Tanz im öffentlichen Raum
die Herausforderung von Behinderung

Performance
Foto: © Hassan Emad

Kraft, Wille, Herausforderung, Liebe, Vielfalt, Freundschaft...es ist eine Fülle menschlicher Gefühle, welche die Tänzerinnen und Tänzer zum Ausdruck bringen. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern, doch sie sind verbunden in der ihnen gemeinsamen Liebe zum Leben. Die Performances, Teil des D-CAF Festivals 2018, fanden im Goethe-Institut Kairo (Downtown) statt, wo das Publikum gespannt auf den Beginn der Vorführungen wartete.

„Trolleys“ („Einkaufswagen“) ist der Titel der ersten Vorführung, bei der die Tänzer ebendiese über die Bühne schieben. Ihre Bewegungen sind energisch und flexibel, begleitet von enthusiastischer Musik. Es ist für wahr keine gewöhnliche Vorstellung. Mit fünf Einkaufswagen aus dem Supermarkt vereinen die Tänzer Elemente von Streetdance und Ballett. Zwei Wagen treffen sich und verlieben sich ineinander, ein Wagen sucht verzweifelt nach einem Freund während die anderen Einkaufswagen einen wilden anarchistischen Tanz aufführen. Sie spiegeln unsere moderne Welt wieder, in der die Menschen als Teil eines erbarmungslosen kapitalistischen Sysems nur noch konsumierende „Einkaufswagen“ sind.

D-Caf Perfor 1 Foto: © Hassan Emad Die 20-minütige Performance der australischen Tänzer Hayley Chilvers, Timothy Clark, Georgia Godfrey, Jamie Morgans und Jacob Smart stammt aus der Feder des Regisseurs und Choreografen Shaun Parker mit Musik von Nick Wales.

„Wir stehen an einem sehr wichtigen Punkt in der siebenjährigen Geschichte dieses Festivals. D-CAF ist das erste unabhängige, internationale, genreübergreifende Festival in Ägypten, das nun das siebte Jahr in Folge stattfindet. Die Sieben ist eine magische Zahl, sie verleiht ein Gefühl von Erfüllung und positivem Neubeginn, von Glückseeligkeit, Stolz und tiefer Dankbarkeit“, erklärte Festivaldirektor Ahmed El Attar, in der Hoffnung, dass das Publikum das Festival genießen möge, welches vom vom 8.-29. März stattfand.

Es war ein gelungener Auftakt: „Trolleys“ hat das Publikum begeistert. Es folgten zwei kreative und inspirierende Performances über die Herausforderung von Behinderung, Lebensfreude und Freundschaft.

Zunächst eine Hommage an Frauen, die Liebe, das Leben und Freundschaft: das 15-minütige „Dedicated to...“ („...gewidmet“). Die Performance zeigt, wie stark Frauen sind und dass sie sich gegenseitig unterstützen und wahre Freundschaften knüpfen können. Der Tanz steht im Einklag mit einem Jahr, in welchem Frauen überall auf der Welt dafür kämpften, das Schweigen über die Ausnutzung von Frauen und ihre desolaten Arbeitsbedingungen zu brechen, sowie die ihnen seitens der Gesellschaft auferlegen Fesseln zu sprengen. Die beiden Tänzerinnen Welly O’Brien und Victoria Fox, eine der beiden mit nur einem Bein, senden eine Botschaft an das Publikum und die ganze Welt: Dass Frauen viel erreichen können, wenn sie sich zusammenschließen, gemeinsam den „Tanz des Lebens tanzen“ und lange Zeit für unbestreitbar gehaltenen Postulaten die Stirn bieten.
 

  • Perfor. D-Caf Foto: © Hassan Emad
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  • Perfor. D-Caf Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf Foto: © Hassan Emad
Verantwortlich für Konzept, Choreografie und Regie war Caroline Bowditch, das Design stammt von Laura Hook, die Musik von Zac Scott.

