Berlinale-Blogger 2017
„Rifle“ erzählt von Landschaft im Wandel

Berlinale, Forum: Rifle, Regie Davi Pretto
Berlinale, Forum: Rifle, Regie Davi Pretto | Foto: Rodrigo Migliorin

Davi Pretto aus Rio Grande do Sul nimmt den Zuschauer mit in den ländlichen Süden Brasiliens. Sein Film „Rifle“, der im Forum gezeigt wird, handelt von der Ohnmacht des Individuums angesichts von Landspekulation und dem kargen Leben auf dem Land – in der Ästhetik des Westernfilms.

Als große Landbesitzer drohen, den kleinen Betrieb aufzukaufen, auf dem er arbeitet, entschließt sich Dione, seine Flinte zu entstauben und wieder in Betrieb zu nehmen. Das ist das Setting des zweiten Spielfilms von Davi Pretto. Mit gestochen scharfen Bildern und treffender Besetzung thematisiert der Regisseur die Beziehung zwischen Landschaft und Mensch, indem er seine Figuren mit einem unermesslichen Horizont und ihren eigenen Identitäten konfrontiert. Im Interview spricht Pretto über seine Idee zu dem Film und die Arbeit mit seinen Darstellern.

Wie entstand die Idee, auf das Landleben in den Blick zu nehmen?

Ich bekam Lust, diese Gegend zu filmen, als ich mit Richard Tavares auf einer Reise ins Landesinnere von Rio Grande do Sul einige vereinzelt in der Landschaft stehende Häuser sah. Dieses Bild blieb uns im Kopf beim Gedanken an dieses Hinterland, aus dem alle fort sind, in dem es nur sehr wenige ausgehalten haben. 2010 brachte mir Richard eine Geschichte und ein Skript mit dem Titel El Niño, über einen Jugendlichen aus dieser Gegend im Konflikt mit sich selbst und mit den Menschen um ihn herum. Er bat mich, bei dem Projekt Regie zu führen.

Was ist das Besondere, das Sie an dieser Landschaft im Film festhalten wollten?

Zwei Punkte interessierten mich. Erstens die politische Tonlage der Auseinandersetzung um Land, Widerstand und Gewalt, die direkte Verbindung mit der Vergangenheit des Bundesstaats Rio Grande do Sul, und zweitens diese ‚andere Zeit‘ in dieser Grenzregion: dieser Un-Ort, das Geheimnisvolle und die Uneindeutigkeit. Die feine Trennlinie zwischen zwei Seiten, die sich zwischen Realistischem und der Fantasie ihren Weg sucht.

Wie artikuliert sich das Verhältnis zwischen Protagonisten und der Landschaft?

Die Landschaft war für uns ein Hauptdarsteller. Also ging es bei der gesamten Erarbeitung von Bild und Ton darum, zu überlegen, wie sich diese herausstellen lässt. Der Horizont, der den Menschen verschlingt, der schneidende Wind, das Rätselhafte und die Angst, die die Nacht evoziert, die zermürbende Last der Sonne. Jedes Detail dieser Landschaft war für den Aufbau der Erzählung entscheidend. Und auch, wie diese Einzelheiten die Protagonisten verändern.

Wie kam es zur Auswahl der Darsteller und wie war die Arbeit mit ihnen?

Die Auswahl ergab sich im Laufe der Recherche. Ich wollte eine wirkliche Familie finden, die so ähnlich aufgebaut war wie die im Drehbuch, was nicht einfach war. Wir brauchten rund sechs Monate, um diese Familie zu finden. Als sie einwilligten, in dem Film mitzuwirken, ging es um den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen, was schließlich in einer besonderen Freundschaft mündete. Ich war vor den Dreharbeiten oft bei ihnen zu Hause. Das war ein sehr wichtiger Prozess, nicht nur, um das Drehbuch anzupassen, sondern auch, um sie auf die Arbeit im Film vorzubereiten. Ab und zu nahm ich eine Kamera mit, filmte, bearbeitete die Bilder und zeigte sie ihnen. So fassten sie allmählich Vertrauen zum eigenen Bild, was mir sehr wichtig war. Im Grunde ging es genau darum: dass sie sich wohlfühlen und nah an der eigenen Realität bleiben, auch wenn sie eine andere Geschichte erzählen als die ihres wirklichen Lebens, ohne dabei die Geschichte und den Spannungsbogen des Films aus den Augen zu verlieren.