Kurzwellenfunk
Verbunden mit der Welt

Verbunden mit der Welt
Verbunden mit der Welt | © Darya Jum / Unsplash

Nerdiges Hobby oder globaler Kulturaustausch? Der Kurzwellenfunk und die Szene der Amateurfunker*innen sind sehr lebendig, nicht zuletzt durch den Ukrainekrieg. 

Von Jürgen Moises

Ein paar Klicks, ein paar Mal auf die Tasten oder auf den Bildschirm drücken, und schon geht es per Internet raus in die Welt. Mit dem Handy kann man das inzwischen nahezu überall machen, kann recherchieren, Musik hören, kommunizieren. Aber was haben die Menschen vor dem Internet gemacht? Auch da konnte man schon Musik und Stimmen aus der ganzen Welt hören, aus Amerika, Südafrika, Indien oder der Sowjetunion. Man konnte sich über die politische Lage in den Ländern informieren und sogar mit den Menschen vor Ort sprechen. Das passierte mithilfe der Kurzwelle: Zum Anhören und Informieren genügte ein einfaches Radio oder ein Weltempfänger, zum Kommunizieren brauchte es ein Funkgerät, eine Antenne und ein Stück Draht. Und wenn es legal sein sollte, dazu noch eine offizielle Funklizenz.

Vor dem Netz war der Funk

Kurzwellen-Funk, Kurzwellen-Radio – das gibt es seit mehr als 100 Jahren. Sie haben eine lange, spannende Geschichte, und sie existieren heute noch, wenn auch in geringerem Umfang. Der wesentliche Grund dafür ist in der Tat das Internet, wie man von Rainer Englert erfährt: Der Sechzigjährige ist Vorstandsmitglied des Deutschen Amateur-Radio-Clubs, kurz DARC und seit mehr als 40 Jahren Amateurfunker. „In der Zeit vor dem Internet“, erzählt der in der Nähe von Ebersberg bei München lebende Englert am Telefon, „so Anfang der Neunzigerjahre, da war eigentlich die einzige Informationsquelle, die man aus dem Ausland hatte, Kurzwellen-Rundfunk. Da gab es Sendungen wie Radio Moskau, Radio Afghanistan oder Radio Bukarest. Ich glaube, es gab mehr als 100 Sender. Und mit Aufkommen des Internets sind die natürlich mehr oder weniger alle verschwunden.“

Auch an der Zahl der Funklizenzen und DARC-Mitglieder lasse sich diese Entwicklung ablesen. Im Jahr 1995 hatten etwa 80.000 Menschen in Deutschland eine Lizenz, so Englert. In der Geschichte des Amateurfunks sei das auch das Maximum gewesen, seitdem gehe die Zahl zwar nicht dramatisch, aber konstant zurück. Aktuell sei man etwa bei 65.000 Funker*innen mit Lizenz, von denen rund 35.000 Mitglied beim DARC sind, dem größten deutschen Amateurfunk-Verein. Und seine Prognose ist, dass es „in 20 Jahren vielleicht noch halb so viele“ sein werden.

Gegründet wurde der DARC bereits 1950, die Zahl der Amateurfunker*innen lag da bei etwa 6.000. „Es gab noch eine Vorgänger-Institution, den DASD, den Deutschen Amateur-Sende-Dienst, der wurde 1926 gegründet. Und der erste Funk-Club in unserem Sinne war der Radioverein Coburg.“ Dieser entstand 1920, also noch vor dem staatlichen Rundfunk, dessen erste Sendung am 29. Oktober 1923 vom Berliner Vox-Haus in den Äther ging.

Für die Rundfunk-Amateure war das kein so guter Tag. Denn durch das Auftreten der staatlichen Akteure wurde der Rundfunk monopolisiert. Die Frequenzen für den Amateurfunk wurden reduziert, Lizenzpflichten eingeführt und „der Amateurfunk wurde auf eine Rolle degradiert, wo es um Wissenschaft, Technik und Bildung geht“, berichtet Englert. Im deutschen Amateurfunkgesetz steht seit 1949 auch ganz offiziell, dass der Amateurfunk keine politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Ziele verfolgen darf. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Amateurfunk von den Nationalsozialisten verboten. Davor war der DASD interessanterweise aber „der einzige Verein, der nicht von den Nazis verboten“ wurde, so Englert. Weil man gemerkt habe, „dass das Know-how der Funker kriegswichtig sein kann.“