Das Programm „Arts and Disabilities” (Kunst und Behinderung) stand im Fokus des Festivals und so folgte im Anschluss an „Dedicated to...“ die Performace „Square one“ der drei ägyptischen Tänzerinnen Mennatallah Azmi, die im Rollstuhl sitzt, Marihan Samy und Nermine Habib. Die Choreografie von Tara Brandel und ihrer Assistentin Hend Samy dauerte 20 Minuten.

Zunächst war es schwierig sich vorzustellen, wie eine Frau, die im Rollstuhl sitzt, tanzen kann. Doch genau das ist die Botschaft des Stücks, welches einerseits auf dem Konzept des „soft animal self“ der Dichterin Mary Oliver basiert, und andererseits auf den Ideen des Künstler Richard Tuttle, der sagte: „Square One ist, wenn Du den Punkt erreichst, an dem Leben und Kunst eins werden.“ Mennatallah Azmi kann sehr viel, allein mit ihren Armen. Und so erkundet die Performance unsere alltäglichen Erfahrungen mit Tanz und Bewegung.
 
  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
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  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
  • Perfor. D-Caf 3 Foto: © Hassan Emad
Beine bewegen sich, Arme durchschneiden die Luft, die Frauen schauen nach oben, flexibel bewegen sie ihre Körper, die Füße überkreuzen sich und entfernen sich wieder. Das ist „Square One“, wo Kunst und Leben eins werden. Es strahlt eine Kraft aus, die nichts und niemand brechen kann, nicht einmal der Rollstuhl, dem es nicht gelingt eine Frau zurückzuhalten, die sich der Kunst verschrieben hat.

Nach zwei emotionsgeladenen Tanz-Performances war es Zeit für etwas Neues. Das Bühnenbild wechselt, der Raum wird erweitert und wir sehen einen jungen Mann auf dem Dach eines einstöckigen Gebäudes. Gespannt wartet das Publikum darauf, was wohl als nächstes geschieht. Musik setzt ein und aus dem Untergeschoss erscheint ein zweiter junger Mann. Langsam steigt er die flachen Stufen herauf und beginnt zu tanzen. Von der anderen Seite erscheint eine Frau, sie sieht anders aus, hat einen anderen kulturellen Hintergrund. Insgesamt acht Tänzer, alle unterschiedlicher Herkunft, erscheinen und es wird klar, worum es bei dem Tanz mit dem Titel „Shapers“ geht.
 
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
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  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
  • D-Caf Perfor 4 Foto: © Hassan Emad
Musik spielt und die Tänzer folgen ihrer jeweils eigenen Choreografie, jeder für sich in seinem Bereich. Plötzlich steigt der junge Mann, der oben auf dem Gebäude sitzt, über einen Baum neben der Hauswand herab und kommt schließlich aus dem dichten Gebüsch am Fuß des Baums hervor. Er trägt einen Stein in der Hand mit dem er zu tanzen beginnt. Nun überschneiden sich die Bereiche der Tänzer, mal sind die Bewegungen unterschiedlich mal stimmen sie überein.

Alle tanzen hin und her, manchmal stoßen sie zusammen. Mit dem Tanz, der verschiedene Nationalitäten von nördlich und südlich des Mittelmeers miteinander verbindet, wirft die 45-minütige Vorführung Fragen nach den kulturellen und gesellschaftlichen Unterschieden zwischen Städten und Kulturen auf. Die Tänzer sind Shady Abdelrahman und Ahmed Shamel aus Ägypten, Mourad Koula und Ayoub Kerkal aus Marokko, Lucia Bocanegra und Elvira Balboa aus Spanien, Emma Riba Santuré aus Andorra und Aurore Allo aus Frankreich. Die Choreografie stammt von Anne Le Batard und  Jean-Antoine Bigot. Doch trotz aller Unterschiede führt kein Weg daran vorbei sich zu einigen, denn leztenendes sind wir als Menschen alle gleich.