Sprechstunde – die Sprachkolumne
Gesprächsthema verzweifelt gesucht

Illustration: two people with empty speech bubbles
What are you supposed to talk about? | Illustration: Tobias Schrank; © Goethe-Institut e. V.

Angeblich bedeutet gemeinsames Schweigen besonders große Verbundenheit. Aber vielleicht ist vielen Paare einfach nur der Gesprächsstoff ausgegangen. Zum Glück weiß Christiane Rösinger Rat – und präsentiert ihn gereimt.

Von Christiane Rösinger

Glaubt man dem Sprichwort, dem deutschen Schlager und der landläufigen Meinung zum Thema „Liebe und Sprechen“, hat das Schweigen einen besseren Ruf als das Gespräch. Nicht nur die Sängerin Daliah Lavi lobte einst das Beziehungsschweigen mit den Worten „Meine Art Liebe zu zeigen – das ist ganz einfach schweigen. Worte zerstören, wo sie nicht hingehören“. Der Wert des gemeinsamen Schweigens wird auch in dem Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ hervorgehoben. Allgemein gilt, dass dort, wo man „zusammen schweigen“ könne, die Liebe am größten sei.

Das Schweigen der Paare

Beobachtet man aber Paare im Restaurant, wenn sie sich stumm gegenübersitzen, das Besteck streicheln und die Tischtuchfalten glätten, hat man den Eindruck, dieses Schweigen ist doch nicht so angenehm, wie allgemein behauptet. Ein Gespräch zu zweit wäre irgendwie netter – aber ein Gespräch über was?

Vor allem im Urlaub ist das Paargespräch für viele mühsam. Denn da ist man den ganzen Tag zusammen – und was soll man reden? „Beziehung lebt durch Gespräch“ lautet das Credo vieler Paartherapeuten, und damit ist nicht das allgemein gefürchtete Beziehungsgespräch gemeint, sondern das einfache Miteinander-Reden über „Gott und die Welt“. Schon der berühmte Paartherapeut Friedrich Nietzsche sprach von der Ehe als einem langen Gespräch: „Man soll sich beim Eingehen einer Ehe die Frage vorlegen: glaubst du, dich mit dieser Frau bis ins Alter hinein gut zu unterhalten? Alles andere in der Ehe ist transitorisch, aber die meiste Zeit des Verkehrs gehört dem Gespräche an.“

Wie kommt man vom Small Talk zum Deep Talk?

Googelt man das Wortpaar „Beziehung und Gespräch“, finden sich in verschiedenen Foren verzweifelte Hilferufe von Menschen, denen die Gesprächsthemen in Beziehungen ausgehen. Die Verunsicherung ist groß. Ist es das Ende, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat? Oder ist es normal? Aber auch am eventuellen Anfang einer Beziehung, beim Dating, ist die Angst vor stockenden Gesprächen und peinlichem Schweigen groß.

Deshalb gibt es immer mehr Ratschläge und Hilfestellungen zur Vermeidung der Gesprächsstockung in Datingsituationen. Beim Dating ist es nämlich wichtig, dass man vom Small Talk zum Deep Talk findet. Ratsuchenden werden die Themenkreise Familie/Urlaub/Reisen/Hobbys vorgeschlagen. Auch eine Liste verrückter Fragen soll helfen, das Dating-Gespräch in Gang zu bringen: Was ist das Dümmste, das du jemals getan hast? Tattoo oder Piercing? Berge oder Strand?

Gesprächsleitfaden – gereimt

Meiner Erfahrung nach kann das aber keinem Gesprächsverunsicherten aus der Patsche helfen. Deshalb möchte ich hier mit einem kurzen, erprobten Gesprächsleitfaden vom Small Talk zum Deep Talk weiterhelfen. Weil ich Songwriterin bin, kommt meine Hilfestellung gereimt:

Was isst du gerne und wo kommst du her
Wieviel Geschwister, ist da noch mehr?
Deine letzte Freundin - Echt? Bei mir genauso,
Macht mir überhaupt nix. Ich bin sogar froh
Kindheit und Jugend, erste Irritationen
Krankheiten, Allergien, Operationen
Studium und Arbeit, Autos die man hatte,
Das erste Mal- die erste Platte

Abtreibungen, Kinder, Auslandsaufenthalte
Wie soll man nur die Zukunft gestalten?
Schicksalshafte Begegnungen, Bundesjugendspiele
Kindheitstraumata, Probleme viele.

Bist du eher Einzelgänger oder beliebt bei allen?
Wann bin ich dir das erste Mal aufgefallen?
Verpasste Gelegenheiten, verborgene Talente
Große Augenblicke, ganz, ganz wichtige Moment
 
Mein Fazit zum Thema:
So viele Fragen müssen wir uns stellen
Denn nur durch Fragen lernen wir uns kennen
Wenn alles gefragt ist, alles gesagt ist, ist alles getan
Dann machen wir Schluss und beim nächsten
Fängts wieder von vorne an.

Sprechstunde – die Sprachkolumne

In unserer Kolumne „Sprechstunde“ widmen wir uns alle zwei Wochen der Sprache – als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. Wie entwickelt sich Sprache, welche Haltung haben Autor*innen zu „ihrer“ Sprache, wie prägt Sprache eine Gesellschaft? – Wechselnde Kolumnist*innen, Menschen mit beruflichem oder anderweitigem Bezug zur Sprache, verfolgen jeweils für sechs aufeinanderfolgende Ausgaben ihr persönliches Thema.

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