Sprechstunde – die Sprachkolumne
Warum „Bitch“ wieder den Frauen gehört

Illustration: zwei Gesichter blicken sich an, dazwischen eine gezackte Sprechblase mit dem Schrfitzug „Bitch“
Die Bitch ist Queen. Sie ist mutig und selbstbewusst | © Goethe-Institut e. V./Illustration: Tobias Schrank

Verächtliche und herabwertende Beschimpfung oder Selbstermächtigung? – Das Wort „Bitch“ ist im Hip-Hop sehr prominent und hat doch ganz verschiedene Bedeutungen. Taiga Trece zeigt die unterschiedlichen Perspektiven.

Von Taiga Trece

Wenn wir über Hip-Hop und Sprache reden, stoßen wir früher oder später auf das Wort Bitch. Im Zeitalter des Feminismus sorgt der Begriff für Diskussionen. Deutschlands berühmteste Rapperinnen mischen die männerdominierte Szene auf und erobern sich das Wort zurück, um ihm eine unabhängige Bedeutung zu geben. – Wer das Wort „Bossbitch“ oder „Badbitch“ googelt, findet massenweise Content. Die weibliche MC-Welt ist voller tougher Frauen, die sich selbstbewusst als solche betiteln.  

„Bist du eine Bitch?“

 „Bist du so eine richtige Hip-Hop Bitch?“ fragt mich Thore, Moderator beim TV-Sender Pro-Sieben, dreist vor laufenden Kameras. „Ja.“ antworte ich direkt und unverblümt.  Was hätte ich auch sonst sagen sollen? Ist es Thore bewusst, mit welch einem Wort er mich da gerade vor einem Millionenpublikum konfrontiert?! 
 
Das aus dem Englischen stammende Wort „Bitch“ wird erklärt als Verweis auf die „Unkontrollierbarkeit und Aggressivität einer läufigen Hündin“. Im Sprachgebrauch verwenden vor allem Männer das Wort als abwertenden Ausdruck für Frauen – gleichbedeutend mit dem Wort „Schlampe“.
 
Hat Thore das gemeint? Dass ich eine läufige Hündin bin? Nein, mit Sicherheit nicht. Er meinte mit der Frage tatsächlich, ob ich Hip-Hop lebe. Natürlich strahlte der Pro-Sieben am 21. Oktober 2021  in der Primetime um Viertel nach Acht genau diesen Satz des Interviews aus. Bitches ziehen halt, auch bei der Sendung The Voice of Germany

No-Go oder normal?

Die Bedeutung des Wortes ändert sich, abhängig davon wer es wie benutzt:  Mit welcher Intonation wird es gesprochen und in welchem Kontext steht es? – Es ist ein schmaler Grat zwischen Degradierung und Emanzipation. Verwendet wird das Wort Bitch als frauenfeindliches und sexistisches Schimpfwort, als Kosename, als Ausruf der Ungläubigkeit oder als Zeichen der Anerkennung. 
 
Als Mann eine Frau „Bitch“ zu nennen, ist ein No-Go. In der Rap-Szene ist das aber total normal. Das Wort „Frau“ kommt dort so gut wie nicht vor. Die Frau mit abfälligen Begriffen abzuwerten, gehört zum guten Ton unter (Gangster-) Rappern. Frauen sollen sich unterordnen und für den Mann sexuell verfügbar sein. Durch diese Rollenverteilung sichern sie sich den Alphastatus im Rudel. Gegenüber Männern verwendet, dient es genauso sexistisch, als Ausdruck für einen Mann, der keine Eier hat. Also sollten Männer sparsam bis gar nicht mit dem Wort hantieren.
 
Im weiblichen Rap-Kontext wird das Wort positiv besetzt. Viele Rapperinnen spielen mit dem Begriff, nutzen es für sich und geben dem Wort eine feministische Bedeutung. Auch in der LGBTQ+-Comunity hat sich der Begriff weit verbreitet und wird dort mit allgemein weiblichen Attributen verknüpft.
 
Wer darf Bitch sagen? Hier gilt: Was ich selbst von mir behaupte, ist meine Entscheidung und Behauptung, ich darf mich beschreiben wie ich möchte. Kommt die Bezeichnung von einer anderen Person, ist es eine Bewertung oder Annahme und deswegen.

2022 steht die Bitch ihre Frau

Im Jahr 2020 veröffentlichte die deutsche Sängerin und Influencerin Katja Krasavice ein Buch mit dem provokanten Titel Bitchbibel. 2021 releaste die Rapperin Shirin David ihr Album Bitches brauchen Rap. Ich möchte nicht behaupten, dass sie die Bitch tatsächlich aufgewertet haben. Mit ihren hunderten Millionen von Klicks und Followern haben sie aber unzählige Frauen und Mädchen zu der Haltung animiert, es cool und angesagt zu finden, eine Bitch zu sein. – Was auch immer das bedeuten mag. Und sie haben der Haltung zum Durchbruch verholfen, dass die Bezeichnung Bitch nicht „schlecht“ ist, nur weil Rapper uns Frauen abfällig so nennen. Es geht um die Umdeutung des Wortes und um Selbstermächtigung. 
 
Eine Bitch zu sein, bedeutet auch, mit Mustern und gesellschaftlichen Erwartungen zu brechen und selbstbestimmt zu leben. Die Bitch ist Queen. Sie ist mutig und selbstbewusst. Wer das Wort für sich claimen will, der kann ich nur sagen: You Go Bitch!

Wie feministisch ist die Debatte?

Würden Frauen genauso oft das Wort Bitch verwenden, wenn sie ihre Texte selbst schreiben würden? Die Musikindustrie ist zu 80 Prozent maskulin. Im Hip-Hop-Genre dürfte der Frauenanteil noch geringer sein. So sind es meistens männliche Songwriter, die die Texte für weibliche Artists schreiben. Zum Beispiel auch für die oben erwähnten Shirin und Katja – sowie viele andere. Deswegen sollte der feministische Ansatz in der Bitch-Debatte hinterfragt werden. Findet tatsächlich eine Emanzipation statt oder gibt es nur eine weitere Plattform für patriarchale Sichtweisen? 
 
Und wenn Thore mich fragt, ob ich eine Hip-Hop-Bitch bin und ich weiß, Pro-Sieben hat keine Sendezeit und kein Interesse für eine ausführliche Erklärung, dann ist es doch logisch, dass ich dem Hip-Hop die Stange halte, und sage, ja ihr Bitches, ich bin eine richtige Hip-Hop-Bitch.
 
In diesem Sinne: Bitch don’t kill my Weib!
 

Sprechstunde – die Sprachkolumne

In unserer Kolumne „Sprechstunde“ widmen wir uns alle zwei Wochen der Sprache – als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. Wie entwickelt sich Sprache, welche Haltung haben Autor*innen zu „ihrer“ Sprache, wie prägt Sprache eine Gesellschaft? – Wechselnde Kolumnist*innen, Menschen mit beruflichem oder anderweitigem Bezug zur Sprache, verfolgen jeweils für sechs aufeinanderfolgende Ausgaben ihr persönliches Thema.

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