Für gleichgeschlechtliche Ehen
Legalize it!

Kampf für gleichgeschlechtliche Ehen
Foto (Ausschnitt) © Alex Alí Méndez Díaz

Von Alex Alí Méndez Díaz

Die Forderung, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, ist weltweit zu einem der Hauptziele der LGBT-Bewegung geworden. In jedem Land hat dieses Ziel unterschiedliche Wege durchlaufen. Mexiko ist keine Ausnahme mit dem Problem, dass aufgrund der föderalistischen Struktur des Landes 33 geltende Gesetze geändert werden müssen.
 
Im Verein México Igualitario, der wichtigsten mit dem Thema befassten und Prozesse führenden Organisation in Mexiko, setzen wir nicht bei einer romantischen Vorstellung von der Ehe an, sondern bei der Forderung nach Gleichberechtigung, denn wir halten es nicht für legitim, dass der Staat aufgrund der sexuellen Orientierung der Menschen den Zugang zu bestimmten Rechten einschränkt.

Forderung, Unterschiede zu respektieren

Der Ausgangspunkt des Diskurses ist nicht so sehr die Liebe (wenn sie auch nicht ausgeschlossen wird), sondern eher die Forderung, Unterschiede zu respektieren, wobei der normative Rahmen als Mittel angesehen wird, um die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen und nicht als Gussform, die misst, wer den Schutz des Staates verdient hat.
 
Daher schlagen wir seitens México Igualitario vor, das Funktionieren des Staates aus einer anderen Sichtweise heraus zu beurteilen. Vor allem geht es darum, welche Rolle er im Hinblick auf die Menschenrechte seiner Bürgerinnen und Bürger spielt.
 

Im Zuge eines langen historischen und politischen Prozesses war in Mexiko die Forderung nach Menschenrechten lange Zeit mit der Nähe zum parteipolitischen Machtapparat verbunden. Es war unmöglich, an irgendeinen Fortschritt in der Agenda der Menschenrechte zu denken, wenn man nicht in der Gunst der machthabenden Behörden stand.

Dieses Panorama wird noch komplizierter, wenn es um wahltechnisch wenig attraktive Forderungen wie die gleichgeschlechtliche Ehe geht. In Mexiko wurde die erste Reform im Jahr 2009 in der Landeshauptstadt möglich, erst nach über drei Jahrzehnten kontinuierlicher Stärkung der LGBT-Bewegung.
 
So haben die Basis und politische Allianzen eine Gesetzesänderung erster Stufe auf dem amerikanischen Kontinent ermöglicht. Leider ist Mexiko-Stadt aber nur ein Teil eines riesigen Gebiets, in dem verschiedene politische und gesellschaftliche Bedingungen vorherrschen, die ein Vorankommen bei der Anerkennung der Rechte der LGBT-Bevölkerung bremsen.
 
Nach der Reform in Mexiko-Stadt erlosch der fortschrittliche Geist, und in keinem anderen Gliedstaat wurde eine ähnliche Reform vorgeschlagen, da man weder über das politische noch über das gesellschaftliche Kapital verfügte, um sie voranzutreiben.

Eine neue Art von Bürgersinn begründen

Unter diesen Umständen war dieser kurzlebige, auf einer jahrzehntelangen gesellschaftlichen und politischen Arbeit beruhende Impuls in der Landeshauptstadt nicht dazu bestimmt, der Weg zu sein, um die Agenda der LGBT-Rechte in Mexiko zu positionieren.
 
So zwangen die territorialen, gesellschaftlichen und politischen Umstände die lokalen Bewegungen dazu, neue Strategien zu gestalten, um mit der Anerkennung unserer Rechte voranzukommen. Da die Türen der gesetzgeberischen Organe geschlossen waren und auch seitens der Gouverneure kein Wille bestand, richtete man seinen Blick auf die Richterinnen und Richter, die über die Einhaltung der Verfassung wachten.
 
So kam es, dass México Igualitario als Projekt, das auf der Gestaltung juristischer Strategien beruht, im Jahr 2012 in den Obersten Gerichtshof vordrang mit drei Streitfällen, die zu Präzedenzfällen auf gerichtlicher Bühne werden und von denen aus eine neue Art entstehen sollte, einen Bürgersinn zu begründen. Der Ausgangspunkt war, dass wir uns als LGBT-Bevölkerung anders sichtbar machten gegenüber einer politischen Macht, die wiederholt mit dem Zugang zur Ehe die Anerkennung eines der grundlegendsten bürgerlichen Rechte verweigert hatte.

