Wie Comiczeichner ihren Lebensunterhalt verdienen
Die Patchwork-Branche
Comics bekommen derzeit im Feuilleton viel positive Aufmerksamkeit und gelten als eines der wenigen Wachstumssegmente im Buchhandel. Und sie sind auch für den internationalen Kulturaustausch von zunehmender Bedeutung: So werden in diesem Jahr beim Toronto Comic Arts Festival (TCAF) im Mai mit Unterstützung des Goethe-Instituts rund zehn Vertreter der deutschen Comicszene sich und ihre Arbeiten in einem „German Pavilion“ präsentieren, darunter Ulli Lust, Anna Haifisch und Martina Schradi. Dies ist ein Teil des Projektes Germany @ Canada 2017 zum 150. Jahrestag der kanadischen Staatsgründung. Im kommenden Jahr wird es dann im Gegenzug einen Kanada-Schwerpunkt beim Internationalen Comic-Salon Erlangen geben.
Für diejenigen, die Comics schreiben und zeichnen, sind sie dennoch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur selten ein lohnendes Geschäft. Die Arbeit ist aufwändig und zeitintensiv, die Verkaufszahlen liegen gerade bei anspruchsvolleren, langen Autorencomics oft nur im drei- oder vierstelligen Bereich – da bleibt oft nicht viel Geld für Autoren und Künstler übrig.
Michael Cho schätzt, dass etwa 50 Prozent seiner Arbeit als Zeichner direkten Comic-Bezug hat. Andere Comiczeichner aus seinem Bekanntenkreis arbeiten als Kunstlehrer an Schulen, sind an der Produktion von Animationsfilmen beteiligt, zeichnen Illustrationen für Zeitungen oder verdienen ihr Geld als „Visual Recorder“ für Konzerne, die Veranstaltungen in Zeichnungen festhalten.
Ähnlich geht es Joe Ollmann, dessen Graphic Novel „The Abominable Mr. Seabrock“ kürzlich beim renommierten Verlag Drawn & Quarterly veröffentlich wurde. „Fast jeder, der in Kanada Comics macht, hat nebenbei noch einen Teilzeitjob oder arbeitet als freier Mitarbeiter“, sagt der in Hamilton, Ontario, lebende Autor und Zeichner. Viele seiner Bekannten arbeiten zum Beispiel als Storyboard-Künstler für Filmfirmen. „Ich schätze, dass 15 Prozent der kanadischen Comiczeichner ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch Comics verdienen“, sagt Ollmann.
In Deutschland dürfte der Anteil der Comiczeichner, die ausschließlich von den Einnahmen durch ihre Bilderzählungen leben können, noch geringer sein. In Kanada stehen Szene-Stars wie Jeff Lemire oder Fiona Staples materiell auch deswegen gut da, weil sie viel für den lukrativen US-Comicmarkt arbeiten. Vergleichbare ausländische Engagements gibt es für deutsche Zeichner kaum. Daher gibt es neben international bekannten Bestseller-Autoren wie Ralf König nur wenige Künstler, die nicht neben dem Schreiben und Zeichnen ihrer Comics auch noch andere Einnahmequellen benötigen.
Für eine wachsende Zahl von Zeichnerinnen werden daher Crowdfunding-Plattformen wie „Patreon“ zu einer wichtigen zusätzlichen Einnahmequelle. So auch für die deutsch-japanische Comiczeichnerin Mikiko Ponczeck, die für ihren Manga „Crash’n’Burn“ beim Internationalen Comic-Salon Erlangen 2016 mit einem Max-und-Moritz-Publikumspreis ausgezeichnet wurde, dem renommiertesten deutschsprachigen Comicpreis. Sie hat derzeit knapp 150 Unterstützer, die ihr über Patreon monatlich kleine Summen zahlen – insgesamt 740 Dollar im Monat. Im Gegenzug bekommen die Unterstützer Zugang zu exklusiven Comic-Strips, Tutorials und bei größeren Zahlungen auch Originalzeichnungen.
Auch der Comiczeichner Flix, dessen Bücher und Comicserien mehrfach mit einem Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet wurden, nutzt das Internet für sich – allerdings weniger zum Geldverdienen und mehr zum Kontakt mit seinen Fans. So veröffentlicht er online aktuelle Strips aus seinem Familienalltag und betreibt über seine Internetseite einen Webshop, in dem es exklusive Flix-Artikel wie T-Shorts, Tassen oder Frühstücksbrettchen gibt. Die Einnahmen dafür decken jedoch gerade mal die Kosten, sagt er: „Das ist ein schönes Hobby, mehr nicht.“
„Mein Großvater war Kleinbauer, der hat viele Pflanzensorten gleichzeitig gesät, ohne zu wissen, was Früchte trägt“, sagt Flix. „So ähnlich mache ich das auch.“ Denn der kommerzielle Erfolg ist trotz seiner Popularität bei den Lesern schwer zu planen: Von einigen seiner Bücher wurden nur ein paar hundert Exemplare verkauft, so von den gesammelten „Heldentage“-Strips, die zuerst auf seiner Website veröffentlicht wurden. Andere Bücher wie seine „Don Quixote“-Adaption haben sich inzwischen mehr als 40.000 mal verkauft – für Autorencomics in Deutschland eine beachtliche Zahl.
Manche Zeichner nehmen die nicht immer leichte materielle Situation mit Humor. Der Berliner Zeichner Olaf Schwarzbach alias OL hat das in einem Cartoon festgehalten. Da fragt ein Passant einen Straßenkünstler, ob er denn von seine Arbeit leben könne. Dessen Antwort: „Natürlich nicht. Ich bin seit drei Jahren tot.“