Residenzen
Zwischen 2024 und 2025 finden Residenzen in verschiedenen Territorien statt – vom Amazonasgebiet und dem Atlantischen Regenwald bis zu den borealen Wäldern in Nordeuropa und Museen in Deutschland, die Sammlungen indigener Völker beherbergen. An jedem dieser Orte bestimmen die gastgebenden Gemeinschaften selbst die Themen, Methoden und Arbeitsweisen. Wissen und Austausch entsteht dabei aus den jeweiligen lokalen Kosmoperzeptionen heraus.
In diesen Begegnungen gehen Kunst und Wissenschaft Hand in Hand: von Forschungen zu Biodiversität und Klimawandel bis hin zu kollektiven Schöpfungsprozessen, die Klimagerechtigkeit, regenerative Ökonomien und koloniale Brüche thematisieren.
Die Ergebnisse dieser Residenzen werden in einer Ausstellung zur COP30 in der Galeria Benedito Nunes im Zentrum von Belém präsentiert, wo Werke und Prozesse mit einem lokalen und internationalen Publikum geteilt werden.
Erfahren Sie mehr über unsere Projekte auf der COP 30.
Erfahren Sie mehr über die Residenzen:
- Museum Fünf Kontinente, München, und Nantesbuch (Deutschland)
Die Residenz von 2024 schlägt neue Modelle der Zusammenarbeit zwischen Museen, indigenen Gemeinschaften, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen vor. Sie fokussiert die kritische Auseinandersetzung mit den brasilianischen Sammlungen von Von Martius und Spix in deutschen Museen. Diese Sammlungen, die zwischen 1817 und 1820 entstanden, gelten bis heute als wissenschaftliche Referenz für die Biodiversität des Amazonasgebiets. Ihre Reinterpretation eröffnet eine strategische Möglichkeit, indigene Kosmologien in die territoriale Bewirtschaftung und den Schutz immateriellen Kulturerbes zu integrieren. An dieser Residenz nehmen teil: João Paulo Lima Barreto, promovierter Anthropologe an der Bundesuniversität Amazonas (UFAM) und Gründer des Bahserikowi-Centro de Medicina Indígena sowie die Kuratorin und Künstlerin Anita Ekman. In Zusammenarbeit mit dem Historiker Freg J. Stokes vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (Jena) entsteht in der Stiftung Kunst und Natur (Nantesbuch, Deutschland) die Serie Forest Histories, darunter die Folge „Resistance in South America“, die über 500 Jahre Waldrodung und indigenen Widerstand behandelt. An der Produktion wirkt auch Diego Akel.
- Gáregasnjárga, Sápmi (Finnland)
Die Begegnung zwischen den Künstlerinnen Renata Tupinambá und Sunná Máret ist der Erforschung von Klängen und musikalischen Ausdrucksformen ihrer jeweiligen Territorien gewidmet. Sámi Künstlerinnen aus der Gegend um die Stadt Ánar nehmen punktuell an den Gesprächen und Naturspaziergängen teil. Der Dialog zwischen den Sámi- und der Tupinambá-Traditionen eröffnet neue Wege zu einer gemeinsamen Klangkartografie der borealen und tropischen Wälder.
- Ateliê Arte Mangue Marajó, Pará (Brasilien)
Entwicklung eines Projekts zur Bewahrung des Kulturerbes von Marajó und der Marajoara-Keramik, durchgeführt von den Keramiker*innen Cilene Andrade und Ronaldo Guedes. Die Residenz umfasst kollektive Praktiken zur Bewahrung der Carimbó-Kultur und der Keramikkunst und zielt auf die Stärkung der lokalen Organisation AMPAC ab im periphären Stadtteil Pacoval in Soure, Hauptstadt der Insel Marajó in Nordbrasilien.