Die Möglichkeit, politische Mehrheiten in gesetzgeberischen Organen herauszufordern, war zwar keine Neuheit, aber die Hartnäckigkeit, mit der die gleichgeschlechtlichen Paare dabei vorgingen, machte sie zu einer Form des kollektiven Widerstands. Ohne das geplant zu haben, konnte die LGBT-Bevölkerung dadurch seither nach und nach die herrschende Vorstellung von sich als einer Gruppe, welche die Anerkennung ihrer Rechte weniger verdient hat, verändern.

Die Folge ist eine Veränderung nicht nur im Inneren der Bewegung, sondern auch nach auβen in unserer Beziehung zur Gesellschaft und zum Staat.

Die Strategie des Prozessführens hat einem Sektor der Bevölkerung einen Weg gezeigt, der vielleicht unfreiwillig ein kollektives Bewusstsein schaffen sollte für die Möglichkeit, sich vor dem zu verteidigen, was sich in der Geschichte als eine permanente Form der Ausgrenzung und der Diskriminierung aufgebaut hat.
 
Durch die Prozesse, die in verschiedene Gliedstaaten in Mexiko eins ums andere Mal stattgefunden haben, hat die LGBT-Bevölkerung in kollektiver Form nach und nach diese Kraft eingefordert, die sich durch das politische und gesellschaftliche System jahrelang abgeschliffen hatte, bis wir irgendwann nur noch isoliert in einem Schützengraben saβen und Widerstand leisteten.

Forderung nach Gleichberechtigung wird immer lauter

Die anhaltenden Streitfälle haben es ermöglicht, dass andere Institutionen auβerhalb der Trägheit der parlamentarischen Mehrheiten sich die Forderung nach Gleichberechtigung zu Eigen machten. Im Jahr 2015 sprach der Oberste Gerichtshof in dieser Sache eine wichtige Meinung aus: „EHE. DAS GESETZ JEDWEDEN GLIEDSTAATES, DAS EINERSEITS ERACHTET, IHR ZWECK SEI DIE FORTPFLANZUNG, UND/ODER SIE ALS ETWAS DEFINIERT, WAS ZWISCHEN MANN UND FRAU GESCHLOSSEN WIRD, VERSTÖβT GEGEN DIE VERFASSUNG.“

Im selben Jahr äuβerte sich auch die mexikanische Kommission für Menschenrechte und empfahl allen gesetzgeberischen Organen die Änderung dieser diskriminierenden Gesetze.


Dieser ganze Impuls ist von der beratenden Meinung 24/2017 des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gestärkt worden.
 
All das ermöglichte die Stärkung der Bewegungen in den Gliedstaaten, sodass mit Hilfe dieser Meinungen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht wurden, die man einzig mit Vertrauen in die Parteien schwerer erreicht hätte. Von 2014 bis heute sind elf der 32 lokalen Zivilgesetzbücher reformiert worden, und der Oberste Gerichtshof ist in fünf Fällen eingeschritten, um jene diskriminierenden Gesetze ungültig zu machen, die den Zugang zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einschränken.  

Für eine weniger gewalttätige Welt

Es ist eindeutig, dass wir noch nicht am Ziel angekommen sind, aber ausgehend von dieser veränderten Beziehung zwischen der LGBT-Bevölkerung und den Institutionen, die uns jahrelang diskriminiert hatten, sind wir über den reinen Widerstand hinausgekommen und organisieren uns nun, um eine weniger gewalttätige Welt aufzubauen, in der wir wegen unserer anderen sexuellen Vorlieben oder anderen Geschlechtsidentität nicht mehr diskriminiert oder als weniger wertvolle Menschen angesehen werden.
 
In México Igualitario denken wir nicht, dass sich durch eine Gesetzesänderung automatisch der Status Quo ändert. Aber wenn wir uns organisieren, um auf eine andere Art und Weise Widerstand zu leisten, können wir Vorurteile herausfordern und eine neue Geschichte schreiben.
 
Daher geht es bei der Forderung nach einer Legalisierung nicht nur darum, Bilder von glücklichen Familien zu zeigen, sondern uns weiterhin Gehör in einem aktiven Widerstand zu verschaffen, damit die neuen Generationen in einer gleichberechtigteren Welt leben können. 
 

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