Die indische Literaturwelt bekommt Nachwuchs: die Deutsch-Inderin Saskya Jain. Ihr von Kollegen und Kritikern hoch gelobter Debütroman „Fire Under Ash“ spielt in Delhi. Ein Spaziergang mit der Autorin durch eine „unterschriebene Stadt“.
Von Erdmuthe Hacken
In Saskya Jains Brust schlagen mehrere Herzen: Als Tochter einer deutschen Mutter und eines indischen Vaters vereint sie zwei Nationalitäten, zwei Kulturen und drei Sprachen – sie spricht fließend Englisch, Deutsch und Hindi. Heimat? Schwer zu sagen. In Delhi ist sie aufgewachsen, in Deutschland hat sie studiert, ein paar Semester auch in den USA. Ihr Ehemann ist Deutscher, aber ihr Buch erscheint auf Englisch.
Fünf ist sie, als sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Kaka Nagar zieht. 18, als sie die Kolonie Richtung Deutschland wieder verlässt. Dazwischen liegen die Jahre einer wohlbehüteten Mittelschichts-Kindheit im Schutze des Regierungsbeamtentums. Das Verrückte an der Geschichte: Ihr Vater ist gar kein Bürokrat. Als Kunsthistoriker und Direktor des Crafts Museums bekommt er trotzdem eine Wohnung im Erdgeschoss von Block D-II, gleich neben dem Sport-Club des Viertels. Und im Gegensatz zu den Nachbarn, die im Turnus von etwa 3-5 Jahren wieder ausziehen müssen, darf seine Familie wohnen bleiben. Ein Privileg, von dem es in Saskyas Leben noch mehrere geben wird. Nicht nur von Vorteil für das Mädchen, das immer irgendwie anders bleiben wird.
Zwischen den Welten
Zum Beispiel in der Schulzeit: Sie darf die elitäre Deutsche Schule besuchen. Umgeben von Diplomatenkindern merkt Saskya schnell, wie unterschiedlich ihre jeweiligen Welten sind. Und das liegt nicht nur an ihren indischen Einflüssen. Auch die Oberflächlichkeit, der zur Schau getragene Überfluss und das Nicht-Ankommen-Wollen oder -Können der Mitschüler in der exotischen Welt, bleiben Saskya fremd und unerklärlich. Sie lädt nur selten Freunde zu sich nach Hause ein. Und sie wird eine gute Schülerin. „Ich wollte es denen zeigen.“
Je älter sie wird, desto mehr setzt sich Saskya Jain mit ihrer kulturellen Identität und ihrer Sozialisierung auseinander. „Man ist nie ganz das eine oder das andere“, sinniert sie. „Irgendwie nimmt man immer eine Art Außenseiterperspektive ein. Vielleicht ist das der Grund, warum man Autor wird.“ Und weshalb Delhi als Dreh- und Angelpunkt beider Romane? „Ich bin in Delhi verwurzelt. Hier bin ich groß geworden. Ich bin stolz darauf. Insofern kann ich schon sagen, das ist meine Heimat“, sagt sie, ohne lange zu überlegen. Und weil sie kein Mensch sei, der wehmütig zurückblicke, für den Nostalgie nicht nur die Verhandlung mit der Vergangenheit, sondern vor allem auch mit der Zukunft ihres Landes sei, beschreiben beide Bücher einen aktuellen Zustand der indischen Hauptstadt.
Sechs Monate pro Jahr verbringt die 31-Jährige in Delhi, die andere Hälfte in Berlin. Dazwischen Lesungen, Buchmessen, Literaturfestivals, Termine mit Agenten und Verlegern. Das schlaucht. Genau aus dem Grund brauche sie auch einen festen Rhythmus zum Schreiben. Vormittags. Drei bis vier Stunden. Sie ist überzeugt, ohne Disziplin und festen Willen nütze das größte Talent nichts. Unterstützung erfährt sie von ihrem Ehemann. Christopher Kloeble ist ebenfalls Autor. „Das ist sehr praktisch. Ich habe meinen Lektor gleich zu Hause“, Saskya Jain lacht. „Natürlich gibt es auch viele Herausforderungen, wenn zwei Schriftsteller zusammenleben.“ Da sei zum Beispiel der Wettbewerb. Oder der Umgang mit Frust. Es bedürfe eines großen Verständnisses für den anderen und dessen Gemütszustand. „Ein Autorenleben ist oft voller Absagen und Enttäuschungen.“
Die ersten zwei Waggons der Metro sind übrigens grundsätzlich für Frauen reserviert. Die Regeln sind streng – wir müssen mit unserem Fotografen in den dritten Wagen einsteigen. Fünf Linien und eine Zweiglinie verbinden die gesamte NCR, die National Capital Region, einschließlich der prosperierenden Vororte Gurgaon und Noida. Überall wird am weiteren Ausbau gearbeitet.