- Aldeia Rio Silveira, São Paulo (Brasilien)
Bau eines „Opy“ – eines Guarani Mbya-Gebetshauses und Heilraums – mitten im Atlantischen Regenwald. Die Residenz, an der über 30 Personen der Guarani- und Maxacali-Völker teilnehmen, führt zu intensivem Austausch und kollektiver Kunstproduktion über die Kosmoperzeptionen der indigenen Völker der Nhe’ery (Atlantischer Regenwald). Durchgeführt von Cristine Takuã und Carlos Papá im Rahmen ihrer Escola Viva, vereint die Residenz verschiedene Mitwirkende des Projekts „Kosmoperzeptionen des Waldes“, darunter Aimema, Anita Ekman und Freg Stokes sowie die Kurator*innen Sandra Benites und Rodrigo Duarte und die Künstler*innen Brisa Flow und Ian Wapichana.
- La Chorrera, Kolumbianischer Amazonas
Im Rahmen intergenerationeller Vorbereitungen in der Uitoto-Gemeinschaft wird die Maloca errichtet – ein Gemeinschaftsraum, der Erinnerung, Spiritualität und Widerstand der Uitoto symbolisiert – und als erster Ort für die künstlerische Residenz des Künstlers Aimema Uai dient.
Transversale Bewegungen
Das Projekt beschränkt sich nicht auf Residenzen: Es pulsiert in verschiedenen Räumen, Zeiten und Formaten. Zahlreiche Initiativen sind hinzugekommen, die Momente der Begegnung, Reflexion und des Zelebrierens ermöglichen:
- REPAIR * RECONNECT * REMATRIATE 2025, Rio de Janeiro (Brasilien)
Transterritoriales Treffen für Rückführungsstrategien im November 2025 in Rio de Janeiro. Kuratiert von Guanabara Pyranga (Renata Tupinambá, Nana Orlandi und Lucas Canavarro) und Nathalia Grilo, initiiert vom deutsch-französischen Programm „Juntes na Cultura“ (Partnerschaft zwischen dem Goethe-Institut Rio de Janeiro und dem französischen Konsulat in Rio). Das Event findet am 3., 4. und 5. November 2025 im Prédio Docas André Rebouças in Pequena África statt, verwaltet von der Fundação Palmares. Das Treffen diskutiert Praktiken der Rematriierung, die über die physische Rückgabe von Objekten hinausgehen und als kontinuierlicher Akt der Wiedergutmachung verstanden werden. Das Programm umfasst Performances, Gesprächsrunden, Workshops und Klangspaziergänge in Pequena África, um lokalisiertes Wissen zwischen indigenen, afro-brasilianischen und internationalen Gemeinschaften auszutauschen.
- AMAZONAS-WOCHE 2025, Berlin (Deutschland)
In Zusammenarbeit mit der brasilianischen Botschaft in Berlin wird die Ausstellung „Die Erde ist der Uterus der Zeit“ zu Ehren des indigenen Archäologen Carlos Augusto da Silva („Tijolo“) gezeigt. Präsentiert werden Werke von Kollektiven wie AMITIKATXI und Awaete, dem Kollektiv Constelar Ancestral sowie Fotografien und Performances, die das koloniale Erbe in europäischen Sammlungen hinterfragen.
Die Konferenz „Archäologie und Kosmoperzeptionen des Waldes“, in Partnerschaft mit der FAPESP und unterstützt vom Projekt „Amazônia Revelada“ und der Cátedra Martius, beleuchtet neue archäologische Entdeckungen im Amazonasgebiet, ermöglicht durch Spitzentechnologie im Dialog mit dem traditionellen Wissen indigener Völker. Zudem wird die Kartierung archäologischer und ethnografischer Sammlungen vorgestellt, die tiefe Verbindungen zwischen Territorium, Erinnerung und Kosmologien offenbart.
Unterstützt vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) wurde eine musikalische Performance von Patrick Angello realisiert, der den Soundtrack des zweiten Films der Serie „Forest Histories“ mit dem Titel „Kosmopolitik des Waldes“ komponierte. Dieses Projekt entstand in Zusammenarbeit mit João Paulo Lima Barreto, Anita Ekman, Ana Matyhas, João Vitor Campos Silva (Instituto Juruá) und mit Unterstützung der Cinemateca Brasileira.
