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Deutsche Musik
Deutsch klingt!

Konzert
Quelle: pixabay.com; Foto: Pexels

Früher assoziierte man deutschsprachige Lieder vor allem mit der Volks- und Schlagermusik. In den letzten 20 Jahren hat sich das grundlegend geändert – von Pop über HipHop bis Soul ist heutzutage in der deutschsprachigen Musik alles vertreten. Und erfreut sich großer Beliebtheit.
 

Von Agnieszka Dębska

Na gut, beim Eurovision Song Contest landet Deutschland seit Jahren eher auf den hinteren Plätzen, doch in ihrer Heimat ist die Popularität deutscher und vor allem deutschsprachiger Musik ungebrochen. Und auch ihre Qualität ist eine ganz andere. So waren in den offiziellen Albumcharts des letzten Jahres neun der Top Ten deutschsprachige Künstler – allen voran die Schlagerkönigin Helene Fischer, ein Phänomen an sich. Unter den ersten 30 Top Alben 2018 finden sich nur wenige internationale Künstler. Das war vor knapp 20 Jahren noch anders. Zur Jahrtausendwende schafften es gerade mal 4 deutsche Künstler unter die erfolgreichsten 30 Alben. Deutschsprachige Musik wurde lange Zeit vor allem mit Volksmusik und Schlagern assoziiert, auch wenn es mit der Neuen Deutschen Welle Ende der Siebziger-, Anfang der Achtziger-Jahre durchaus Vertreter anderer Musik gab, von denen es einige – Nena, der Österreicher Falco – sogar zu internationalem Ruhm gebracht haben (englischsprachige Projekte deutscher Musiker oder Interpreten wie Modern Talking oder Boney M. mal außen vor gelassen). Ein Jahrzehnt früher erging es eben so einigen Bands des in Westdeutschland gebildeten Genres Krautrock (Tangerine Dream, Agitation Free), das allerdings oftmals ganz ohne Text auskam und es somit auf internationalem Parkett leichter hatte. Gleiches gilt für elektronische Musik, allen voran natürlich Kraftwerk.

Schon 2005 belegten 14 deutsche Alben die Top 30 der offiziellen Charts.

 
Im neuen Jahrtausend dann kam es geradezu zu einer Explosion deutschsprachiger Musik, die aus allen Genre-Kanonen zu feuern anfing. Schon 2005 belegten 14 deutsche Alben die Top 30 der offiziellen Charts, davon 12 mit deutschen Texten. Und es waren mitnichten Volks- oder Schlagerlieder, sondern Pop-, Soul- und Rocksongs. Viele von ihnen sahnten Preise ab, wurden aber zunächst im Radio kaum gespielt. Das führte zu einer Debatte über eine „Deutsch-Quote“, zu der man Radiosender verpflichten wollte. Selbst das deutsche Parlament sprach sich für eine Quote aus, allerdings für eine auf freiwilliger Basis. Die Quote blieb aus, viele Radiosender, allen voran die öffentlich-rechtlichen, erkannten aber das Potential und nahmen die neue Vielfalt der deutschsprachigen Musik nach und nach ins Programm auf.
 
Bereits in den Neunziger Jahren gab es erste Anzeichen für den Zuwachs der populären deutschsprachigen Musik, die aus ganz neuer Richtung kam: 1992 öffnete die HipHop-Combo Die Fantastischen Vier (Fanta4), neben der in der breiten Öffentlichkeit weniger beachteten Advanced Chemistry, die Tore für den deutschsprachigen HipHop – die ersten mit der amüsanten Frau-Mann-Beziehungschose „Die da“, die anderen mit politischem Concious-Rap „Fremd in eigenem Land“. In Folge dessen mehrten sich deutsche HipHop-Bands, es entstand die sogenannte Hamburger Schule mit Interpreten wie Fettes Brot, Beginner und Samy Deluxe, 2001 brachte das Label Aggro Berlin den zu den Hamburgern antipodischen Gansta-Rap in den Mainstream. Künstler wie Xavier Naidoo oder die Söhne Mannheims brachten den Soul in die musikalische Landschaft. Im Rockgeschäft entstand in den 90er-Jahren die sogenannte Neue Deutsche Härte, eine Mischung aus Hardrock, Metal und elektronischer Musik, deren bekannteste Vertreter wohl Rammstein sein dürften. Im Mainstream-Radio waren und sind solche Genre-Bands freilich nur ungenügend vertreten, bei den Fans erfreuen sie sich jedoch ungebrochener Popularität, wovon ausverkaufte Konzerte und fette CD-Verkäufe zeugen.
 
