte Abwicklung. Die Annahme der Sachspenden wird streng kontrolliert, es werden qualitativ hochwertige Waren gesammelt und werden diese verkauft, kommt dem Verkäufer automatisch eine Vergütung zu. Die Anbieter auf der Website müssen zu keiner Zeit mit den Käufern kommunizieren, wodurch sich der Aufwand reduziert.

Zudem weckt das Mitwirken bei imall den Gemeinsinn der Studenten. So können sie sich in alle Prozesse als Freiwillige einbringen: Angefangen beim Kontakt zu Spendern und Verkäufern, über die Annahme, das Reparieren, Fotografieren und Einstellen der Produkte, bis hin zum Kontakt mit den Käufern und das Ausliefern der Waren. Aufgrund des großen freiwilligen Engagements und der guten Logistik funktionieren die Annahme und Auslieferung der Waren im Umfeld des Campus pünktlich und zuverlässig. 

Wenn über imall Kapital und Güter in einen gemeinnützigen Umlauf gebracht werden, geht es jedoch nicht allein um die Wiederverwendung von Sachen aus zweiter Hand. Vielen „Normalsterblichen“ erscheint das ehrenamtliche Engagement und der Dienst am Menschen als etwas, was gar nicht so leicht in die Tat umzusetzen ist. Das gilt erst recht für Studenten, für die das Ehrenamt nicht die Hauptbeschäftigung sein kann. So wird bei imall der gesamte logistische Prozess in kleine philantropische Einzelaktionen aufgesplittet. Zum einen wird so die Last auf viele Schultern verteilt, vor allem aber entwickelt sich auf diese Weise bei den Studenten ein Bewusstsein für karitatives Engagement. 

Jeder einzelne zählt

Teammitglied Chai Zilin (柴子琳) berichtet, dass sie zu Beginn des Projekts viele Vorbilder studiert hätten. Für die Umsetzung des Projekts nahm man im Großen Anleihen bei Initiativen wie den amerikanischen Goodwill Industries oder dem Pekinger JD.com (京东公益), im Kleinen bei den lokalen Paket-Annahmestellen. Für Chai Zilin unterscheiden sich die Helfer von imall nicht groß von anderen chinesischen Studenten. Es gibt unter ihnen Leute wie überall: Eine Handvoll schlagfertige Aktivisten, einige im Hintergrund wirkende fleißige Ameisen, ein paar Techniker, die für den Aufbau der Website, die grafische Gestaltung und die Videos verantwortlich sind und ein paar Genies, die ab und an ein paar neue Ideen beitragen. Jeder Einzelne von ihnen ist unverzichtbar, genauso wie es auf jeden einzelnen Schritt des Projekts ankommt. 

Den so bescheiden auftretenden Studenten gelingt es jedoch, durch ihre vielen kleinen Beiträge ihre Idee Tag für Tag in die Realität umzusetzen. Hinter jedem einzelnen Foto, ja sogar hinter der Registrierungsinformation einer Ware steht der selbstlose Einsatz eines Helfers. Genau wie das imall-Team an sich ist auch der imall-Shop mehr als die Summe seiner Teile. 

Würde man noch einmal von vorne anfangen, so Chai Zilin, würde man den Kontakt zu den anderen Studentenorganisationen auf dem Campus sowie zu den Hochschulorganen vertiefen, mehr in Werbung investieren und den Bekanntheitsgrad erhöhen. Was man aber vor allem erhöhen wolle sei die „Tatkraft“ des Teams. Dabei erfährt das Team auch extern viel Unterstützung. Beispielsweise durch das der One Foundation unterstehende I-Can-Laboratory (我能实验室), das Wohltätigkeitsprojekte unterstützt, die von klassischen Finanzierungsquellen abgeschnitten sind. Man kann lange über den gemeinnützigen Gedanken, innovative Ideen und Hilfsbereitschaft sinnieren, was letztlich am meisten zählt, ist einfach, dass man aktiv wird. 
 

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