- FESTIVAL GREEN CULTURE 2025, Essen (Deutschland)
Teilnahme von Marcele Oliveira, Youth Climate Champion der COP30, die die Perspektiven und transformativen Lösungen junger Menschen der Peripherien Brasiliens vertritt, mit Fokus auf kulturbasierte Ansätze für Klimagerechtigkeit.
- ATLAS BRASILIENSIS 2025, München (Deutschland) und Manaus (Brasilien)
Das Projekt „Atlas Brasiliensis – Ein Counternarrativ der Regenwälder“ hinterfragt das koloniale Bild der Amazonasregion und ihrer menschlichen und nicht-menschlichen Bewohner, das durch deutsche Expeditionen im 19. und 20. Jahrhundert geprägt wurde und in Museumssammlungen fortbesteht.
Entstanden im Laufe des Jahres 2025 in der Lithografie-Werkstatt der Münchner Künstlerhaus-Stiftung sowie in Manaus (Bahserikowi – Zentrum für indigene Medizin und MUSA – Amazonas-Museum), wird das Projekt von Anita Ekman, Dr. João Paulo Lima Barreto (Tukano), Ivan Barreto (Tukano) und Frauke Zabel koordiniert. Mitwirkende sind u.a. Freg J. Stokes (Max-Planck-Institut für Geoanthropologie) und Laura Kemmer (Cátedra Martius – Deutschland-Brasilien für Geisteswissenschaften und Nachhaltigkeit).
- MITsp 2025, São Paulo (Brasilien)
Als Teil des Theaterfestivals MITsp2025 wird die Performance „Kosmoperzeptionen des Waldes“ im Centro Cultural São Paulo gezeigt. Mit dabei sind indigene Künstler*innen Sandra Nanayna, Larissa Duarte, Renata Tupinambá und Sunná Máret sowie Anita Ekman und Studio Curva. Die Performance lädt dazu ein, sich klanglich matriarchale Welten vorzustellen, die auf Fürsorge und Austausch basieren.
- SKÁBMAGOVAT INDIGENES FILMFESTIVAL 2025, Sápmi (Finnland)
Die Filmemachenden Carlos Papa Guarani und Cristine Takuã präsentierten ihre Filme und nahmen an Gesprächsrunden mit anderen indigenen Filmschaffenden, wie Suvi West, teil.
- ANTHROPOZÄN-CAMPUS 2024, Rio de Janeiro (Brasilien)
Dialog zwischen Wissenschaft, Kunst und Aktivismus in Workshops, Vorträgen und Ausstellungen wie „Ökologien des Vertrauens“ an der ESDI und „Die Erde ist der Uterus der Zeit“ im Casa Artistas Latinas, kuratiert von Anita Ekman und Cristine Takuã. Die Ausstellung zeigte erstmals in Brasilien kollaborative Prozesse zeitgenössischer Kunst, initiiert von den Kurator*innen und einem Netzwerk von Mitwirkenden – insbesondere Kollektiven indigener Frauen, die in ihren Gemeinschaften leben und kämpfen, um durch Kunst die Erinnerung an das Körper-Territorium der tropischen Wälder Südamerikas lebendig zu halten.
- Forschung zur borealen Waldregion 2024, Sápmi (Finnland)
Besuch und Forschung des Wissenschaftlers und Historikers Freg Stokes vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Anár, Sápmi, in Zusammenarbeit mit Sunná Máret, mit dem Ziel einer Waldkartierung.
- Online-Studiengruppe 2024–2025 (Remote)
Monatliche Treffen via Zoom mit Simultanübersetzung, externen Gästen und Protagonist*innen aus den Territorien. Räume für den Austausch von Texten, Filmen, Kunstwerken und Erfahrungen, die als Atempausen im Produktionsalltag und als Übungen zur Wissensweitergabe dienen. Bei Interesse bitte E-Mail an: astrid.kusser@goethe.de
Publikation
Ein Teil, der in den letzten zwei Jahren entstandenen Inhalte ist in einem Spezial der Humboldt-Zeitschrift versammelt, um die Verbreitung dieser Stimmen und Wissensformen für verschiedene Zielgruppen zu erweitern.