Der Vierteiler „Unorthodox“ (Netflix) erzählt nicht nur die aufwühlende Fluchtgeschichte einer jungen Frau von New York nach Berlin. Die von Serienfans und Kritik gleichermaßen gefeierte Reihe der „Deutschland 83“-Macherinnen erlaubt zudem einen faszinierenden Einblick in die abgeschottete Parallelwelt einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde.
Von Angela Zierow
Gott hat zu viel von mir erwartet. Nun muss ich meinen eigenen Weg finden.
"Esty" in Unorthodox
In zwei nüchternen Sätzen bringt die 19-jährige Esther Shapiro (Shira Haas), genannt Esty, auf den Punkt, warum sie „gegangen ist, ohne jemandem etwas davon zu sagen“. Eine bemerkenswert nüchterne Beschreibung für die waghalsige Flucht, die hinter der jungen Frau liegt und die die ultraorthodoxe Jüdin aus dem New Yorker Stadtteil Williamsburg in Berlin stranden ließ: Während sich ihre chassidische Familie zum freitäglichen Sabbat-Mahl versammelt hatte, war Esty nur dem, was sie am Leib trug, Richtung JFK getürmt - raus aus einer abgeschotteten Welt, die ihr zum Gefängnis geworden war, deren Konventionen, Moralvorstellungen und patriarchalische Regeln ihr den Atmen abgeschnürt hatten. Raus aus einer freudlosen arrangierten Ehe mit dem herzensguten, aber unter der Fuchtel seiner herrischen Mutter stehenden Yanky und hinein in ein fremdes, aber selbstbestimmtes Leben. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Sie ist schwanger.
Mit der Mini-Serie „Unorthodox“ wagt sich Netflix an ein ebenso komplexes wie brisantes Thema. Das Drama basiert auf dem autobiographischen Bestseller „Unorthodox: The Scandalous Rejection of My Hasidic Roots“ (Simon and Schuster, 2012, deutsch im Secession Verlag), in dem die gebürtige New Yorkerin Deborah Feldman ihren Bruch mit der chassidischen Satmar-Gemeinde in Brooklyn beschreibt. Feldman, Jahrgang 1986, hatte ihrer ultraorthodoxen jüdischen Familie kurz nach ihrem 23. Geburtstag den Rücken gekehrt, um ihrem kleinen Sohn ein eigenständiges Leben zu ermöglichen. Beide leben heute in Berlin.
Dass „Unorthodox“ von der ersten Szene an mitreißt, liegt nicht zuletzt an der herausragenden Shira Haas („Nobel Savage“). Haas, in ihrer Heimat Israel ein Kino- und Serienstar, bezeichnet Esty als „die wohl komplexeste Figur, die ich je gespielt habe“. Ebenfalls herzzerreißend: Haas’ israelischer Kollege Amit Rahav als Estys mit sich hadernder Ehemann Yanky. Dass der israelisch-deutsche Schauspieler Jeff Wilbusch als Yankys zwischen Glauben und seinen Süchten aufgeriebener Cousin Moische an die Nieren geht, mag auch an der Vergangenheit liegen, die Wildbusch mit „Unorthodox“ verbindet. Der Schauspieler, in Deutschland aus dem Serienhit „Bad Banks“ bekannt, wuchs in Mea Shearim (Jerusalem) in einer ultraorthodoxen Haredi-Gemeinde auf, die er im Alter von dreizehn Jahren Richtung Amsterdam verließ.
Netflix Original „Unorthodox“; 4 Episoden @ 53 – 55 Minuten.
Die vierteilige deutsche Original Miniserie, geschrieben von Anna Winger und Alexa Karolinski, ist inspiriert von Deborah Feldmans gleichnamigen Bestseller.
Die Regie wurde von Maria Schrader übernommen. Shira Haas, Jeff Wilbusch und Amit Rahav besetzen die Hauptrollen.
Unorthodox wurde in jiddischer und englischer Sprache gedreht und läuft seit März 2020 exklusiv und weltweit auf Netflix.