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Rosinenpicker
Skater, Orakel und Marsmenschen

Aktuelle Jugendromane behandeln gewichtige Fragen nach Freundschaft, wahrer Größe, Leben und Tod. Außerdem bieten sie Science-Fiction und Fantastisches.

Von Holger Moos

Huppertz: Fürs Leben zu lang © Tulipan Mit ihren 13 Jahren misst die Heldin Magali in Nikola Huppertz‘ Jugendroman Fürs Leben zu lang bereits stolze 182 Zentimeter, und es werden wohl noch ein paar mehr werden. Sie leidet unter ihrer Größe, wer wird sie jemals küssen? Denn gefragt sind nur niedliche hübsche kleinere Mädchen. Ihr bester Freund ist der vernachlässigte Husky einer kinderreichen Nachbarsfamilie. Vor lauter Verzweiflung und auch, um dem Familienkrach der älteren Schwester mit den Eltern zu entkommen, beginnt sie ein Tagebuch zu schreiben. Sie beobachtet dazu die Nachbarn in ihrem großen Wohnhaus. Im Mittelpunkt steht ein Nachbar, der trotz seines hohen Alters noch sehr fit ist, aber eines Tages erklärt, er werde jetzt sterben, 98 Jahre seien „fürs Leben zu lang“. Das ruft seine große Familie auf den Plan, und so wohnt bei ihm bald sein 13jähriger Enkel, mit dem Magali über das Leben und den Tod diskutiert. Das Buch wird dann philosophisch und geht bis zum Stoiker Seneca zurück. Für den ist der Tod nur die letzte Stufe eines lebenslangen Sterbens. Die Erfahrungen des alten Mannes und die Gedanken der Jugendlichen werden sehr poetisch miteinander verbunden. Dass Huppertz „immer den richtigen, leicht schnodderigen, nie altklug wirkenden Ton trifft, selbst da, wo mit leichter Hand Bildungswissen in die Erzählung eingespeist wird … , ist eine der großen Stärken dieses Buchs“, meint Oliver Jungen in der FAZ.

Mal schnoddrig, mal aufwühlend

Rottmann: Kurz vor dem Rand © Jacoby & Stuart Eva  Rottmanns Jugendroman Kurz vor dem Rand spielt in der Skaterszene. Die 17-jährige Ari ist Mitglied einer eingeschworenen Skater-Gemeinschaft in ihrem heruntergekommenen Viertel. Sie hasst alles typisch Weibliche, weil ihre Mutter sie schon als Kleinkind für wechselnde Männer verlassen hat, und wächst bei einem sehr liebevollen Vater auf. Ari macht eine Malerlehre, lebt in einer Hochhaussiedlung und ist schnell – im Kopf, auf dem Skateboard und mit ihrem Urteil über Menschen. Doch alles ändert sich, als plötzlich ein neuer Junge namens Tom auftaucht. Erst lehnt sie ihn ab, dann verliebt sie sich. Ein Drama mit gefährlichen Skaterfahrten nimmt seinen Lauf, als sie glaubt, dass Tom sich einem angesagten Mädchen annähert. Rottmann zeichnet ein sehr überzeugendes Bild der Gefühlslage in der Pubertät, außerdem erzählt sie mit einer bestechenden Sprache aus dem Skatermilieu, als Rückblick eines langen Tagebucheintrags des Mädchens. Rottmann erhielt im Dezember 2023 den Luchs-Preis für Kinder- und Jugendliteratur, auch Hartmut El Kurdi lobt in der ZEIT: Rottmann „lässt Ari in einem sehr direkten, ins Herz treffenden Ton erzählen – unsentimental und selbstironisch, gleichzeitig schnoddrig und genau“.

