Deutsche Spuren in Montreal
Das Gebäude L.O. Grothé

 L.O. Grothé
Die ehemalige Zigarrenfabrik L.O. Grothé | © Goethe-Institut Montreal, Monik Richter

Das Gebäude L.O. Grothé, das auf dem Boulevard St-Laurent direkt gegenüber vom Goethe-Institut Montreal liegt, Hausnummer 2000-2012, wurde 1906 gebaut und zeugt vom Unternehmungsgeist der deutschen Einwanderer, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts in die neue Welt kamen und zudem vom Erbe, das sie hinterließen.

Louis-Ovide Grothé, ein besonnener und erfolgreicher Geschäftsmann, der in der Zigarren- und auch Immobilienindustrie Erfolg verbucht hatte, ließ dieses Gebäude erbauen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Zigarrenfabrik weltweiten Renommees beherbergte. Louis-Ovide Grothé war Besitzer und Geschäftsleiter dieser Fabrik und auch der Urenkel von Die alte Zigarrenfabrik Die alte Zigarrenfabrik befindet sich direkt gegenüber vom Goethe-Institut | © Goethe-Institut Montreal, Monik Richter Christian Grothé, der 1706 aus Deutschland nach Montreal kam, um dort reich zu werden. Bei seiner Ankunft auf amerikanischem Boden war Christian 30 Jahre alt und sprach bereits sehr gut Französisch. Von Beginn an änderte er seinen Namen, um sich so in die frankokanadische Kultur einzufügen. Aus Christian wird Chrétien und um seinen Nachnamen zu französieren, fügt er noch einen Akzent hinzu. So wird Grothe zu Grothé. Die Nachfahren von Chrétien Grothé widmeten sich dem Schmuckgeschäft und insbesondere der Zigarrenindustrie.

Der Standort des Gebäudes, ausgesucht von Louis-Ovide Grothé, befand sich in dem Teil Montreals, der zu der Zeit den nördlichen Umkreis der Stadt darstellte. Montreal zählte damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mehr als 267 000 Einwohner und die Stadt boomte wirtschaftlich. Das Grundstück mit einer Fläche von knapp 2000 Quadratmetern wurde von Louis-Ovide für eine Summe von 32.512,50 $ erstanden, d.h. ca. 16 $ pro Quadratmeter. Dies war eine stolze Summe für jene Zeit, in der ein einfacher Arbeiter 10 $ pro Woche verdiente, eine Zeitung sich für 1 Cent verkaufte und ein jährlicher Telefonanschluss 20 $ kostete.

Die Geschäfte von Louis-Ovide liefen gut: Zigarren rauchen war damals ein begehrter Zeitvertreib. Der Geschäftsmann hatte großen Erfolg und erreichte Dank der Peg Top, einer nur aus kanadischem Tabak hergestellten Zigarre, deren Namen und Form auf einen Torpedo zurückgingen, der in der Nähe der Fabrik eingeschlagen war, weltweites Renommee. Außerdem entwickelte Louis-Ovide einen kleinen Holzaufsatz, der das Ziehen erleichterte und somit den Genuss am Rauchen seiner Zigarren erhöhte. Grothé verkaufte damals 35 Millionen allein dieser Zigarren für 15 Cent das Stück.

Schaut man sich das Gebäude Grothé einmal genauer an, muss man sich vorstellen, dass zu jener Zeit mehr als 700 Angestellte dort arbeiteten. Peg-Top Zigarrenkiste Eine alte Peg-Top Zigarrenkiste | © Canadian Museum of History, Archive: 2001.185.68 Die Fabrik roch nach gutem Tabak. Sie war 6 Tage die Woche von 8 bis 18 Uhr in Betrieb, wie es Anfang des Jahrhunderts so üblich war. Die erste Etage wurde ausschließlich von der Verwaltung genutzt, in der zweiten Etage wurde der Tabak abgepackt und in der dritten Etage wurden die Zigaretten hergestellt, unter anderem die berühmte Du Maurier.

Das fünfstöckige Gebäude des Architekten Jean-Zéphirin Resther wurde 1976 als historisches Monument eingestuft. Dieses Gebäude von außergewöhnlichem kulturhistorischem Wert verfügt über mehrere Elemente, die für die industriellen Bauten dieser Zeit typisch sind: die Außenverkleidung aus rotem und beigen Backstein, die Stichbogenfenster und ein dekorativ gestaltetes Gesims im Mauerwerk. Da die Außenmauern kein Gewicht trugen, konnten zahlreiche Fenster das Gebäude umsäumen. Heute befindet sich das Gebäude im Herzen des „Quartier des spectacles“ (Unterhaltungsviertels) und beherbergt verschiedene Geschäfte sowie Eigentumswohnungen