Journalismus und Medien
Schlau, abhängig und unseriös

Schlau, abhängig und unseriös
Illustration: © Martina Hamouzová

Ein durchschnittlicher Journalist zeichnet sich in der Vorstellung tschechischer Schülerinnen und Schüler von Gymnasien, Mittelschulen und Berufsschulen durch seine gute Bildung aus. Er hat aber auch Probleme mit seiner Unabhängigkeit und Seriosität. Dies ergibt eine Umfrage zur Medienkompetenz tschechischer Schüler. Auf ihrer Liste der bekanntesten Journalistinnen und Journalisten weit oben ist auch der TV-Heimwerker und Tester bizarrer Kochrezepte Láďa Hruška.
 

Von Vojtěch Berger

Ein durchschnittlicher Journalist wäre, so die Schülerinnen und Schüler, weder besonders mutig noch feige, seine moralischen Ansprüche wären durchschnittlich hoch, er wäre nicht überfordert, aber auch nicht unausgelastet, über seinen Lohn sollte sich nicht beklagen, da sein Arbeitgeber ihm etwas mehr als nötig zahlen würde, und seine Haltung gegenüber dem politischen Regime wäre durchschnittlich kritisch.

Auch wenn das für Journalistinnen und Journalisten nicht gerade wie ein Zeugnis mit lauter Einsen aussieht, muss gesagt werden, dass auch die Schülerinnen und Schüler selbst nicht besonders gut abgeschnitten haben.

Einladung zum Abendessen? Geht in Ordnung!

Das Meinungsforschungsinstitut Median, das diese Umfrage im Mai und Juni 2018 für die tschechische NGO Člověk v tísni (Mensch in Not) durchgeführt hat, wollte von den Befragten unter anderem wissen, welches Benehmen von Journalistinnen und Journalisten sie für annehmbar beziehungsweise unangemessen halten. Demnach würde es den meisten zum Beispiel nichts ausmachen, wenn ein Journalist sich von dem Direktor einer Firma, über die er eine Reportage schreibt, zum Abendessen einladen lässt.

Umgekehrt hält es eine Mehrheit für inakzeptabel, wenn Journalistinnen und Journalisten eine falsche Identität annehmen, um an vertrauliche Informationen über Spitzenpolitiker zu kommen. (Auf diese Weise werden aber zum Beispiel Fälle politischer Korruption aufgedeckt: Journalisten geben sich als Lobbyisten aus und nehmen einen Politiker mit verstecktem Mikrofon oder versteckter Kamera auf.)

Die Schülerinnen und Schüler lehnen es auch klar ab, wenn der Eigentümer eines Nachrichtenmediums selbst politisch aktiv ist. Das war etwa der Fall bei Premierminister Andrej Babiš, bevor sein Eigentum in einen Treuhandfonds überführt wurde. Die Befragten halten es auch für falsch, wenn der Betrieb eines Online-Nachrichtenportals von Politikern finanziell unterstützt wird, wie es der Fall ist beim Portal Parlamentní listy (etwa: Parlamentsblätter), das sich als Nachrichtenmedium präsentiert, seine Gelder jedoch über kostenpflichtige Inserate von Politikern und politischen Parteien erhält.
1002 Befragte; die Grafik zeigt den Prozentanteil der Antworten.
1002 Befragte; die Grafik zeigt den Prozentanteil der Antworten. | © Jeden svět na školách | Člověk v tísni

Wer ist hier eigentlich Journalist?

Zugleich wussten die Befragten oft nicht, dass solche Situationen bereits eingetreten sind. Eine Mehrheit konnte nur im Falle des Fernsehsenders TV Barrandov den richtigen Eigentümer identifizieren.

Die Tatsache, dass das Nachrichtenportal iDnes.cz über den Verlag Mafra und den Treuhandfonds letztendlich Andrej Babiš gehört, wusste weniger als die Hälfte der Befragten. Noch geringer war der Anteil derjenigen, die wussten, wer Eigentümer der Website SeznamZprávy.cz (Ivo Lukačovič), der Parlamentní listy (Ivo Valenta), oder des Nachrichtenportals Aktuálně.cz (Zdeněk Bakala) ist.

Die Aufforderung, bekannte Journalistinnen und Journalisten zu nennen, ergab einen interessanten Mix von Moderatoren aus kommerziellen Medien (die mehr „sprechende Köpfe“ als Journalisten sind) sowie auch journalistischer Ikonen des sogenannten „Prager Kaffeehauses“ [eine abwertende Bezeichnung für Intellektuelle aus der Großstadt, Anm. d. Übers.]. Unter den ersten zehn Namen befinden sich Rey Koranteng, Lucie Borhyová und Karel Voříšek auf der einen Seite sowie Martin Veselovský, Daniela Drtinová und Erik Tabery auf der anderen Seite.

Dass der Begriff „Journalist“ für einige der Befragten keinen eindeutigen Inhalt hat, belegt die Nennung von Láďa Hruška – ein TV-Heimwerker und -Koch, der bizarre Rezepte nachkocht. Er wurde am siebthäufigsten genannt.

Die „öffentlich-rechtlichen“ Parlamentní listy

Die Ergebnisse zeigten außerdem, wie unklar den Schülerinnen und Schülern die Bezeichnung „öffentlich-rechtlich“ ist. Dieser Medienkategorie ordnete je ein Drittel der Befragten die privaten Fernsehsender TV Nova oder TV Prima zu, den Rundfunksender Rádio Impuls und sogar das Internetportal Parlamentní listy.

Die Mehrheit der Befragten wusste nicht, dass auch kommerzielle Medien gesetzlich zu objektiver und ausgewogener Berichterstattung verpflichtet sind.

Dass die tschechischen Medien unabhängig sind, glauben die wenigsten. Jedoch erachten zwei Drittel gerade die Unabhängigkeit der Medien als wichtige Bedingung für eine funktionierende Demokratie.

1002 Befragte; die Grafik zeigt den Prozentanteil der Antworten.
1002 Befragte; die Grafik zeigt den Prozentanteil der Antworten. | © Jeden svět na školách | Člověk v tísni

Člověk v tísni hat zum Thema Medienerziehung bereits mehrere Umfragen durchführen lassen. Eine Erhebung Anfang 2018 ergab beispielsweise, dass sich längst auch nicht alle Lehrerinnen und Lehrer, die das Fach Medienerziehung unterrichten, auf dem Gebiet der Medien gut auskennen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studie sind ebenfalls im Rahmen des Projektes #Klartexte auf Deutsch nachzulesen: Unsichere Lehrer  

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