Berlinale-Blogger 2017
Komplexes Thema, wenig Nuancen

„Final Portrait“
„Final Portrait“ | Filmstill © Parisa Taghizadeh

„Final Portrait“ ist schön anzusehen, aber nie wirklich herausfordernd und selten spannend. Dass der Film von Kunst erzählen soll, die unkontrollierbar, surreal und rebellisch ist, findet sich im Werk nicht wieder. Es ist vielmehr alles sehr … nett.

In Final Portrait lässt Regisseur Stanley Tucci die Kamera häufig in invasiven Nahaufnahmen auf Armie Hammers perfektem Gesicht ruhen. Hammer spielt James Lord, einen Schriftsteller, der für den Schweizer Künstler Alberto Giacometti (Geoffrey Rush) Modell sitzt.

Die Kamera gleitet über sein Gesicht und es wirkt, als folge sie den Augen Giacomettis, der im Gesicht des anderen nach der Wahrheit sucht, nach etwas, das er auf seine Leinwand bannen kann. Aber irgendetwas stimmt nicht. Das unbewegte, wie in Stein gemeißelte Gesicht Hammers passt vielleicht zu einer griechischen Statue. Doch die Arbeit Giacomettis vermittelt eine tiefere Angst und eine emotionale Komplexität, die wir bei Hammer niemals sehen. 


Die Loslösung dessen, was Giacometti wahrnimmt von dem, was alle anderen sehen, ist eines der wesentlichen Themen von Final Portrait, einer britisch-französischen Koproduktion. Der Film selbst jedoch schafft es nie wirklich, selbst zu einer Form künstlerischen Ausdrucks zu werden. Wie Hammers klassisches gutes Aussehen wirkt er ein wenig zu harmlos, emotional zu geradeaus, um den anarchischen Aspekt seines Themas einzufangen. 

Das Szenenbild von James Merifield stellt akribisch das marode Atelier Giacomettis nach – so wie es auf Fotos abgebildet ist, die Lord selbst gemacht hat. Eine blasse Palette stellt die ästhetische Verbindung zur entschieden farblosen Arbeit des Males her. Rush füllt seine Rolle wirklich aus, wie er so durch sein tonverschmiertes Atelier schlurft und einige der überdrehteren, extrovertierteren Wesenszüge Giacomettis auslebt. Es ist alles sehr … nett. 

Es ist genau die Art von nett, die der Maler selbst ablehnt. Final Portrait ist zwar schön, aber nie wirklich herausfordernd und selten spannend. Stattdessen erfüllt er die bekannten Klischees von Filmbiografien: regelmäßige Trinkexzesse, künstlerische Frustration und Untreue. Es gibt wirklich lustige Momente, es ist eine Freude, Tony Shalhoub wieder auf der großen Leinwand zu sehen, und es gibt ein paar visuell einfallsreiche Szenen. Doch dass der Film von Kunst erzählen soll, die unkontrollierbar, surreal und rebellisch ist, findet sich im Werk nicht wieder, und der Film fängt die avantgardistische Sensibilität Giacomettis nicht ein.