Berlinale-Blogger 2017
Berührungspunkte

"Mulher do pai", de Cristiane Oliveira. Berlinale Mostra Generation.
"Mulher do pai", de Cristiane Oliveira. Berlinale Mostra Generation. | Foto: Okna

Die beiden Filme „Mulher do Pai“ (Nalu on the Border) und „Não devore meu coração!“ (Don't Swallow My Heart, Alligator Girl!) aus dem Wettbewerb Generation erzählen Geschichten, die in brasilianischen Grenzregionen verortet sind.

Mulher do Pai von Cristiane Oliveira spielt an der brasilianischen Grenze zu Uruguay. Die Jugendliche Nalu, die kurz davor ist, die Schule zu beenden, muss sich nach dem Tod ihrer Großmutter um das Haus und ihren blinden Vater kümmern. Im Film spiegelt sich die karge Landschaft in der rauen Beziehung zwischen Vater und Tochter wieder, die sich durch den Töpferunterricht, den die uruguayische Lehrerin von Nalu ihrem Vater gibt, Stück für Stück verändert. Durch seine kraftvollen Bilder und eine feinfühlige Bildführung ist Mulher do pai auch ein Film über Grenzen und Berührungspunkte: die begrenzten Möglichkeiten eines Lebens in einer Grenzstadt, das eingeschränkte Sehvermögen, die Beschränkungen eines Landes und die Erwartungen an das Gegenüber. Das „Gegenüber“ spielt eine Rolle als Vermittler des Unvermittelbaren: Nalu entdeckt ihren Körper durch die Beziehung mit einem Mann aus Uruguay; der Kontakt mit der Töpferlehrerin hilft dem Vater dabei, sich durch die Formen, die er der Töpfermasse verleiht, selbst wiederzuentdecken und seine Tochter anders wahrzunehmen.
 



Não devore meu coração!, von Felipe Bragança, spielt an der brasilianischen Grenze zu Paraguay – einer Region, in der sich noch Spuren des Tripel-Allianz-Kriegs erkennen lassen, einem der blutigsten Kriege Lateinamerikas. An der Grenze zwischen den beiden Ländern schlachten brasilianische Hacienda-Besitzer die wenigen in der Region lebenden indigenen Guaranís ab. Dieser Konflikt wird im Film durch die Auseinandersetzungen zwischen zwei Bikergangs – einer von Guaranís und einer von weißen Brasilianern – verkörpert. Aufgeteilt in verschiedene Akte, die an den Tripel-Allianz-Krieg erinnern, zieht sich die Romanze zwischen einem weißen brasilianischen Jungen und einer indigenen Guaraní aus Paraguay wie ein roter Faden durch Não devore meu coração!. Die indigenen Charaktere des Films werden von Guaranís gespielt. „Unsere Kultur ist der Kern unseres Wesens. Dieser Kern wird niemals sterben. Wir, die Indigenas, sind hier, um unsere eigene Geschichte zu erzählen“, sagt die Schauspielerin Zahy Guajajara während der Vorführung in Berlin.  
  Der Kurzfilm Em busca da terra sem males (Auf der Suche nach dem Land ohne Böses) von Anna Azevedo (Wettbewerb Generation) zeichnet ebenfalls ein Porträt des indigenen Universums der Guaraní, jedoch in Form eines beobachtenden Dokumentarfilms, der den Alltag von Kindern eines Dorfes von landlosen Indigenas zeigt, die in der Nähe von Rio de Janeiro in der ständigen Gefahr der Vertreibung leben. Tagsüber sieht man die Kinder im Unterholz spielen, auf dem Feld helfen und eifrig Computerspiele spielen. Abends geben Erzählrunden mit überlieferten Geschichten, das Jagdritual und Rap auf Guaraní die Stimmung der Handlung vor.