Schriftsteller und Illustrator
Wolf Erlbruch

Wolf Erlbruch
© Verlag Antje Kunstmann GmbH

Neugier und Forschergeist sind charakteristisch für Erlbruchs Arbeit. Aber seiner Technik einen konkreten Namen zu geben oder Elemente zu entdecken, die in all seinen Werken zu finden sind, ist nicht leicht. Denn Erlbruch bedient sich vieler verschiedener Mittel: Er kombiniert Zeichnung, Malerei und Collagetechniken.

Von Vanesa Díaz

Wolf Erlbruch (Wuppertal, 1948) wurde, nachdem er eine erfolgreiche Werbekampagne illustriert hatte, von einem Verleger angefragt, eine Geschichte des ghanaischen Aktivisten und Akademikers James Emman Kwegyir Aggrey zu bebildern. Der Adler, der nicht fliegen wollte (1985) ist eine afrikanische Fabel, die auf einfache Weise zeigt, wie sehr der Kolonialismus afrikanische Männer und Frauen noch immer belastet. Auch wenn die Fabel Erlbruchs Aufmerksamkeit vermutlich schnell geweckt hatte, war er sich nicht sicher, ob er den Auftrag annehmen sollte. Die Geburt seines Sohnes Leonard brachte ihn schließlich dazu zu akzeptieren. Der Gedanke, seinem Sohn das vorführen zu können, was später sein erstes illustriertes Buch sein sollte, gab Erlbruch den Impuls, der ihm fehlte. Nun schlug er einen Weg ein, der ihn zu einer der bekanntesten und meistgefeierten Persönlichkeiten der illustrierten Literatur machen sollte.

Wolf Erlbruchs Werk ist geprägt durch die wohl nie endende Suche nach Antworten auf die Frage, was das Denken der Kleinsten ausmacht.

Bild von "Bild Der Maulwurf, der wissen wollte wer ihn auf dem Kopf gemacht hat"
© Peter Hammer Verlag
Wolf Erlbruch studierte Grafikdesign mit dem Schwerpunkt Zeichnen. Es war nie sein Plan, Teil der literarischen Welt zu werden, aber Der Adler, der nicht fliegen wollte öffnete ihm Türen. Fünf Jahre nach diesem ersten Projekt soll Erlbruch eine Geschichte illustrieren, deren Titel bereits etwas von der Handlung verrät: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat (1989) ist eine lustige kleine Geschichte, in der der Urheber der maulwurfschen Kopfbedeckung gesucht wird. Während die Nachforschungen voranschreiten, werden  Leserinnen und Leser eingeladen, den Stuhlgang verschiedener Tiere kennenzulernen: Es gibt Kuhfladen und Hasenköttel zu sehen, aber nichts gleicht dem, was auf dem Kopf des Maulwurfs gelandet ist. Ein Verdächtiger nach dem anderen wird ausgeschlossen, bis endlich der Schuldige gefunden ist. Der kleine Maulwurf, am Anfang der Suche verärgert, ist wieder guter Dinge und hat außerdem etwas über andere Lebewesen gelernt. Es gab Eltern, die sich mit der Geschichte und ihren Illustrationen unwohl gefühlt haben. Das Buch war dennoch ein voller Erfolg, wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und fand vor allem bei kleinen und neugierigen Leser*innen großen Anklang.

Wolf Erlbruchs Werk ist geprägt durch die wohl nie endende Suche nach Antworten auf die Frage, was das Denken der Kleinsten ausmacht. In Das Bärenwunder (1993), das ihm den Deutschen Jugendliteraturpreis einbrachte, wendet sich Erlbruch einer Figur zu, die noch häufig in seinen Geschichten zu finden sein wird. Ein Bär erwacht aus seinem sechsmonatigen Winterschlaf und stillt zuallererst seinen Bärenhunger. Dann kommt dem Bären der Gedanke, dass er doch ein guter Vater sein könnte. Auf der Suche nach Hinweisen darauf, was zu tun ist, damit sich sein Wunsch erfüllt, wendet er sich an die anderen Tiere. Sie erzählen ihm aus ihrer Perspektive, was gemacht werden muss, um ein Kind zu bekommen. Der Bär hört sich die Ratschläge an und befolgt sie: Das Ergebnis ist urkomisch. Aber das Eierlegen funktioniert nicht und auch das Warten darauf, dass Hunderte kleine Kaulquappen schlüpfen, erfüllt den Wunsch des Bären nicht. Denn jedes Tier erklärt ihm, wie die Fortpflanzung bei der eigenen Art funktioniert. Eines Tages trifft der Bär eine Bärin, die sich ebenfalls ein Kind wünscht. Und schließlich gibt es Anzeichen für einen neuen Anfang.

