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food:generations
Fingerabdrücke auf dem Teig

Foto: Pexels

Im Rahmen des Kultursymposiums Weimar besuchte Monika Kucia, Kuratorin des Projekts „food:generations“, fünf polnische Familien, in denen Enkelkinder mit ihren Großmüttern kochen und am Tisch sprechen. Die Autorin hat diese Treffen in einem 22-minütigen Film dokumentiert, dessen Idee sie im folgenden Text erklärt.

Von Monika Kucia

Bindungen zwischen den Generationen entstehen oft durch ganz einfache gemeinsame Tätigkeiten: Die Großmutter schmiert dem Enkel ein Butterbrot zum Frühstück, er hilft ihr beim Zusammenlegen der Bettwäsche und am Abend fordert er sie auf, ihm zum hundertsten Mal sein Lieblingsmärchen zu erzählen. Wir bitten unsere Großmütter, uns Apfelpfannkuchen, Kuchen und rote Grütze zuzubereiten. In jeder Kultur gibt es bestimmte „Großmuttergerichte“, Speisen, die viel Arbeit, Hingabe und jahrzehntelange Erfahrung erfordern.

Viele Gerichte der polnischen Küche können als „Comfort Food“ bezeichnet werden – es sind Speisen, die uns trösten, satt machen und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Die Polen lieben Suppen in allen Variationen: Hühnerbrühe mit Möhren und Petersilie, dicke Graupensuppe mit Räucherrippchen, Tomatensuppe mit Reis und im Sommer kalte Rote-Bete-Suppe mit hart gekochtem Ei. Sie essen gerne Quarknocken, Kartoffelklöße, Apfelpfannkuchen und Pierogi. Diese traditionellen Gerichte, die von unseren Müttern und Großmüttern zubereitet werden, sind scheinbar ganz unkompliziert, doch sie erfordern bestimmte Fertigkeiten und einiges an Geschick. Ob ein Teig die richtige Konsistenz hat, ist eben eine Frage des Fingerspitzengefühls.

Das Geheimnis guter Pierogi

Im Rahmen des Projekts „food:generations“ haben wir fünf Familien in unterschiedlichen Regionen Polens besucht und Großmüttern, Enkeln und Enkelinnen beim Essen, Kochen und beim gemeinsamen Teigkneten über die Schulter geschaut. Wir haben uns ihre Lebensgeschichten angehört und viel über ihre Beziehungen zueinander und die Art, wie sie untereinander Informationen austauschen, erfahren. Die Pierogi wurden für uns zu einem Symbol für den intergenerativen Wissenstransfer und Geheimnisse, die ausschließlich im Familienkreis weitergegeben werden. Der im Rahmen dieses Projekts entstandene Film ist Teil des Kultursymposiums Weimar 2021.

Pierogi sind wohl das bekannteste polnische Gericht. Es sind Teigtaschen, die mit einer herzhaften oder süßen Füllung gefüllt und in kochendem Wasser gegart werden. Pierogi werden sowohl während der Woche als auch zu Feiertagen gegessen, sie werden sorgfältig geformt, nach alter Familientradition oder industriell hergestellt, sie werden gekühlt oder gefroren angeboten und auf Tankstellen und in Büroküchen aufgewärmt.

Pierogi mit Sauerkraut und Pilzen sowie Uszki, die kleine Variante der Pierogi, werden in den meisten polnischen Haushalten zu Weihnachten als Beilage zu Barszcz, einer klaren Rote-Bete-Suppe, serviert. Es gibt auch die sogenannten Pierogi Ruskie mit einer Füllung aus Quark und Kartoffeln (die Bezeichnung „Ruskie“ bezieht sich nicht auf Russland, sondern auf das historische Rotrussland, ein Gebiet der ehemaligen Polnischen Adelsrepublik, das sich in der heutigen Ukraine und im Südosten Polens befindet). Für die Füllung verwendet man am besten Quark aus nicht pasteurisierter Milch, der während der Reifung ein ganz besonderes Aroma entfaltet. Die Kartoffeln werden zwei Tage vor der Zubereitung der Füllung gekocht, damit sie eine trockene, krümelige Konsistenz annehmen. Anschließend wird der Quark mit den Kartoffeln sowie mit Zwiebeln vermischt und mit Salz und Pfeffer, eventuell auch Majoran gewürzt.

