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Verena Vehling
„Tanzen ist tanzen“

Verena Vehling mit Westbam
Verena Vehling mit Westbam (rechts) | privat

Kein neuer Trend kann ohne Insider*innen entstehen. Neben den Macher*innen von Clubs, den DJs, Veranstalter*innen, Journalist*innen machen sie die Kultur aus und fungieren als Bindeglied zwischen Protagonist*innen und Fans. Verena Vehling (VV) ist eine von ihnen. Schon als Teenager hat sie Techno als neuen Trend, aber auch als Lebensstil kennengelernt.
 

Kannst du dich noch erinnern, wie du zum Techno gekommen bist?

Verena Vehling: Das war im Wave Club in Köln. Ich bin schon sehr früh, mit 14 oder 15 Jahren Discogängerin gewesen. Das war meine erster Kontakt mit elektronischer Musik. Aber ich kann das nicht an einem Tag oder an einem besonderen Erlebnis festmachen. Ende der 80er Jahre habe ich dann im Warehouse in Köln hinter der Bar gearbeitet. Ich hatte eine klassische Nebenjob-Disco-Bar-Karriere und war in einer Wohngemeinschaft mit Mate Galic. Wir haben ganz schön geraved, über alle Tages- und Nachtgrenzen hinweg. Ich bin später nach der Schule von Köln nach Berlin gezogen und habe bei Frontpage Anzeigen verkauft.  

Zwischen den deutschen Metropolen ist eine Party-Achse entstanden

Wie ging es dann weiter?

Die große Faszination kam tatsächlich, als ich das erste Mal in Berlin war. Da hat es noch mal einen anderen Kick gegeben. Klar, wir sind in Köln oder im Rheinland ausgegangen und da gab es Raves, aber als allererste Mal in Berlin war besonders. Wahrscheinlich war es das Planet. Das war völlig anders als in einer normalen Disco in NRW. Dort ist man entweder in einen kleinen Club oder in eine Großraumdisco gegangen. Aber dieses besondere Feeling wie im Planet oder anderen Clubs in Berlin, das kannte man ja gar nicht.

Wie hast du als Raverin die Entwicklung wahrgenommen?

Ich war eine Zeit mit Westbam zusammen und mit ihm drei Jahre lang jedes Wochenende auf Tour. Dadurch hatte ich natürlich das Privileg, unheimlich viel zu sehen. Ich kenne jeden Club und jede Kaschemme zwischen Rostock und Garmisch-Partenkirchen. Auch international bin ich viel gereist. Wir waren in Australien und sonstwo. Dabei konnte ich erleben, was Musik mit Menschen machen kann. Wie kriegt man Menschen zusammen? Und was vereint sie? Es war ja eine besondere Zeit. Zwischen den deutschen Metropolen – München, Frankfurt, Berlin – ist eine Party-Achse entstanden. Wir sind aus Köln regelmäßig nach Frankfurt ins Omen und ins Dorian Gray gefahren. Dieses Netzwerk an Menschen, was sich da aufgebaut hat und was teilweise heute noch Bestand hat, ist schon etwas besonders.

Man muss nicht immer alles super finden

Warst du mit Westbam immer noch Raverin oder hattest du so einen anderen Blick auf die Szene?

Tanzen ist Tanzen. Ob du es vor der Box tust, auf der Box oder hinter dem DJ-Pult. Wenn man die Musik nicht mag, dann braucht man auch nicht mitfahren. Ich habe es ehrlicherweise total genossen. Es gibt da natürlich auch nicht so tolle Situationen. Wenn wir zum Beispiel in Holland auf irgendwelchen Gabber-Raves waren und uns gefragt haben, was wir hier eigentlich machen. Da kamen diese ganzen Rotterdam-Posse-Typen an: Männer in Trainingsanzügen mit Glatze. Anders kann ich das gar nicht beschreiben. Ich habe dann zwei Stunden auf der Box gesessen, mir das angeguckt und gedacht: „Ich fahre jetzt mal ins Hotel!“ Das ist auch vorgekommen. Man muss nicht immer alles super finden.

Wie hast du gemerkt, dass Techno auf einmal richtig groß wurde?

Bei Frontpage waren wir ja immer auf eine Art mit dem Größenwahn verheiratet, also dem Techno-Welteroberungs-Plan (lacht). Das war auch die Mentalität von Jürgen Laarmann, dem Chefredakteur, also dass man das immer größer macht und auch bei der Mayday und der Love Parade an den Hebeln sitzt. Mich hat es nie gestört, dass es größer wurde. Das ist vielleicht eine Frage des Alters. Wenn man schon mal auf der Love Parade war, muss man beim elften Mal vielleicht nicht mehr hingehen. Das Leben verändert sich. Die Beziehungen verändern sich. Die Menschen um einen herum verändern sich und so verändert sich ja auch dein Partyleben.

Es hört nicht auf

Es gab aber auch immer mehr eher kommerziellere Raves, oder?

Es gab auch so eine werberelevante „Rave-Elite“, die von großen Marken für Veranstaltungen wie den „Airave“ wahrgenommen wurde. Da fuhren nicht irgendwelche Leute mit, sondern das war gecastet. Dasselbe galt für „Rave & Cruise“. Ich war aber auch kein Gralshüter von irgendwas, also dass ich meine, ich bin jetzt Teil einer Bewegung, habe die mitgestaltet und deshalb muss es bitte alles so bleiben. Ich finde, wenn jemand ein paar Jahre später dazukommt und die Musik auch gut findet, dann darf er genauso mitreden. Die konservativen Kräfte im Techno waren eher die ganzen Pop-Theoretiker in Köln. Oder in Berlin zum Beispiel Leute wie Wolle XDP, der einfach sagt wie es zu sein hat, und sonst ist es zu kommerziell! Ich finde es schon auch ganz geil, wenn der Break kommt, der Vocal einsetzt und man die Hände in die Luft schmeißt.

Hast du auch den Osten von Berlin durch Techno kennengelernt?

Ich bin damals in Charlottenburg gelandet und zum Ausgehen ging man Richtung Osten. Für mich war das anfangs, verglichen mit Köln, alles sehr groß. Heute kommen mir die die Strecken kleiner vor. Aber damals – alleine vom Olivaer Platz zum Potsdamer Platz, der noch nicht wirklich bebaut war, war es eine Weltreise. Es wurde abends urplötzlich stockdunkel. Denn es war eine völlig andere Beleuchtung in der Stadt und es roch nach Kohle. Das kannte ich nicht. Ich bin dann sukzessive immer weiter Richtung Osten gezogen. Und jetzt hat es mich wieder in den ursprünglichsten Westen gezogen, nach Zehlendorf am Schlachtensee. Bürgerlicher geht es nicht mehr (lacht). Alles passt immer zu seiner Zeit.

Welche Auswirkungen hat der Techno immer noch auf dich?

Wenn ich mir jetzt meine Freundinnen angucke, dann sind das alles immer noch Rave-Mädchen. Da kannst du 50 werden: Es hört nicht auf. Auch wenn wir nicht jedes Wochenende irgendwo im Club stehen, ist das schon die Musik, die wir hören. Wir hören nach wie vor Disco und elektronische Musik. Ich würde mal behaupten, in meinem erweiterten sozialen Kreis haben alle auch eine Techno-Geschichte.
 

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