Deutschen Fernsehproduktionen haftet traditionell ein schlechter Ruf an – schlechte Drehbücher, billige Produktionen und untauglich für den internationalen Export. Doch Serienformate wie „Deutschland 83“ und „Babylon Berlin“ haben das miese Image nun ordentlich aufpoliert.
Von Nadine Berghausen
Welch ein Setting! Die goldenen Zwanziger Jahre bilden den zeitlichen Rahmen für ein einzigartiges TV-Projekt der deutschen Filmproduktionsgeschichte: Die Kriminalserie Babylon Berlin, zunächst mit 16 Folgen in zwei Staffeln produziert, wurde im Herbst 2017 erstmals im Pay-TV ausgestrahlt; seit Ende 2018 läuft sie auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Erwartungen an das Megaprojekt, das mit dem Who-is-Who der deutschen Schauspielerriege und dem renommierten Regisseur Tom Tykwer aufwartete, waren enorm. Kaum verwunderlich bei einem Budget von 40 Millionen Euro, das durch Nachdrehs sogar auf 55 Millionen Euro gestiegen sein soll.
Auch mit der Serie Das Boot erzielten die Produzenten im Ausland großen Erfolg – und zwar schon vor dessen Erstausstrahlung in Deutschland im Jahr 2018. In mehr als 100 Ländern wurde die Serie verkauft. Ein Grund dafür könnte auch in dessen Vorgeschichte liegen: Die Serie baut auf dem gleichnamigen, Oscar-nominierten und somit international bekannten Kinofilm aus dem Jahr 1981 auf.
Zwar schafften es auch andere deutsche Serienproduktionen auf den internationalen Markt, darunter auch Ku’damm ’56 (2016) und Charité (2017), oder zuvor Weißensee und Unsere Mütter, unsere Väter, allerdings nur mit mäßiger Reichweite. Tatsächlich konnte erst Babylon Berlin wieder an den Erfolg von Deutschland 83 anknüpfen. Doch auch wenn der große Wurf des internationalen Exports rar bleibt – die deutschen Zuschauer bleiben ihren Vorlieben treu. Und so dürften sie sich wieder zu Millionen vor dem Fernseher versammeln, wenn im Februar 2019 die zweite Staffel der Charité startet und erst recht, wenn Babylon Berlin im Herbst 2019 mit der 3. Staffel aufwarten wird.
Weissensee Weissensee ist eine Serie über den Niedergang der DDR und über zwei Familien in Ost-Berlin, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Während eine Familie stramm regimetreu für die Stasi arbeitet, zählt sich die andere zum kritischen Milieu. Es geht um Liebesbeziehungen zwischen den zwei Angehörigen zweier grundverschiedener Familien, Verrat, Gier, Kampf und Macht. DochWeissensee ist auch Politthriller, bei dem die deutsche Geschichte vor, während und nach der Wiedervereinigung eine wichtige Rolle spielt.
Das Boot Leiden Sie unter Platzangst? Dann löst diese Serie unter Umständen Beklemmungen aus. Die Serie Das Boot, die von den Geschehnissen an Bord des deutschen Kriegsmarine U-Boots U 612 im Jahr 1942 erzählt, lässt die Zuschauer die klaustrophobische Atmosphäre an Bord spüren. Beklemmung kann man auch bekommen, wenn man die Höhe des Budgets hört: 26,5 Millionen Euro kostete die Fortsetzung des Kinofilms aus dem Jahr 1981 von Wolfgang Petersen als Serie 2018. Damit ist Das Boot pro Folge noch teurer als die Mammut-Produktion des Pay-TV-Senders Sky, Babylon Berlin.
Charité Es sind harte Bedingungen, unter denen Ärzte, Pfleger und Forscher Ende des 19. Jahrhunderts am Berliner Krankenhaus Charité arbeiten. Einfache Infektionen enden tödlich und die Hälfte der Neugeborenen überlebt nicht. Im Drei-Kaiser-Jahr 1888 werden an der Charité Krankheiten wie Syphilis, Diphterie und Tuberkulose bekämpft. Erzählt wird atmosphärisch dicht, und der Vorstand der heutigen Charité zeigte sich von der historischen Genauigkeit begeistert, mit der Regisseur Sönke Wortmann von Medizinern wie Rudolf Virchow oder Robert Koch erzählt, die damals Medizingeschichte geschrieben haben.
Deutschland ’83 / ’86 Wie Weissensee erzählt auch Deutschland ’83 von deutsch-deutscher Geschichte. Doch steht hier Spannung im Fokus: Es geht um Spionage, den Kalten Krieg und den möglichen Ausbruch eines Dritten Weltkriegs. Der Zuschauer bekommt in Deutschland ’83 ein Schachspiel der Weltmächte zu sehen. Inzwischen gibt es auch eine Fortsetzung: Deutschland ’86. Hier stellen die Produzenten die komplexe Frage: Ist der Kommunismus mithilfe der Praktiken des Kapitalismus noch zu retten?
Ku’damm ’56/ ’59 Auch bei dieser Serie entschieden sich die Produzenten für einen recht schlichten Titel: Ku’damm ’56 und ’59. Streng genommen handelt es sich hierbei eher um einen mehrteiligen Fernsehfilm, bei dem es um Emanzipation in den 1950er-Jahren geht. Wie es um die deutsche Gesellschaft in der Nachkriegszeit und während des Wirtschaftswunders bestellt war, wird am Beispiel der familienbetriebenen Tanzschule Galant am Ku’damm dargestellt, in der die Gäste die Grenzen der Prüderie ausloteten und ihre Sexualität auslebten.