Marconi, der Zuckerberg seiner Zeit

Das sei auch der Grund, warum es in der DDR Funkamateur*innen gab – weil sie auch da als „wichtig für das Militär“ galten. Trotzdem unterwarf man sie strengen Regelungen, wie es sie auch bei den Nationalsozialisten und davor schon zu den Anfängen des Staatsfunks gab. Dabei hätte es den Staatsfunk ohne die Amateur*innen nie gegeben, ohne die Bastler*innen und Experimentator*innen. Die entscheidende Rolle spielte der italienische Radio- und Amateurfunk-Pionier und Unternehmer Guglielmo Marconi, der 1909 für seine praktischen Arbeiten im Bereich der Funktelegrafie gemeinsam mit Ferdinand Braun den Nobelpreis für Physik bekam. Im Gegensatz zu Braun ist der 1874 geborene und 1937 gestorbene Marconi außerhalb der Funkerszene weitgehend vergessen. Dabei war er, so Englert, auch ein „sehr cleverer Unternehmer“ und damals „einer der reichsten Menschen der Welt. Das war so der Elon Musk oder Mark Zuckerberg seiner Zeit.“

Marconis zentrale Erkenntnis? Dass man Funkwellen benutzen kann, um damit auf drahtlosem Weg Nachrichten zu übertragen. „Marconi gelang es im Jahr 1900 das erste Mal, den Atlantik zu überbrücken, mit Kurzwelle, von England aus. Damit war die drahtlose Telegrafie geboren.“ Etwa zur gleichen Zeit ließ der Italiener Funkgeräte bauen, „die sich massenhaft verbreiteten. Er hat die Erfindung zu viel Geld gemacht. Und das war wirklich so etwas wie das Internet damals. Ein Hype. Eine komplett neue Technik. Und es hat nur wenige Jahre gedauert, dann hat man überall telegrafiert.“ Ihren ersten konkreten Einsatz fanden Marconis Ideen dann beim Militär. „Um das Jahr 1910 hatten die meisten Schiffe schon Marconi-Funkstationen“, so Englert. Den Funker konnte man als Dienstleistung dazu buchen. „Auch der Funker auf der Titanic war Angestellter von Marconi.“

Kurzwelle funktioniert immer

Bei der Marine, beim Militär, im Krieg spielt die Kurzwelle noch immer eine wichtige Rolle. „Weil sie keine Infrastruktur benötigt. Sie funktioniert immer. Ohne Internet. Ohne Umsetzer. Ohne Strom. Ich brauche ein paar Batterien, stecke sie in einen Empfänger und es geht los.“ Im Gegensatz zum Internet kann man die Kurzwelle auch nicht zensieren, nicht abschalten, nicht nachverfolgen. Weshalb sie neben der Spionage auch beim Katastrophenschutz und der Krisenkommunikation sehr wichtig ist. Und angesichts des Ukraine-Kriegs erlebt die Kurzwelle derzeit auch ein kleines Revival. So hat, erzählt Englert, der Österreichische Rundfunk (ORF) „eine Kurzwelle reaktiviert. Auch in der Ukraine wurden Kurzwellen reaktiviert. Ganz einfach, weil viele Sender zerstört wurden. Und die Kurzwelle hat den ganz großen Vorteil: Sie ist weltweit, sie hat eine Reichweite von ein paar Tausend Kilometer.“ Im Gegensatz dazu schafft die klanglich bessere, in den 1950er-Jahren eingeführte Ultrakurzwelle (UKW) nur rund 100 Kilometer.

Rainer Englert funkt heute mit beidem, je nach gewünschter Distanz. Und er leitet seit 2015 mit Radio DARC ein Technik-Magazin, das einmal wöchentlich auf Kurzwelle sendet. Dafür haben sie mit dem Verein einen eigenen Radio-Sender gebaut. Um dem „Verschwinden“ der Kurzwelle etwas „entgegenzusetzen“. Ansonsten habe er in seiner „Funkbude“ keine Röhren oder Transistoren wie früher, aber dafür „mehrere Computer, die alles steuern: Antennen, Rotoren, digitale Signalverarbeitung. Das ist heute alles computerisiert.“ Dadurch seien auch die „Leute, die das interessiert, andere geworden. Das sind mehr Technik-Freaks. Das gehört zur Maker-Szene.“ Früher ging es ihm dagegen eher um den Kontakt zu fernen Welten. Die „Erfindung der Funktechnik“, ist sich Englert jedenfalls sicher, „wird nicht mehr verschwinden aus unserem Leben. Die ist gekommen, um zu bleiben.“

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