Berlinale-Blogger 2017
Ménage-à-trois gegen Langeweile und Unzufriedenheit

Ciao Ciao
Ciao Ciao | © Berlinale

Kulturschock einmal anders: „Ciao Ciao“ begleitet eine junge Frau, die aus der Megastadt Guangzhou in ihr Heimatdorf in der Yunnan-Provinz zurückkehrt.

Wie schon sein Debüt Huan Huan, spielt auch Song Chuans zweiter Film Ciao Ciao in Yunnan, der Heimatprovinz des Regisseurs. Und wieder trägt der Film den Namen seiner weiblichen Hauptfigur. Als Ciao Ciao aus Guangzhou in ihr Heimatdorf zurückkehrt, um ihre Eltern zu besuchen, steht der Ort kopf: Mit ihrem kurzen weißen Rock, dem hellblauen transparenten Shirt, ihrer Louis-Vuitton-Tasche, dem Hermès-Halstuch und den hohen offenen Schuhen ist sie ein echter Kontrast zur heimatlichen Farbpalette, die eher durch Grün- und Erdtöne geprägt ist.

Ciao Ciao fremdelt mit dem Ort, in dem sie aufwuchs, wo ihr Vater sich auf Schlangenjagd begibt, um daraus dubiose Heilmittel herzustellen und die Hälfte der Dorfbevölkerung sich durch illegal gebrannten Maisschnaps finanziert. Schnell freundet sie sich mit zwei Männern an, die genau wie sie aus einer großen Stadt zurückgekommen sind: der Inhaber eines Friseursalonsaus aus Guangzhou und Li Wei, der verwöhnte Sohn eines lokalen Schnapsbrenners, der eine Zeit in der Provinz Zhejiang verbracht hat. Ciao Ciao ist zwischen diesen zwei Männer mit ihren ganz unterschiedlichen Temperamenten und Lebensentwürfen hin- und hergerissen und verstrickt sich in eine Ménage-à-trois. Eine Rückkehr nach Guangzhou, um – wie ursprünglich geplant – ein kleines Geschäft zu eröffnen, rückt in immer weitere Ferne.

Der visuelle Zusammenprall von Urbanität und Landleben wird durch den aufwühlenden Sound noch intensiviert. Weißes Rauschen mischt sich mit chaotischen Beats, die verstören, untergraben und aufwühlen. Genau wie der Soundtrack in dieser Landschaft fehl am Platz zu sein scheint, so ist auch Ciao Ciao eine Fremde in der eigenen Heimat. Ihre Langeweile zeigt sich überdeutlich, wenn sie zwischen dem Einkaufsladen, wo sie ihre Zigaretten kauft, und dem Salon des Friseurs aus Guangzhou planlos hin und her driftet. Die Dorfbewohner leiden ebenfalls unter Langeweile und verbringen ihre Zeit mit Glücksspiel, Trinkgelagen und im Bordell. Hin und wieder versuchen sie außerdem, sich bei den Ortspolizisten lieb Kind zu machen. In dieser von Überdruss, Regungslosigkeit und Frustration getränkten Gesellschaft dominieren die Männer und bestimmen die Regeln, doch die Frauen versuchen ihr Bestes, um ebendiesen Regeln zu entkommen und spielen das Spiel nur halbherzig mit.

Interessanterweise ist auch die Schauspielerin Liang Xueqin, die Ciao Ciao spielt, eine „Migrantin“ –  sie zog für ihre Schauspielkarriere aus der Provinz Sichuan im Süden Chinas nach Peking. Die harte Arbeit, die die Schauspielerin in diesen Film investierte, hat sich gelohnt, denn ihr Spiel ist realistisch und überzeugend. Allerdings sind die Darstellungen von Ciao Ciaos Langeweile und Unzufriedenheit teilweise etwas ausufernd geraten, so dass sich auch das Publikum auf die Dauer langweilt. Schade, dass das gut gewählte Hintergrundthema Migration und Rückkehr nicht richtig zur Geltung kommt, denn von dem etwas trivial und hohl wirkenden Plot bleiben am Ende nur die Motive Begierde und Rachegelüste im Gedächtnis.