IFOA
Interview mit Author Christopher Kloeble
Aufgewachsen im bayerischen Königsdorf, Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, seit einigen Jahren pendelnd zwischen Berlin und Delhi und dazwischen ist er auch oft woanders – der deutsche Schriftsteller Christopher Kloeble tastet sich unaufhörlich durch die Welt und nähert sich dabei in seinen Romanen doch stets Deutschland wieder an.
Im Oktober ist er Gast des Goethe-Instituts beim 37. International Festival of Authors in Toronto, wo er die englische Übersetzung seines zweiten Romans „Meistens alles sehr schnell“ vorstellt. In dieser Geschichte macht sich der 19-jährige Halbwaise Albert mit seinem Vater Fred, der nur noch „fünf Finger“ zu leben hat, auf die Suche nach seiner Mutter. Die Übersetzung ist bereits im Februar dieses Jahres beim US-Verlag Graywolf Press erschienen und Kloeble war aus diesem Anlass auf einer längeren Lesereise, die ihn quer durch die USA führte. Obwohl „Meistens alles sehr schnell“ nicht an schweren Themen spart – von Tod, über Inzest bis zu den Auswüchsen des Dritten Reiches ist alles dabei – wird meist mit einem zwinkernden Auge erzählt. So war die Rückkehr zu dem Werk, welches in Deutschland bereits 2012 erschien, eine Chance für Kloeble, den Text in einem anderen Licht kennen zu lernen, „dadurch, dass die Leute das teils anders lesen, anders wahrnehmen. Ich habe zum Beispiel gemerkt– und das wird vermutlich in Kanada nicht so sehr anders sein –dass die Leute einen leichteren Zugang zur Ironie und dem Humor in der Geschichte haben. Bei den Lesungen war es zumindest viel leichter, das rüber zubekommen“, erinnert sich der Autor. Er räumt ein, dass dies nicht unbedingt eine Eigenart des deutschen Gemüts sein muss, sondern vielmehr am Unterschied der beiden Sprachen liegen könnte. „Die englische Sprache ist einfach leichter aufgehängt und im Deutschen hast du tatsächlich das Problem, dass es manchmal schwieriger ist, etwas leichter zu erzählen“. Besonders überrascht hat ihn, dass der Umgang mit übersetzter Literatur in den USA sehr viel ungewohnter ist als in Deutschland. „Das war ein sehr zentraler Aspekt von den meisten Lesungen und Treffen. Wie oft haben Leute gesagt: „Hm, vielleicht lese ich diesen Sommer eine Übersetzung!“, erinnert er sich. Dank der engen Zusammenarbeit mit seinem Übersetzer Aaron Kerner müssen sich anglophone Leser aber keine Gedanken über einen möglichen Inhaltsverlust machen. Die englische Ausgabe sieht Kloeble so nah am Original, wie es nur möglich ist.
Im Gespräch ist er stets suchend: Eine Frage wird nie kurz beantwortet, es werden Faktoren abgewogen, Vermutungen geäußert und Anekdoten erzählt: eine Kettenreaktion der Gedanken. Diese Sichtweise von Menschen, Zuständen und Ereignissen prägt auch den Aufbau von „Meistens alles sehr schnell“. Ähnlich den US-amerikanischen Schriftstellern John Irving und Jonathan Safran Foer liegt das Augenmerk auf der Handlung, wobei die einzelnen Figuren liebevoll-exzentrisch und selbst zweitrangige Charaktere vielschichtig konstruiert sind. Es ist daher nicht überraschend, dass der 34-jährige Autor die deutsche literarische Tradition, mit ihrer Gewichtung auf Stil und sprachlichem Handwerk, eher kritisch sieht und seine Vorliebe für das Geschichtenerzählen immer wieder durchscheint. „Ich finde Sprache schon sehr wichtig“, sagt er, „und mühe mich manchmal auch mit einem Satz stunden- oder tagelang ab, aber wenn mich jemand vor die Entscheidung stellen würde, ob es in meinem Werk nur um Sprache oder nur um Inhalte geht, dann würde ich wahrscheinlich den Inhalt vorziehen“.„Meistens alles sehr schnell“ verknüpft gekonnt verschiedene Zeitspannen, um den generationsübergreifenden Familienkonflikt in seiner Bedeutung für die gegenwärtigen Protagonisten Albert und Fred emotional begreiflich zu machen. Und auch in Kloebles aktuellem Roman „Die unsterbliche Familie Salz“, der Ende August in Deutschland erschienen ist, wird wieder die Laufbahn einer Familie über ein Jahrhundert hinweg erzählt.
Noch stärker als im Vorgänger, „Meistens alles sehr schnell“, ist diesmal die Verankerung der Handlung in der deutschen Geschichte. Bedingt durch sein Pendlerleben und die immer wiederkehrende Abwesenheit von Deutschland, verengt sich Kloebles intellektueller und künstlerischer Fokus zunehmend auf das Herkunftsland. „Je mehr ich nicht in Deutschland bin, desto mehr beschäftige ich mich mit Deutschland. Wenn man hier ist sieht man die Relationen oft nicht genau, man ist eben mitten drin im Wald. Wenn ich zurück komme, und das muss jetzt gar nicht aus Indien sein, bin ich immer wieder erstaunt wie reglementiert doch bei uns alles ist, im guten wie im schlechten Sinne“. Seit drei Jahren ist er mit der deutsch-indischen Autorin Saskya Jain verheiratet und so langsam beginnen auch die Eindrücke seiner halbjährigen Wahlheimat Indien sich ihren Weg in seine Texte zu bahnen.
„Das ist natürlich ein Kulturkosmos der sich einem als Thema schnell aufdrängt“, sagt er. „Auf den ersten Blick; auf den zweiten Blick merkt man, dass es sehr schwierig ist darüber zu schreiben, ohne in Exotismus abzudriften. Ich glaube, dadurch, dass ich mit jemandem von dort verheiratet bin, bin ich mir noch mehr bewusst – oder besser gesagt, meine Frau macht mir noch mehr bewusst – wie viele Fehler ständig begangen werden bei dem West-Ost Ding. Im neuen Roman spielt der größte Teil ausschließlich in Deutschland, aber gegen Ende hin –so wie es bisher auch in meinem Leben ist – spielt ein kleiner Teil dort. Insofern wird das in Zukunft auch noch stärker eine Rolle spielen“. Tatsächlich hat er bereits mit einer neuen Arbeit begonnen, welche sich „mit diesem Dasein zwischen Deutschland und Indien“ beschäftigt. Diesmal allerdings wird es wohl ein Sachbuch werden.