Nachhaltige Landwirtschaft
Ein Wochenende auf dem Land

Iván Gyulai zeigt: Den täglichen Energieverbrauch eines Durchschnittseuropäers könnten mit acht Stunden Handarbeit etwa 80 Andere gemeinsam decken
Foto (CC BY-SA): Bálint Bajomi.

Beim Paraszt-Wellness schnuppern Freiwillige im ungarischen Dorf Gömörszőlős in die nachhaltige Landwirtschaft und ökologische Lebensweisen.

Ein Donnerstagnachmittag im Februar. Junge Städter, zum größten Teil aus Budapest, sind auf dem Weg in ein kleines, verstecktes Dorf im Norden Ungarns mit dem Zug oder in voll besetzten Autos. Nach einer Woche des Arbeitens oder Studierens verbringen sie ein verlängertes Wochenende auf dem Land, doch sie haben sich nicht für Ausschlafen und Entspannung, sondern für aktive Erholung entschieden.

Naturverbundenes Wirtschaften

Bei dem von Gergely Hankó – einem jungen Budapester Landschaftsökologen - ehrenamtlich organisierten Wochenende mit dem Namen Paraszt-Wellness ("Bauern-Wellness") helfen die Freiwilligen bei den Arbeiten, die in einem Bio-Landwirtschaftsbetrieb anfallen. Durchschnittlich 15 Teilnehmer kommen dafür an diesem Wochenende in das nahe der slowakisch-ungarischen Grenze gelegene Gömörszőlős. Für ihre Arbeit erhalten sie Kost und Quartier. Sie reparieren Dächer, tragen Lehmschuppen ab und sammeln dabei Lehmziegel für spätere Wiederverwertung, pflegen Gemüsegärten oder errichten ein mit Kompost beheiztes Treibhaus.

Der Biobauernhof wurde 1993 von dem in Miskolc ansässigen Ökologischen Institut für Nachhaltige Entwicklung gegründet. Das weit gefasste Ziel der Initiative war die praktische Umsetzung des Begriffs der Nachhaltigen Entwicklung. Der Leiter der Stiftung Iván Gyulai entwickelte und verfeinerte im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte das sogenannte Tiefmulchverfahren, das dem Boden Feuchtigkeit und Qualität erhält, die Nährstoffzufuhr sichert und eine mechanische Bearbeitung überflüssig macht. In dem Betrieb in Gömörszőlős wird dieses Verfahren angewandt.

„Die grundsätzliche Frage lautet – so Iván Gyulai –, wie Nachhaltigkeitsmethoden das Leben der Menschen, in unserem Fall in einem winzigen Dorf, verbessern können. Die Lage peripherer Siedlungen ist oft nahezu kritisch: Die Einwohner generieren keine zahlungskräftige Nachfrage und sind zumeist auch nicht im Stande, ein attraktives Angebot vorzulegen. Unser Versuch gilt daher auch der Wiederbelebung des lokalen Markts. Die Besucher des Programms erzeugen ja eine starke und qualitative Nachfrage, und uns gelingt es immer mehr, diese durch örtliche Produkte und Dienstleistungen zu befriedigen, was wiederum den Lebensunterhalt der Einwohner sichert und die Binnennachfrage weckt.“

Unterricht in Nachhaltigkeit

Stiftungsleiter Iván Gyulai berichtet, dass jährlich 2.000 bis 3.000 Besucher aus allen Teilen Ungarns nach Gömörszőlős reisen, um die nachhaltigen, umweltschonenden Technologien und Methoden kennenzulernen, die hier vorgestellt werden. Viele kommen, um am "Bauern-Wellness" teilzunehmen, andere besuchen den Bauernhof im Rahmen eines Schulausflugs. Dabei machen sie Bekanntschaft mit Masse- und Raketenöfen, kompostbeheizten Treibhäusern, einem kompostierenden Plumpsklo, einem System zur Aufbereitung und Speicherung von Grauwasser – dem etwa beim Baden anfallenden, gering verschmutzten Abwasser, das noch als Betriebswasser dienen kann –, einer Dörranlage, Sonnenkollektoren aus gebrauchten Bierflaschen, Solarzellen, Lehm als Baustoff, dem Strohballenhaus, dem Windrad und der Wespengarage, die Wespen als Wohnort dient.

Der Kontakt mit den Einheimischen

Judit É. Kovács ist Bürgermeisterin von Gömörszőlős. Sie sagt, dass in der Gemeinde 73 hauptsächlich ältere Personen ansässig sind, zwischen 60 und 70 Jahren. Hinzu kommen als zeitweilige Bewohner die Besitzer von Wochenendhäusern. Die Tätigkeit der Stiftung hat in großem Maße dazu beigetragen, dass sich in letzter Zeit auch junge Leute in dem Dorf angesiedelt haben – zuerst arbeiteten sie als Freiwillige auf dem Bio-Bauernhof, es gefiel ihnen und schließlich ließen sie sich nieder.

Die Biolandwirtschaft funktioniert sehr gut, dennoch haben viele der älteren Dorfbewohner sie für ihre Höfe nicht übernommen. Sie haben ihre festen Gewohnheiten, die schwer zu ändern sind. Die Stiftung in ihrem Dorf und die vielen Besucher aber haben sie akzeptiert. Mehr noch: Da die autarken Produktionsmethoden lange weitergelebt haben und dieses Wissen auch heute noch präsent ist, bahnen sich langsam blühende Kooperationen zwischen Stiftung, Ansiedlern und Dorfbewohnern an. Letztere kochen Nudeln und Marmelade, brennen Schnaps für die Besucher des Instituts und die Freiwilligen. Allmählich etabliert sich eine Dienstleistungssphäre, die wiederum zur Ausbildung des örtlichen Markts beiträgt. Eine Dorfbewohnerin, die dem Bio-Bauernhof gegenüber wohnt, bemerkt hierzu sogar schlicht: „Wenn es das Institut nicht gäbe, gäbe auch Gömörszőlős nicht mehr.“

Es war auch gar nicht das Ziel der Initiative, aus Gömörszőlős ein Öko-Dorf zu machen. Mit dem Bio-Bauernhof wollte man ein Bildungsinstitut schaffen. Und das ist gelungen. Aus allen Teilen des Landes kommen Interessierte hierher, um die Methoden nachhaltiger Landwirtschaft kennenzulernen. Die Stiftung wirbt auch im Ort für ihre Lehrgänge. Sehr beliebt unter den Dorfbewohnern ist etwa der Kurs in Pilzkunde.

In Gömörszőlős haben schon mehrere Tausend Menschen Wichtiges gelernt – ein Teil von ihnen gleichsam als Erholung, indem sie die Tretmühle des Alltags hinter sich ließen und am Wochenende nützliche Arbeit auf einem Biobauernhof verrichteten.

Top