Kunstbiennalen
Wenn Künstler zu Kuratoren werden
Wie sehen Ausstellungen aus, die von Künstlern kuratiert werden, und was macht sie so besonders? Was unterscheidet den künstlerischen Ansatz von einem kuratorischen? Vier Experten der Kunstszene berichten über ihre Erfahrungen mit Kuratoren und Künstlern. Im Video äußern sich drei teilnehmende Künstlerinnen der Manifesta-Biennale 2016 zu dem Thema.
Christian Jankowski: Das Kuratieren der Manifesta
Dann kamen die Überlegungen: Was ist überhaupt eine Biennale und welche Biennalen haben mir gefallen? Was unterscheidet eine Biennale von einer Ausstellung? Was ist das Internationale daran? Welche einmalige Möglichkeiten bietet dieses Format? Während eines Spaziergangs in Zürich kam dann die Idee: Ich bringe Künstler, die ich sehr schätze, in eine spezifische Situation und gehe dabei über den institutionellen Rahmen Zürichs hinaus. Sie werden mit Menschen aus unterschiedlichsten lokalen Berufsgruppen ihrer Wahl, unseren Gastgebern, verbunden. Ich bildete also Paare mit der Frage, wie erweitert beispielsweise die Kantonspolizei den zeitgenössischen Surrealismus? – Und damit: Was gewinnt die Kunst aus der Ausweitung ihres professionellen Repertoires?
Interviews mit den Künstlerinnen Georgia Sagri, Andrea Éva Győri und Una Szeemann während der europäischen Biennale Manifesta 11 in Zürich.
Video:
Produktion: Alicja Pahl und Katerina Valdivia Bruch
Konzept: Katerina Valdivia Bruch
Kamera: Alicja Pahl
Redaktion: PrinzplusPrinz
Musik: Audiojungle
Untertitel: Katerina Valdivia Bruch und Edith Watts
Dorothee Richter: Kuratorische Tendenzen
Künstlerinnen und Künstler erwarten vielleicht eher, dass bestimmte Dinge für sie erledigt werden, dass zum Beispiel Geld bei Institutionen aufgetrieben wird, oder dass institutionelle Strukturen bereits vorhanden sind. Für eine Kuratorin, einen Kurator wäre die Situation von Anfang an wahrscheinlich etwas anders. Er oder sie würden viel stärker miteinbeziehen, wie die Biennale strukturell in der Stadt verankert ist. Ein Kurator, eine Kuratorin, hätten vielleicht stärker mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet, die die Themen Arbeit und Geld möglicherweise aus einer marxistischen Perspektive betrachten, mit jemandem, der oder die zum Beispiel über kreative oder immaterielle Arbeit nachdenkt und darüber, wie sich die Verhältnisse innerhalb der Arbeitswelt verschieben. Wer macht die Gewinne, wer sind die Nutznießer und wer arbeitet in extrem prekären Bedingungen? Das kann man natürlich gar nicht trennen von einer globalen Situation, in der die Schweiz als Finanzort Kapital akkumuliert, aber gleichzeitig grundlegende politische Rechte den hier Arbeitenden vorenthält.
Claudia Wahjudi: Wie Künstler und Kuratoren Ausstellungen konzipieren
Was mir daran gefällt, wenn Kuratoren eine Ausstellung ausrichten ist, dass sie sehr gezielt mit Methoden und Werkzeugen aus der Museumsdidaktik umgehen können und dass sie gewohnt sind, die Arbeiten zu arrangieren und zu erläutern oder Rahmenprogramme zur Vermittlung zu entwerfen.
Beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Es kommt darauf an, was und wen man mit einer Ausstellung erreichen will, wo sie stattfindet, welche Kunst welches Publikum anzieht, wer das Zielpublikum überhaupt sein soll und so weiter. Da müssen die Veranstalter entscheiden, ob sie Künstler oder Kuratoren engagieren wollen.
Claudia Wahjudi ist Kunstredakteurin beim Berliner Stadtmagazin Zitty und schreibt für den Tagesspiegel, Kunstforum International, tip und Nachkritik.de. Sie unterrichtet an der Universität der Künste Berlin an den Masterstudiengängen Kulturjournalismus (seit 2004) und Kunst im Kontext (seit 2007)
Anselm Franke: Die Vermittlerfiguren und das Aufkommen der zeitgenössischen Kunst
Während Künstler mit ihren Arbeiten zum Teil von der strategischen Kommunikationsverweigerung leben, muss sich die kuratorische Arbeit verständlich machen. Die Kunst ist heute großenteils wieder zum Spielzeug von globalen Eliten geworden, die die Fantasie einer Wertschöpfung ohne Arbeiter zelebrieren. Kuratoren sind notwendig, aber nicht um blind den letzten Trends hinterherzurennen – das machen Galeristen sowieso mittlerweile besser –, sondern um beides, Kunstproduktion und Gegenwart, kritisch verständlich zu machen. Das erfordert vor allem die Fähigkeit, Geschichtsbewusstsein ohne imperiale Narration zu vermitteln.
Anselm Franke ist Leiter der Abteilung Bildende Kunst und Film am Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Er war Teil des Kuratorenteams des Anthropozän-Projektes und kuratierte die internationale Ausstellung Animismus (2009–2014). 2014 war er Chefkurator der Shanghai-Biennale und 2012 der Taipei-Biennale.