Ausgesprochen ... integriert
Studieren mit Migrationshintergrund

Schüler*innen sitzen an getrennten Tischen
Mit Migrationshintergrund oder ohne: In Deutschland haben fast gleiche Anteile der Bevölkerung Abitur. | Foto (Detail): Bernd Wüstneck © picture alliance / dpa

Welchen Einfluss hat ein Migrationshintergrund auf die Bildung und Bildungschancen in Deutschland? Sineb El Masrar schreibt darüber, was dazu beiträgt, Schüler*innen einen höheren Abschluss zu ermöglichen.

Von Sineb El Masrar

Der Weg und die Bildungsgeschichte von Studierenden mit Migrationshintergrund an deutsche Universitäten sind eine Aneinanderreihung von Ereignissen und Umständen, die geprägt ist von Kränkungen, Benachteiligung und Ignoranz. Das Thema wurde in der Vergangenheit, vor allem zu Hochzeiten der Gastarbeit in den 1960er Jahren und weit in die 1990er Jahre, nicht selten rassistisch unterschätzt beziehungsweise klein gehalten. Wo etwas Förderung nötig war, nahmen manche Lehrkräfte dies als bequeme Ausrede Schüler*innen im Schulsystem höhere Bildungsabschlüsse zu verwehren. Dies ist eine Seite der Geschichte.

Den Preis zahlen Kinder bereits in den ersten Jahren ihrer Schulbildung; manche können nie ihr Potenzial ausschöpfen. Die einen brechen vorzeitig ab und landen in ungelernten Gelegenheitsjobs, Langzeitarbeitslosigkeit oder landen schlimmstenfalls in der organisierten Kriminalität. Bei den anderen gleichen sich die schweren Schuljahre auf dem zweiten Bildungsweg aus oder sie erhalten noch in der Schullaufzeit die nötige Förderung. Andere wiederum erleben eine Schulzeit von stetigem Wissenswachstum samt Wunschabschluss.

Bei der Bewertung der Bildungschancen werden häufig Statistiken zurate gezogen, die meist einseitig gelesen werden oder nur einen Teil der Umstände in den Blick nehmen. Auch bleibt die Erfassung des Migrationshintergrunds der Schüler*innen und Studierenden ungenügend, da die Datenlage hierzu sehr lückenhaft ist.

Die Rolle des Migrationshintergrunds

Wenn wir die Schulabschlüsse vergleichen, die die Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund hat, dann ist der Unterschied oft marginal. Lediglich beim Erwerb des Realschulabschlusses finden wir eine Differenz von rund 13 Prozent und auch der Anteil ohne Schulabschluss ist bei Personen mit Migrationshintergrund 10 Prozent höher. Alle anderen Anteile der Abschlüsse liegen nah beieinander. Beim Abitur, welches maßgeblich zum Hochschulstudium befähigt, liegen beide Seiten bei rund 42 Prozent.

Wer heute die Universitäten Deutschlands besucht trifft eine wilde Mischung aus Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund an. Hinzu kommen Auslandsstudierende, deren Muttersprache nie Deutsch war und die sie meist in ihrem Herkunftsland mühsam erlernen mussten. In Deutschland angekommen gilt es zudem oft, noch einmal die Deutsch-Schulbank zu drücken, bevor es ans eigentliche Studium geht. 

Was die in Deutschland sozialisierten Studierenden angeht, nimmt neben der migrantischen Herkunft vor allem das Elternhaus eine entscheidende Rolle ein und welche Bedeutung sie Bildung beimessen. Das zeigt sich auch in den Geschlechterverhältnissen. Mädchen schneiden im Schulwesen meist besser ab als Jungen und dies hängt auch mit der Struktur zusammen, die Mädchen in vor allem konservativen Elternhäusern vorfinden.

Bildung ist Arbeit

Das Lernumfeld, haben Studien ergeben, ist ebenfalls wichtig. Wie frühzeitig ins Bett gehen und genügend gesunde Nahrung, einen ruhigen Raum oder ruhige Lernecke in der Wohnung beispielsweise. Es gibt Uniabsolvent*innen, die aus sehr ärmlichen und bildungsfernen Elternhäusern stammen. Diese fanden entweder im Elternhaus die nötige Unterstützung im Sinne von einem guten Lernumfeld oder Lehrer*innen oder Nachbar*innen und so weiter, die die nötige Förderung ermöglichten.

Wie so oft gibt es nicht einen Grund für Bildungserfolg beziehungsweise Misserfolg. Bei der Bildung sind nicht nur die Schüler*innen beteiligt, sondern Lehrkräfte, Eltern und das Bildungssystem, dass dort ausgleichend eingreifen muss, wo es Förderung bedarf. Sie stehen im Wechselspiel und dieses Wechselspiel ist nach wie vor gestört. Dass dennoch bereits in der ersten Einwanderungsgruppe in Nachkriegsdeutschland so viele ihren erfolgreichen Bildungsweg dort gegangen sind, ist einem dennoch soliden Bildungsnetz zu verdanken, Fleiß und manchmal Zufällen. Auf Letztere sollten wir uns als Gesellschaft nicht verlassen. 

Gerade das Zusammenspiel der drei Faktoren Bildungsnetz, Elternhaus und Lehrer*innen ist wichtig. Statt also immer die Verantwortung auf eine Seite zu laden, sind alle drei angehalten, im Sinne einer zukunftsfähigen Bildung im Austausch zu bleiben und ihren nötigen Anteil zu leisten. Bildung ist Arbeit und diese obliegt nicht nur den Schüler*innen und Studierende allein.  

 

„AUSGESPROCHEN …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms und Maximilian Buddenbohm. El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?

  
 

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