Auch Pierogi mit Fleischfüllung sind in Polen sehr beliebt. Für die Füllung wird Schweine-, Hühner- oder Rindfleisch in einer Gemüsebrühe mit Salz, Lorbeer und Piment gegart. Anschließend wird die Brühe abgegossen und das Fleisch durch den Wolf gedreht. Eine gute Fleischfüllung bleibt auch nach dem Garen der Pierogi noch angenehm saftig.

Wie die Urgroßmutter

Pierogi sind ein äußerst vielseitiges Gericht, sie können auch mit saisonalem Obst zubereitet werden: im Sommer mit Erdbeeren oder Blaubeeren und in den kälteren Monaten mit getrockneten oder gedörrten und geräucherten Pflaumen (den sogenannten Suska sechlońska). Jede Hausfrau hat ihr eigenes Pierogi-Rezept. Im Rahmen des Projekts „food:generations“ mahnte Oma Grażyna aus Gdańsk, die Füllung müsse unbedingt zuerst zubereitet werden, weil der Teig nicht zu lange ruhen dürfe. Ela aus Nysa hat sich vom Tischler besondere Brettchen anfertigen lassen, auf die sie die vorbereiteten Pierogi legt. Teresa bereitet den Teig mit Milch zu, und Oma Krysia sagt: „Ich mache Pierogi auf dieselbe Art wie meine Großmutter und meine Urgroßmutter.“

Der Teig wird in der Regel aus Mehl, Salz, Wasser und Speiseöl hergestellt. Das Wasser sollte am besten warm sein. Der Teig wird mit der Hand geknetet, durch die Wärme der Hände entwickelt sich das Gluten, das dem Teig eine klebrige Konsistenz verleiht und dafür sorgt, dass sich die Zutaten besonders gut vermischen. Angeblich sind Frauenhände für diese Arbeit besonders gut geeignet, weil sie besonders viel Wärme abgeben – hierdurch entwickelt sich mehr Gluten, und die Pierogi lassen sich leichter formen. Die Pierogi können auf unterschiedlichste Weise, mit den Fingerspitzen oder einer Gabel zusammengedrückt werden.

Anschließend werden die Pierogi in kochendes Salzwasser gegeben. Verwendet man tiefgekühlte Pierogi, sollte der Topf anschließend nicht wieder zugedeckt werden, damit die Pierogi nicht auseinanderfallen. Bei frischen Pierogi sollte man den Topf wieder zudecken, um das Wasser erneut zum Kochen zu bringen. Die Pierogi sollten so lange ziehen, bis sie oben schwimmen. Da Pierogi ein empfindliches Produkt sind, darf das Wasser nicht zu sehr kochen. Sobald es erneut zu kochen beginnt, sollte man die Temperatur reduzieren und zwei bis drei Minuten warten, bis die Pierogi von selbst an die Wasseroberfläche schwimmen. Durch das geschmolzene Fett sind die Pierogi dann leichter geworden, und der eingeschlossene Wasserdampf bewirkt, dass sie von selbst an die Wasseroberfläche steigen. Man sollte Pierogi nicht zu lange kochen, da sie sonst zu weich werden.

Bei der industriellen Herstellung werden dem Teig chemische Geschmacksverstärker und modifizierte Stärke hinzugefügt. Für die Füllung werden Fleischabfälle, Semmelbrösel, Grieß, Kartoffelflocken sowie Fette und Talge minderwertiger Qualität verwendet, damit die Pierogi schwerer, klebriger und fetter werden. Es empfiehlt sich, die Liste der Inhaltsstoffe zu lesen.

Selbstgemachte Pierogi erkennt man an ihrer Form. Je gleichmäßiger und präziser sie aussehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie industriell hergestellt wurden. Eigenhändig gefaltete Pierogi tragen auf ihren Rändern die Fingerabdrücke derer, die sie hergestellt haben – mal größer, mal kleiner, mal fester, mal schwächer. Der Reiz selbstgemachter Pierogi besteht darin, dass jede von ihnen anders, einzigartig ist.
 

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food:generations – Logo © Goethe-Institut Der Text erscheint anlässlich der Premiere des Filmprojekts, das die Geschichten von fünf Familien zeigt. Enkel- und Großelterngenerationen bereiten die Teigtaschen gemeinsam zu. Was verbindet und trennt diese Generationen? Die Filmvorführung findet im Rahmen des Vorprogramms des Kultursymposiums Weimar statt. Mehr 

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