Selbstverständlich gab es daneben seit jeher die Liedermacher, die schon immer auf Deutsch politische Lieder und amouröse Chansons zum Besten gaben. Deren sprachliches Können führen nun Singer/Songwriter fort, die jenseits abgedroschener Reime wie „dein/sein“ der deutschen Sprache Klang und Emotion verleihen. Natürlich gibt es auch Chart-Stürmer, die poppige – böse Zungen würden sagen: seichte – Stücke anbieten, die sich um kaum mehr drehen als Liebe/Leid oder adoleszente Lebensfreude. Das nahm 2017 der Satiriker Jan Böhmermann zum Anlass, bei Deutschlands bis dahin größtem Musikpreis Echo ein Lied einzureichen, das angeblich von einem Schimpansen geschrieben wurde und den viel- oder auch nichtssagenden Titel Menschen Leben Tanzen Welt trug. Das Lied ging leer aus und der Echo fand ein Jahr später wegen eines anderen Skandals ein jähes Ende, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Künstler begriffen, dass die deutsche Sprache auch in der Musik mehr kann als man vermutet hätte (...).


Man kann sich durchaus fragen, inwiefern die Deutsche Einheit mit dem wachsenden Selbstbewusstsein deutschsprachiger Musik zusammenhängt. War es eine Mischung von westlichen Kultureinflüssen, der Freiheit, sich endlich überall im Lande nach eigenem Gusto ausdrücken zu können und dem Gefühl eines neuen, freien, demokratischen Deutschlands, das die Gräuel der Geschichte hinter sich gelassen zu haben schien und bereit war für eine selbstbewusste Zukunft? Diese These mag etwas konstruiert anmuten, ganz von der Hand zu weisen ist sie sicherlich nicht. Viel wichtiger ist ohnehin, dass es eine so große Nachfrage nach deutschsprachiger Musik gab und gibt. Und auch die mag damit zusammenhängen, dass nach dem langjährigen Einfluss amerikanischer Kultur in den alten und dem ersten Hype dieser in den neuen Bundesländern nach der Wende der Wunsch gewachsen war, eigene Emotionen in der Muttersprache präsentiert zu bekommen. Die Künstler wiederum begriffen, dass die deutsche Sprache auch in der Musik mehr kann als man vermutet hätte und so schwenkten auch Sänger, die anfangs englisch getextet haben, auf die deutsche Sprache um.  So beispielsweise Sarah Connor, die  ihr aktuelles, insgesamt achtes Album sogar „Muttersprache“ nannte und mit ihm ein Debüt in deutscher Sprache vorlegte.
 
Bei der Fülle ist es nicht leicht, alles mitzubekommen, geschweige denn alles zu hören, was die deutschsprachige Musik zu bieten hat. Mittlerweile gibt es aber Songs, die aus meiner Playlist nicht mehr wegzudenken sind. Der HipHop-Klassiker Susanne zur Freiheit von 1998 beispielsweise, in dem das Hamburger Quartett Fischmob die Crème de la Crème des damaligen deutschsprachigen HipHop zu Wort bat. Ein anderes Lieblingsstück kommt von den Österreichern Bilderbuch, die 2015 den deutschsprachigen Markt eroberten. Maschin ist feinster Indie-Pop, der mit Geschlechterklischees spielt und es ordentlich krachen lässt. Und wenn ich es etwas ruhiger haben will, höre ich zum Beispiel Peter Licht und sein „Lied vom Ende des Kapitalismus“, eine Gesellschaftskritik in Form einer Utopie, mit entspanntem Sound – und zum Mitsingen. 
 

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