Obwohl der Tod in unserem Leben ja eigentlich so präsent ist wie das
Bild "Ente, Tot und Tulpe"
© Barbara Fiore Verlag
Leben selbst, befand Erlbruch, dass es wenig Texte gibt, die dazu einladen, mit Kindern über das Thema zu sprechen, und so entstand Ente, Tod und Tulpe (2007) aus einer Lücke heraus. Auf den ersten Blick scheint der Tod kein passendes Thema für eine Leserschaft im Kindesalter zu sein, aber Ente, Tod und Tulpe bringt eine*n dazu, solch eine Einstellung zu überdenken. Das Buch weist Elemente des Totentanzes auf, bei dem der Tod durch ein menschliches Skelett dargestellt wird. Erlbruch greift diese Vorstellung auf und integriert sie in eine sensible Geschichte. Eine Ente bemerkt, dass der Tod anwesend ist und beginnt, sich an seine Begleitung zu gewöhnen. Und auch der Tod beginnt, sich an die Ente zu gewöhnen. Als diese zum letzten Mal ihre Augen schließt, verabschiedet er sich von ihr mit großer Zärtlichkeit.

Neugier und Forschergeist sind charakteristisch für Erlbruchs Arbeit. Aber seiner Technik einen konkreten Namen zu geben oder Elemente zu entdecken, die in all seinen Werken zu finden sind, ist nicht leicht. Denn Erlbruch bedient sich vieler verschiedener Mittel: Er kombiniert Zeichnung, Malerei und Collagetechniken. Die Ergebnisse sind vielfältig, Erlbruch erfindet sich oft neu. Sicher ist, dass Erlbruch mit seiner Arbeit Menschen um eine Geschichte herum zusammenbringen, sie gemeinsam erzählen und über sie diskutieren möchte.

Bild "Der Bär, der nicht da war"
© Barbara Fiore Verlag
Wolf Erlbruch bedient sich für seine Geschichten weder einer „besonderen Vorgehensweise“ für Kinder noch einer prätentiösen Ästhetik, wie sie in manchen Disney-Verfilmungen zu finden ist; wie zum Beispiel bei der von Pinocchio, bei der Pinocchio wie ein glänzendes Plastikspielzeug aussieht, das keinerlei Unebenheiten einer Holzmaserung mehr aufweist. Aber auch Disneys Happy End beim Glöckner von Notre Dame raubt der Geschichte von Victor Hugo ihre Eindringlichkeit. Erlbruch nimmt das Zeichnen, auch und insbesondere von Kinderliteratur, sehr ernst. Seine Werke regen zu Gesprächen an und entstehen aus der Unbeschwertheit und dem neugierigen Geist von Kindern. Sie stehen dabei völlig im Gegensatz zu dem Trend, Ecken und Kanten abrunden und Geschichten stets sorg- und harmlos machen zu wollen.


 

Wolf Erlbruch

Wolf Erlbruch, 1948 in Wuppertal geboren, studierte ab 1967 Grafik-Design mit zeichnerischem Schwerpunkt an der Folkwang-Schule für Gestaltung in Essen-Werden. Nach dem Abschluß 1974 begann er seine freiberufliche Tätigkeit als Illustrator in der Werbebranche. In den folgenden Jahren publizierte er zunehmend Illustrationen in internationalen Magazinen, u.a. in: Esquire, GQ magazine New York, Stern, Transatlantic und Twen. Er erhielt zahlreiche Preise für Illustration des Art Director Club (ADC) in New York. Ende der 80er Jahre begann er, Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. 1990 folgte er der Berufung zum Professor an die Fachhochschule Düsseldorf, ab 1997 war er Professor für Illustration an der Bergischen Universität Wuppertal. (Quelle: Autoren Details: Peter Hammer Verlag - Wuppertal, 6.6.22)

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