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Serienboom auf der Berlinale?

Ondes de choc – Journal de ma tête | Shock Waves – Diary of My Mind
Ondes de choc – Journal de ma tête | Shock Waves – Diary of My Mind | Filmstill: Jeanne Lapoirie © Bande à part Films

Merkt man den Serienboom der vergangenen Jahre auch auf der Berlinale – etwa bei der Themenwahl oder der Darstellung? Unsere Berlinale Blogger antworten.

Philipp Bühler
Philipp Bühler – Deutschland: Vor acht Jahren lieferte Dominik Grafs Krimiserie Im Angesicht des Verbrechens das Highlight der Berlinale. Im Fernsehen wollte sie dann niemand sehen. So könnte es dieses Jahr auch der Arte-Koproduktion Ondes de choc ergehen, dabei boten die Schauspielleistungen von Kacey Mottet Klein und Fanny Ardant hier wirklich großes Kino. Es sollte aber beim Experiment bleiben. Bitte keinen Boom!


Camila Gonzatto
Camila Gonzatto – Brasilien:
 Der Boom der Serien macht sich vor allem im European Film Market bemerkbar, der seit 2015 auf CoPro-Serien setzt. In Filmen ist die Sprache der Serien noch nicht so offensichtlich, von Ausnahmen abgesehen, wie etwa Isle of Dogs von Wes Anderson, mit seiner Episodenstruktur. Zu beobachten ist in den vergangenen  Jahren auch, wie andere Sprachen, etwa die der Games, Einzug in den Film halten, was Mischformen der Erzählung hervorbringt.
 

Ahmed Shawky
Ahmed Shawky – Ägypten:
 Der Trend, der die Filmlandschaft derzeit am meisten verändert, ist das Angebot der neuen Streamingdienste wie Netflix und Co. Die neuen Dynamiken, die diese Medien ausgelöst haben, haben die Qualität der produzierten Serien deutlich verbessert und auch viele große Namen des Filmgeschäfts dazu gebracht, TV-Serien zu drehen. Durch diesen Prozess ist die Branche gerade merklich im Umbruch, so dass auf der Berlinale kein Weg an Serien vorbeiführt.

Sarah Ward
Sarah Ward – Australien:
 Die Diskussion darüber, ob das Fernsehen eine Bedrohung für den Film darstellt, ist schon lange überflüssig. In beiden Medien gibt es genug Raum für neue, spannende und innovative Geschichten und sie können somit friedlich nebeneinander existieren oder sich sogar zu einer einzigartigen neuen Form verbinden, wie etwa bei Twin Peaks – The Return. Die zunehmende Anerkennung des Fernsehens auf der Berlinale ist ein Sinnbild für diese synergetische Beziehung, wenn auch im Bereich australische Filme in diesem Jahr eher Fernsehproduktionen als Kinofilme auf dem Spielplan stehen, etwa die TV-Serie Picnic At Hanging Rock (ein Remake des gleichnamigen Films; dt. Picknick am Valentinstag), Romper Stomper sowie die neue Serie Safe Harbour.

Yun-Hua-Chen
Yun-hua Chen – China:
 „Ja, viele renommierte Regisseure haben auch schon TV-Serien gemacht, angefangen von den Coen-Brüdern (The Ballad Of Buster Scruggs) bis zu Michael Haneke (Kelvin‘s Book). Wir haben es momentan aber weniger mit einem gnadenlosen Wettkampf zwischen TV und Film zu tun; vielmehr geht es darum, dass die Grenze zwischen beiden Bereichen immer mehr verschwindet. Egal, ob in Berlin, L.A. oder Peking, der Austausch zwischen TV und Film in den Bereichen Besetzung, Crew, Finanzierung und Publikum schreitet ständig voran. Das muss uns nicht unbedingt beunruhigen, aber es stellt uns dennoch vor eine Herausforderung: Wir müssen auf die Frage „Was ist ein Film?“ neue Antworten finden.“

Gerasimos Bekas
Gerasimos Bekas – Griechenland:
Das Interessante am Serien-Boom ist, der daraus entstehende Wissenstransfer vom Kino in die kleineren Produktionen. Einige der Filmemacher mit denen ich ins Gespräch gekommen bin, arbeiten bereits nebenbei an Serienformaten. Das macht sich nicht so sehr in der Themenauswahl bemerkbar, sondern eher im Verschmelzen der Formate und Herangehensweisen.

Jutta Brendenmühl
Jutta Brendemühl – Kanada:
Bei TIFF heißt es Primetime, bei der Berlinale läuft es nun unter Berlinale Series: Die bahnbrechende Institution läuft nun bereits im 4. Jahr. Der kanadische Produzent Damon D'Oliveira (Book Of Negroes) ist als einer von Kanadas zehn erfolgreichsten Produzenten wieder beim Berlinale Market dabei und ist dort vor allem bei den EFM Drama Series Days aktiv. Befragt nach den neuesten Trends verrät D’Oliveira: „Kaum jemand will noch düstere Geschichten sehen, in der tote, verstümmelte Frauen detailliert untersucht werden. Allerdings scheint die Ära Trump einen Trend zu Dystopien wie Der Report der Magd (The Handmaid’s Tale) heraufzubeschwören. Außerdem sind gut gemachte Serien um Familien und Paarbeziehungen derzeit sehr gefragt.“

Grace Barber-Plentie © Foto: © privat Grace Barber-Plentie Foto: © privat
Grace Barber-Plentie – Großbritannien: Es gibt wirklich viele TV-Serien im Programm der Berlinale, allerdings habe ich noch keine davon gesehen. Ich glaube auch nicht, dass der TV-Boom schon richtig bei der Berlinale angekommen ist. Allerdings darf man sehr gespannt sein, welche Filme im Anschluss an das Festival bei Netflix gezeigt werden, da die Grenze zwischen Film und Fernsehen zunehmend verschwimmt.
 

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