Interview
László Bagossy

László Bagossy
© tri-bühne

Ein Interview mit László Bagossy, dem künstlerischen Leiter der tri-bühne in Stuttgart.

Wann und wie bist du nach Stuttgart gekommen?

Ich war 2005 zum ersten Mal in Stuttgart, als wir mit dem Katona József Theater mit meiner Top-Dogs-Inszenierung im Theater tri-bühne zu Gast waren. Damals habe ich Edith Körber kennengelernt, die jetzt scheidende Direktorin des deutschen Ensembles. Sie hat mich eingeladen, Regie zu führen und dann habe ich dort 17 Jahre lang fast jedes Jahr eine Aufführung gemacht. Sowohl mit der Stadt als auch mit der Truppe kennen wir uns seit sehr langem. Ab der nächsten Spielzeit werde ich nun künstlerischer Leiter des Theaters. Die tri-bühne hatte schon immer starke ungarische Verbindungen, vor allem dank dem Katona József Theater. Gábor Zsámbéki, Gábor Székely, Andor Lukáts und Kriszta Székely haben dort in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls Regie geführt. Zsámbéki war über mehrere Jahre hinweg tonangebender Gastregisseur des Ensembles und hatte eine bedeutende Wirkung auf das Leben des Theaters.

Inszeniertest du auch ungarische Stücke in Deutschland? Fällt deine Wahl hierzulande nach anderen Kriterien aus als in Stuttgart?

Mir wurde bei der Auswahl der Stücke immer viel Freiheit gelassen, aber ich habe diese Freiheit (wie auch hier in Ungarn) immer unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der Bedürfnisse des Ensembles genutzt. Ich habe auch bei mehreren deutschen Stücken Regie geführt, weil ich eine alte Zuneigung zur deutschen Kultur verspüre; zum anderen war ich bewusst bemüht, zeitgenössische ungarische Autoren auf die Bühne zu bringen: Tasnádi, Egressy, Kerékgyártó. Derzeit probe ich ein Stück von Béla Pintér, ich habe aber auch selbst eigene Werke für die tri-bühne geschrieben. Meine Probenarbeit verlief in Stuttgart immer sehr ruhig und intensiv, mit viel Experimentieren, und es kam mehrfach vor, dass ich eine ungarische, weitergedachte Version der dort realisierten Produktionen erstellt habe.

Hilft dir ein*e Dolmetscher*in bei deiner Arbeit als Regisseur? Wie sehr haben sich deine Sprachkenntnisse seit deiner allerersten Regie dort verbessert?

Anfangs habe ich kein Deutsch gesprochen, aber von Anfang an war ich bestrebt, auf Deutsch arbeiten zu können. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, Englisch als Vermittlungssprache zu benutzen, aber das wollte ich ausdrücklich nicht. In den ersten zwei-drei Jahren war ich noch auf das Dolmetschen angewiesen, seitdem komme ich auch auf Deutsch zurecht und ich habe das Gefühl, dass das jedes Jahr besser wird. Jetzt, wo ich nach Deutschland gezogen bin, können sich meine Sprachkenntnisse hoffentlich weiter verbessern.

Liegt dir das Schicksal deiner Regiestudent*innen am Herzen, wie kannst du sie moralisch unterstützen?

Meine Entscheidung, Ungarn zu verlassen, wurde stark vom politischen Überfall auf die SZFE und von der Tatsache beeinflusst, dass wir im Verband der Freeszfe die gemeinsame Arbeit mit meinen Regiestudent*innen weiterführen konnten, wobei ich zu denen gehörte, die das zur Rettung der Diplome ins Leben gerufene Programm EmergencyExit ausgerichtet hatten. Wir wurden Teil eines bedeutenden europäischen Netzwerks und die Studierenden in meiner Klasse erhielten ihr Diplom vom Mozarteum in Salzburg. In meiner neuen Position werde ich mich dafür einsetzen, dass sich möglichst viele Absolvent*innen und Berufseinsteiger*innen der Freeszfe mit Absolvent*innen und Berufseinsteiger*innen unserer europäischen Partneruniversitäten zusammenfinden, damit sie gemeinsame Projekte realisieren und zusammen sogar eine europäische Karriere aufbauen können.

Wie siehst du die Zukunft? Hierzulande – in Deutschland?

In Stuttgart bin ich glücklich. Ich schätze mich glücklich, den letzten Abschnitt meiner Theaterlaufbahn mit einer so spannenden Aufgabe verbringen zu können. Und in einer viel offeneren, solidarischeren und gerechteren Gesellschaft leben zu können als in Ungarn. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber es ist möglich, dass ich nie wieder nach Ungarn zurückkehren werde.

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