Pickel: Rattensommer © Beltz & Gelberg Nach ihrem mehrfach ausgezeichneten Debüt Krummer Hund (2021) ist auch Juliane Pickels zweiter Jugendroman Rattensommer eine literarisch anspruchsvolle, harte Geschichte. Erzählt wird die schwierige, weil ungleiche Freundschaft zweier Mädchen, die sich seit Kindheitstagen kennen und auf einen gemeinsamen Sommer zwischen Kellnern und Freibad freuen. Die empfindsame und ängstliche Ich-Erzählerin Lou ist abhängig von ihrer wilden, widersprüchlichen Freundin Sonny, deren Mutter umgebracht wurde. Als der Täter nach drei Jahren aus dem Gefängnis kommt, sinnt die Tochter auf Rache. Lou schwankt zwischen Loyalität zu ihrer Freundin und Bedenken. Unaufhaltsam bekommt die Freundschaft tiefe Risse. Die Geschichte konzentriert sich auf den Wandel der Gefühle der Erzählerin und den Mut, selbstständig zu werden. Lou merkt, dass Gerechtigkeit mehr bedeutet, als ausschließlich in den Kategorien von Gut und Böse zu denken und danach zu handeln. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zeichnete Rattensommer im September 2023 als Jugendbuch des Monats aus: „Atmosphärisch dicht, mit sensiblen Einblicken in die Innenwelten gelingt Pickel das Psychogramm einer Freundschaft, das aufwühlt und überzeugt.“

Spannung und Dystopie

Poznanski: Oracle © Loewe Die bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Kinder- und Jugendbuchautorin Ursula Poznanski hat mit Oracle einen weiteren Jugendthriller vorgelegt. Darin nimmt Julian, der gerade in ein Studentenheim eingezogen ist, Tabletten gegen seine psychische Erkrankung, die ihn zu einem Außenseiter macht. Seit seiner Kindheit leidet er unter einer Art Psychose und hat Halluzinationen. So sieht er Menschen an, ob sie bald sterben und unter welchen Krankheiten sie leiden. Seit fünf Jahren hat er diese Fähigkeit im Griff, mit Hilfe seiner Therapeutin und dank des Medikaments. Doch als er im Studentenheim eine Gruppe von Freunden und Freundinnen findet, kann er plötzlich wieder spüren, wer von ihnen in Gefahr ist. Und er versucht, als Retter, ihren Tod zu verhindern. Für Spannung sorgt ein mieser ehemaliger Klassenkamerad, der mit dieser Orakelgabe Geld machen will und ihn an die Medien verrät. Oracle ist packend und unterhaltsam, dank der fantastischen Motive bleibt bei Julians Visionen ein rational nicht erklärbarer Rest.

Linker: Boy from Mars © dtv Gutes Lesefutter für Liebhaber*innen von Computerspielen und Science Fiction-Geschichten ist Christian Linkers Boy from Mars. Im Jahr 2099 lebt Jonte, 13 Jahre alt, mit seinem Großvater auf dem Mars. Ihr Zuhause ist eine besondere Kolonie, in die die Reichen sich gerettet haben, als die Erde durch Umweltzerstörung, Migrationskämpfe und Kriege fast vernichtet wurde. Irgendwann stirbt der Großvater, und Jonte muss den Mars verlassen und zu seiner Mutter ziehen, die auf der Erde als Umweltaktivistin versucht, sie wieder bewohnbar zu machen. Für ihn beginnt eine abenteuerliche Suche nach einer geheimnisvollen Maschine seines Großvaters, die dieser gebaut hatte, um die Erde zu retten. Ein böser Energiekonzern gehört zu den mächtigen Gegnern dieses Vorhabens. Linker erzählt von besonderen Freundschaften, Verbrechern und gefährlichen Abenteuern, ergänzt wird der Plot durch raffinierte Computertechniken.
 
Nikola Huppertz / Regina Kehn (Ill.): Fürs Leben zu lang
München: Tulipan 2023. 194 S.
ISBN: 978-3-86429-570-6
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

Christian Linker: Boy from Mars. Auf der Jagd nach der Wahrheit
München: dtv 2023. 288 S.
ISBN: 978-3-423-76468-1
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

Juliane Pickel: Rattensommer
Weinheim: Beltz & Gelberg 2023. 255 S.
ISBN 978-3-407-75687-9
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe

Ursula Poznanski: Oracle
Bindlach: Loewe 2023. 430 S.
ISBN: 978-3-7432-1658-7

Eva Rottmann: Kurz vor dem Rand
Berlin: Jacoby & Stuart 2023. 189 S.
ISBN: 978-3-96428-188-3

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