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„Es geschah in Berlin“
Interview mit dem Romanautor Hisham al-Khashin

Der Autor Hesham El Keshen bei einer Veranstaltung im Goethe-Institut in Kairo
(c) Khaled Sabry / Goethe-Institut

In seinem Roman hadata fī Barlīn (wörtlich „Es geschah in Berlin“) erzählt der ägyptische Romanautor Hisham al-Khashin von deutschen Nazis, die sich in der Nachkriegszeit ins Ausland absetzen – unter anderem nach Ägypten.

Von Eslam Anwar

Inzwischen wurde der Roman, der 2018 beim Kairoer Verlag Maktabat al-Dar al-Arabiyya lil Kitab erschienen ist, in den Lehrplan für den Arabischunterricht in der 10. Klasse an der Deutschen Schule der Borromäerinnen (DSB) in Kairo aufgenommen.
Eslam Anwar hat Hisham al-Khashin gefragt, wie dieses Buch über ein historisches Thema entstanden ist, das Menschen aus einem für Ägypter ungewohnten kulturellen Umfeld in den Mittelpunkt stellt.
 
Schon viele Werke haben sich mit der Nazizeit und den Jahren danach befasst. Was hat Sie dazu bewogen, sich erneut diesem Kapitel der Geschichte zu widmen?

Was mich vor allem fasziniert hat, war die Tatsache, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Altnazis in den 1960er Jahren nach Ägypten ausgewandert ist.
Ich stieß auf ein Kapitel der Geschichte, das nicht niedergeschrieben worden oder, besser gesagt, in Vergessenheit geraten ist. Ich nahm die Fährte auf und besorgte mir mehr Lesestoff zu dem Thema, bis schließlich ein Roman daraus wurde.

Rechte Strömungen sind gerade auf dem Vormarsch, überall treten verstärkt nationalistische Extremisten in Erscheinung. Könnte man Ihren Roman als Warnung auffassen? Wollen Sie davor warnen, dass sich dieser tragische Abschnitt der Geschichte nochmal wiederholt?

Das war sicherlich ein Gedanke, der mich umtrieb, als ich an dem Roman arbeitete. Extremismus hat in der Geschichte der Menschheit schon viele Tragödien verursacht. Aber merkwürdigerweise erinnern sich die Menschen nicht daran. Oder sagen wir mal so: Sie interessieren sich nicht besonders dafür, was wir aus der Geschichte lernen könnten.

Der Roman spielt an verschiedenen Orten in unterschiedlichen Perioden während des 20. Jahrhunderts. Wenn Sie schreiben – inwieweit hängen dann Literatur und Geschichte miteinander zusammen, und inwieweit Realität und Fiktion?

Meiner Meinung nach steckt in allen Charakteren ein Hauch Geschichte. Als Romanautor mit so einer Einstellung muss ich mir beim Entwurf einer Personenkonstellation die historischen und örtlichen Gegebenheiten genau anschauen, die die Romanfiguren geprägt haben.

Ihr Roman bildet Menschen aus einer Gesellschaft und einer Kultur ab, die vielen Ägyptern ungewohnt erscheinen. Wie war das für Sie?

Ungewohnt, auch für mich. Ich habe das als eine Art Abenteuer betrachtet. Aber ich wollte mich darauf einlassen. Schreiben an sich ist immer ein Abenteuer, das sich lohnt. Letztlich müssen wir abwarten, was der Leser sagen wird. Nur darauf kommt es an.

Welche historischen Quellen haben Sie bei den Vorbereitungen zu dem Roman hauptsächlich herangezogen? Und haben Sie mal einen Anlauf gemacht, in Deutschland zu leben?

Nein, das habe ich nicht. Ich war aber mehrmals dort, vor allem in Berlin. Historische Quellen habe ich jede Menge herangezogen.

Der Roman war sehr erfolgreich. Hätten Sie mit einem derart großen Interesse vonseiten der ägyptischen Leserschaft gerechnet?

Ich kann nicht behaupten, dass ich mit diesem Erfolg gerechnet hätte. Ich war mir allerdings sicher, dass ich bei einer bestimmten Gruppe von geschichtsbegeisterten Ägyptern einen Nerv treffen würde, vor allem dann, wenn in irgendeiner Weise ein Zusammenhang zur ägyptischen Geschichte besteht.

Die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Kairo hat den Roman in den Lehrplan aufgenommen. Wie war das für Sie?

Diese Entscheidung der Schulleitung hat mich gefreut, ich empfinde das als Auszeichnung und als die wohl größte Ehrung, die dem Roman zuteil wurde.

In Ihrem Roman kommen ganz massiv filmische Techniken zum Einsatz. Wie hängen, Ihrer Meinung nach, Literatur und Film zusammen?

Alle Arten von kreativer Kunst hängen zusammen, es gibt da immer irgendwelche stilistischen oder technischen Anleihen. Die Symbiose von Literatur und Film ist besonders eng, wie bei Quelle und Mündung desselben Flusses.
 

Hisham al-Khashin

Hisham al-Khashin, geboren 1963 in Kairo, ist Bauingenieur und Romanautor. Sein literarischer Werdegang begann 2010. Inzwischen sind mehrere Romane und Kurzgeschichtensammlungen von ihm veröffentlicht worden, darunter die Romane 7 ‘ayyām fī t-taḥrīr („Sieben Tage auf dem Tahrir“), mā warā‘ al-‘albāb („Was hinter den Türen ist“), ‘Ādam al-maṣrī („Adam, der Ägypter“) und Graphite, der es bis auf die Longlist des arabischen Booker-Preises schaffte.

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